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Hitler-Kult in Berchtesgaden

„Nazi-Touristen“ schlugen Behindertem ins Gesicht - Jetzt probt ein Kult-Kneipier den Aufstand

Hakenkreuz Baum
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Hakenkreuze in Baumrinden finden sich am ehemaligen Berghof zuhauf. Das Problem sei bekannt, früher jedoch größer gewesen. Heutzutage gilt vor allem Hitlers Geburtstag als Anlass für rechts Gesinnte, den Obersalzberg zu besuchen.

Die Faust trifft den nach einem Fahrradunfall Geistig-Beeinträchtigten mitten ins Gesicht. Angreifer und seine Begleiter: aus der rechten Szene, sagt der Kneipier des Kuckucksnests, Jakob Palm, Gemeinderat in Schönau am Königssee. Ein Instagram-Clip und zwei Tage später hat sich eine Bewegung formiert: „Wir brauchen in Berchtesgaden keinen Nazi-Tourismus.”

Berchtesgaden - Was wäre Berchtesgaden ohne Obersalzberg, ohne Dokumentation, ohne Kehlsteinhaus? Vermutlich wäre es manchmal etwas ruhiger im Ort. Jakob Palm stört sich aber an etwas ganz anderem: Die hiesigen Orte mit Historie locken mitunter die falschen Leute in Deutschlands südöstlichste Urlaubsregion. 

Platz für Statements: die WC-Türen des Kuckucksnest.

Inklusionsprogramm für Beeinträchtigte

Der Schlägertrupp kam aus dem Nichts, erzählt Jakob Palm. Der links inspirierte rote Stern, der die Bar kennzeichnet, habe sie wohl provoziert, mutmaßt er. Ohne große Worte standen sie plötzlich vor der Bar am Bahnhofsberg in Berchtesgaden. Die Stunden zuvor seien gute gewesen: Inklusionsprogramm für Beeinträchtigte, gemeinsame Spiele, schöne Erlebnisse, fasst der Barbesitzer zusammen.

Typische Kleidung

Der eine trug ein „Division Deutschland“-T-Shirt, erinnert sich Palm. Das ist Kleidung, die in der rechten Szene verbreitet ist. Es gibt weitere Beispiele rechts verorteter Klamotten, etwa jene des ursprünglich bayerischen Herstellers „Consdaple“. Orthografisch wird hier ein falscher Bezug zum englischen Wort „constable“ (Schutzmann, Polizeibeamter) gesetzt. In der rechten Szene gilt die im Wort enthaltene Buchstabenfolge “nsdap” als Grund der Klamottenwahl, weiß auch er.

Sein Video erreicht viele Menschen

Auf Instagram hat er den Vorfall in einem Video geschildert, eindrücklich, mit stechendem Blick, tiefem Timbre und großem Echo: 12000 Menschen schauten das Video: Aufgebaut und aufmarschiert seien sie. Einschüchtern wollten sie. „Einschüchtern heißt für die Feiglinge, einem geistig Beeinträchtigten ins Gesicht zu schlagen und dann davonzulaufen“, sagt Jakob Palm. „Ihr wisst gar nicht, was ihr da angestellt habt.“  Die Resonanz auf das Video war gewaltig: dutzende Kommentare, hunderte Likes. Geboren war die Idee eines „Stammtischs wegen Rechts“. 

Jakob Palm, Barbesitzer und Gemeinderat, schildert im Instagram-Video den Vorfall in seiner Kneipe.

„Stammtisch wegen Rechts“

40 Leute sind spontan erschienen, Jung und Alt, „klar positionieren“ müsse man sich, sagt einer. Das Treffen findet im Kuckucksnest statt, dort, wo sich die Attacke zutrug. Mit einer Streife waren die Beamten am Tattag ausgerückt. Die Polizisten konnten zwei der drei Beteiligten unmittelbar danach im Umfeld der Bar aufgreifen, sagt ein Polizeibeamter auf Nachfrage. Die Aufgegriffenen stammen nicht aus Berchtesgaden, sondern seien hier nur auf Urlaub, heißt es.

Kurz nach dem Vorfall einberufen: ein „Stammtisch wegen Rechts”.

„Nicht gewaltbereit, aber für Gewalt bereit“

„Rechts hat bei uns nichts verloren“, sagt ein Gast des spontan einberufenen Stammtischs. „Gegen rechts. Jetzt! Immer“, so sagt es Jakob Palm. Er hat mal Philosophie studiert, ist nicht nur Barbesitzer, sondern auch Lokalpolitiker. Er sitzt für die Grünen im Gemeinderat von Schönau am Königssee. Ein Statement setzen - das wollen alle im Raum. Sie hocken auf Holzstühlen, lehnen an der Wand, trinken Bier und Spezi und diskutieren darüber, Rechts Einhalt zu gebieten. Jakob Palm hat sich als Stütze einige Notizen gemacht. Es fallen Sätze wie: „Nicht gewaltbereit, aber für Gewalt bereit“, und: „Den Kampf haben wir gewonnen - weil wir ihn vermieden haben.“ Wütend-motivierter Hass sei das eine. Das andere ist: „Wie können wir die Welt besser machen?“

Crowdfunding-Aktion

Dass Gewalt keine Lösung sei, darüber ist man sich schnell einig. Die Ideen sprudeln. Eine Crowdfunding-Aktion für den Geschädigten ist im Gespräch. Strafanzeige, Zivilklage. „Wir müssen auf den Vorfall aufmerksam machen“, rät Palm, dessen Video dazu große Runde gemacht hat. 

Schwerer Unfall mit 17 Jahren

Der Geschädigte ist auch beim Treffen mit dabei. Als er 17 Jahre alt war, hatte er einen schweren Unfall, Folgeschäden am Gehirn. „Was diesem Kerl mit 17 passiert ist, hätte jedem von uns passieren können - und das wissen wir. Deshalb respektieren wir ihn und passen auf ihn auf“, sagt Jakob Palm.

Hitler-Kult in Berchtesgaden

„In Berchtesgaden haben wir mitunter einen rechten Tourismus“, sagt eine Teilnehmerin des Treffens. „Wir wollen nicht, dass Menschen kommen, die an Hitlers Berghof Blumen ablegen und sich Hitlers Kehlsteinhaus anschauen“, sagt sie. Immer wieder finden sich Kerzen und Blümchen, das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) München-Berlin betreibt eine Sammlung der Fundstücke. Etliche Bäume im Wald rund um den ehemaligen Regierungssitz zieren Hakenkreuze in der Rinde - teilweise Jahrzehnte alt. Das Problem sei früher größer gewesen als heutzutage, heißt es aus dem IfZ. Im vorvergangenen Jahr hatten rechte Gesinnungsgenossen an Hitlers Geburtstag ein Holzkreuz am Berghof gebaut, Blumen- und Kerzenschmuck drapiert.

Aktionismus gegen Rechts

Eine Unterschriftenaktion wollen die jungen Leute nun starten, Aktionismus wegen Rechts, ein klares Statement gegen Rechts. Eine Demo? Aktionismus mit Hinschau-Garantie? Mal sehen. Fakt sei: „Kaum einer weiß über den Nazi-Tourismus Bescheid“, unterstreicht ein Anwesender. Das müsse sich nun ändern.

kp

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