Bürgerversammlung Bayerisch Gmain
Scharfe Kritik an Gemeinderat und Bürgermeister – Wierer: „Ich lasse mich nicht verbiegen!“
Es rumort in Bayerisch Gmain, wie die Bürgerversammlung am Donnerstagabend (27. März) zeigte. Das abgelehnte Wohnbauprojekt, das der Regensburger Bauherr mit dem „Vetternwirtschaft“-Vorwurf quittiert hatte, kam ebenso zur Sprache wie die Kostenfinanzierung der Kläranlage, die als „unfair“ bezeichnet wurde. Tatsächlich stand am Donnerstagabend (27. März) nicht nur der Gemeinderat, sondern auch Bürgermeister Armin Wierer im Zentrum der deutlichen Kritik.
Bayerisch Gmain - Die jüngsten Entscheidungen über Wohnbauprojekte haben in und um Bayerisch Gmain durchaus für geteilte Meinungen gesorgt: Gleich in zwei Fällen widersetzte sich der Gemeinderat den eindeutigen Empfehlungen der Verwaltung. Wurde in der vergangenen Sitzung beim möglichen Bau von zwei Einfamilienhäusern in der Plainburgstraße eine Ausnahmeregelung befürwortet - trotz der nahen und einzigen Trinkwasserversorgung der Gemeinde sowie weiterer Bedenken -, folgte einen Monat vorher eine deutliche Ablehnung eines Bauprojekts mit 14 Wohnungen in der Berchtesgadener Straße. Sowohl der Bauherr aus Regensburg als auch die Verwaltung zeigten sich im Anschluss sehr überrascht darüber.
Ich möchte nicht, dass für die Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, beim Bauen spielen Mitgliedschaften in Parteien oder Vereinen eine Rolle.
„Der Gemeinderat macht sich mit diesen Entscheidungen, die aus einer Laune heraus getroffen werden, angreifbar. Das hat die Gemeinde nicht verdient“, meinte Harald Labbow bei der gut besuchten Bürgerversammlung im Haus des Gastes. Die Bebauungspläne für die Berchtesgadener Straße empfand er als „völlig akzeptabel“, doch dank der Ablehnung drohen „wieder keine Wohnungen für Familien in Bayerisch Gmain“. Zum Votum für die beiden Einfamilienhäuser in der Plainburgstraße betonte er: „Ich möchte nicht, dass für die Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, beim Bauen spielen Mitgliedschaften in Parteien oder Vereinen eine Rolle.“
3000 bis 4000 Euro an Kosten für Modernisierung der Kläranlage
Auf seine Frage, welches Grundstück die Gemeinde für die Finanzierung des neuen Rathauses - es geht hierbei um 2,8 Millionen Euro - verkauft habe, antwortete Bürgermeister Wierer: „Wir haben noch nichts verkauft, da mehrere Grundstücke infrage kommen. Das nimmt seinen normalen Werdegang und dann wird im Gemeinderat darüber informiert und entschieden.“
Ulli Gritzuhn meldete sich zu Wort und erwähnte die Ertüchtigung der Kläranlage. Hierzu hatte der Bürgermeister vorher in seinem Redebeitrag über die aktuelle Lage in der Gemeinde berichtet, dass sich der Gemeinderat für die Beitragsfinanzierung, die sogenannte Erhebung von Verbesserungsbeiträgen, entschieden habe. Das bedeutet, dass die angeschlossenen Grundstückseigentümer die Zahlungen übernehmen. Auf Ein- oder Zweifamilienhäuser könnten damit Beiträge in Höhe von 3000 bis 4000 Euro zukommen - für Gritzuhn ist das „unfair“.
Forderung nach fairem Kostenschlüssel
„Der Wasserverbrauch konzentriert sich auf einige wenige Großabnehmer, die auch dementsprechend das Wasser wieder einleiten. Darunter sind auch die drei größten touristischen Betriebe. Es kann nicht sein, dass eine Mehrheit, die wenig verbraucht, die Kosten für eine kleine Anzahl an Großverbrauchern trägt“, betonte er und machte darauf aufmerksam, dass bei der damaligen Entscheidung des Gemeinderates ein Antrag für einen fairen Kostenschlüssel „im Keim erstickt“ worden sei. Also stellte er im Rahmen der Versammlung erneut einen Antrag, der mit deutlicher Mehrheit der Bürger befürwortet wurde. Damit muss sich das Gremium innerhalb von drei Monaten mit diesem Thema befassen und darüber entscheiden.
Bürgermeister Wierer erklärte, man hätte gerne einen gerechteren Schlüssel angewendet, doch man werde sich auf die Suche nach einer neuen Möglichkeit machen. „Doch die Lösung muss auch zulässig sein“, sagte er. Auf den Hinweis, dass im benachbarten Großgmain nach dem Verbrauch abgerechnet werde, entgegnete er, dass dort andere gesetzliche Vorgaben herrschen. „Wir versuchen, die Gebühren so gering wie möglich zu halten“, versprach er.
„Zu spät, unzureichend und teils irreführend informiert“
Das Gemeindeoberhaupt wurde dann von Susanne Tansley direkt ins Zentrum ihrer Kritik genommen. Seit zwei Jahren beobachte sie die Gemeindepolitik. „Gefühlt werden wir zu spät, unzureichend und teils irreführend informiert. Wie heißt es so schön: Es wird nur gesagt, was gut für uns ist. Aber damit sind wir nicht zufrieden“, legte sie los.
Ich frage mich: Wann haben Sie ihre Meinung geändert, uns Bürger rechtzeitig zu informieren?
Sie erwähnte die Bürgeranträge „Gewerbebau auf Bestandsgrundstück statt grüner Wiese“, bei dem es um die Firma Schmölzl geht, und „Hotelbau im Wohngebiet: Ortsplanerische Begründung“ in Verbindung mit der Villa Sonnenhof. Auch die Kläranlage werde noch für Skandale sorgen, hinzu komme der Rathaus-Neubau. „Ich hätte mir da mehr Substanz gewünscht und frage mich: Wann haben Sie ihre Meinung geändert, uns Bürger rechtzeitig zu informieren?“, fragte sie den Bürgermeister. Tansley wünschte sich eine bessere Informations- und Kommunikationspolitik, „damit wir uns frühzeitig ein Bild machen können“.
Wierer schilderte, dass die Bauleitplanungen den gesetzlichen Rahmen vorgeben und sich jeder Bürger in dessen Rahmen beteiligen und informieren könne. „Mir ist nicht bewusst, dass sich an meiner Meinung etwas geändert haben soll. Man kann mit mir vernünftig sprechen und ich teile auch Informationen. Ob diese einem gefallen, ist etwas anderes, aber ich lasse mich nicht verbiegen!“, betonte er.
Hilft die neue Verkehrsreform?
Peter Renoth forderte die Verwaltung und den Gemeinderat auf, nach der neuen Verkehrsreform zum Beispiel den vielfach geforderten Fußgängerüberweg im Bereich des Edeka-Marktes an der B20 anzulegen. „Das wäre eine gute Sache und das muss der Gemeinderat im Kreuz haben und nicht gleich beim ersten Hauch von Widerstand umfallen“, forderte er.
Renoth wünschte sich auch die Errichtung einer Tempo-30-Zone im Bereich der Grundschule, wofür die Gemeinde schon seit einigen Jahren kämpft. Daran erinnerte auch Wierer, der vielsagend erzählte: „Wir haben schon häufiger mit dem Landratsamt darüber diskutiert, aber scheinbar sind die Gesetze dort noch nicht angekommen.“
Zu der Anmerkung einer Bürgerin, dass sich zunehmend Tauben in Gemeindegebiet vermehren und damit verstärkt für Verunreinigungen und Beschädigungen an Häusern sorgen würden, meinte der Bürgermeister zum Erstaunen der Zuhörer: „Wir wissen, dass die Tiere gefüttert werden. Das wird hoffentlich eingestellt, ansonsten müssen wir uns überlegen, ob wir Falkner engagieren oder in die Nester künstliche Eier hineinlegen.“
Offene Ganztagsschule und Probleme an der Friedhofstraße
Tom Schubert-Georgii stellte die Frage, ob es bereits ein Konzept für eine Offene Ganztagsschule in der Gemeinde gebe und welche Meinung die Verwaltung hierzu habe. Wierer: „Wir haben uns im Gemeinderat schon ein bisschen damit befasst, aber wir hoffen, dass sich mit dem Regierungswechsel etwas tut. Das wird am Personalmangel scheitern.“ Für das Schuljahr 2026/27 - dann gilt der gesetzliche Anspruch - müsste der Bedarf ermittelt werden. Für das Jahr 2025/26 gebe es keine Veränderung der Mittagsbetreuung. Doch der Bürgermeister gab zu: „Das Problem ist akut und rückt immer näher.“
Eine weitere Wortmeldung von Patricia Irlinger bezog sich auf Friedhofstraße. Erstens regte sie eine längere Parkdauer für die Besucher an und zweitens einen Spiegel bei der Ausfahrt auf die B20, weil es aufgrund des Radweges und der schwierigen Sichtverhältnisse immer wieder zu gefährlichen Situationen komme. Bürgermeister Wierer notierte sich diese beiden Vorschläge.
Für einen aufmunternden Abschluss nach all den kritischen Beiträgen sorgte Lisa Loch, die sich bei der Gemeinde, den Vereinen und den Schulen bedankte. „Als junge Familie fühlen wir uns wohl und ich wünsche mir einen konstruktiveren und positiveren Austausch untereinander“, lautet ihr Statement, mit dem die Versammlung aufgrund ausbleibender Meldungen endete. Für Gesprächsstoff im Anschluss war an diesem Abend dennoch ausreichend gesorgt. (ms)