Meinungen im Bad Reichenhaller Gremium uneins
„Kirche im Dorf lassen“ oder „nur der erste Schritt“: Stadtrat diskutiert über Tempo 30 in Karlstein
Schon wieder Karlstein, schon wieder der Verkehr: Einen Monat, nachdem die Bad Reichenhaller Stadtverwaltung mit der Einführung einer 7,5 Tonnagebeschränkung beauftragt wurde, stellt die Bürgerliste in der Stadtratssitzung einen Antrag zur Geschwindigkeitsbegrenzung in der Ortsdurchfahrt. Das Ziel: eine Tempo 30-Zone und weitere Maßnahmen, um die Sicherheit am Schulweg entlang der St 2101 zu erhöhen. Nicht jeder Stadtrat stimmt den Argumenten zu, die Abstimmung fällt denkbar knapp aus.
Bad Reichenhall - Mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung in einem Teilbereich der Ortsdurchfahrt von Karlstein will die Bürgerliste Reichenhall den Schulweg sicherer gestalten. Damit musste sich der Stadtrat in seiner Sitzung am Dienstagabend erneut mit dem Ortsteil beschäftigen, vor einem Monat war bereits die Überprüfung der Einführung einer 7,5 Tonnagebeschränkung auf der St 2101 ab „Wegscheid“ (Weinkaser) in Richtung Thumsee-Karlstein in Auftrag gegeben worden.
Im Antrag verweist die Bürgerliste auf den Schulbetrieb in der Schmalschlägerstraße, in unmittelbarer Nähe zur Ortsdurchfahrt. „Viele Kinder müssen die Straße queren. Ein Tempo 30, während der Schulzeiten und im Bereich des ehemaligen Gasthofs Kaitl, würde die Sicherheit deutlich erhöhen“, schilderte Manfred Hofmeister. So sei eine Tempobegrenzung für den Zeitraum Montag bis Freitag, von 7.30 bis 16 Uhr, eine Option. Zusätzlich könne noch ein Verkehrsschild „Schule“ aufgestellt werden. Hofmeister erwähnte auch: „Die Maßnahme hätten den Nebeneffekt, dass sich die Lärmbelastung für die Anwohner deutlich reduzieren würde.“
„Wollen eine modifizierte Lösung“
Er gab zu, dass die Einführung einer 30er-Zone schon einmal gescheitert sei, „doch wir wollen eine modifizierte Lösung“. Der Ansatz, speziell auf die Sicherheit von Schulkindern abzuzielen, sei schließlich auch in der Gemeinde Tacherting, Ortsteil Peterskirchen, im Landkreis Traunstein erfolgreich gewesen. Und die Karlsteiner Schulleitung unterstütze das Anliegen. Der zweite Teil des Antrags der Bürgerliste zielte darauf ab, die Verwaltung damit zu beauftragen, Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit des Schulweges von der Staatsstraße bis zur Schule zu untersuchen.
Oberbürgermeister Christoph Lung (CSU) warnte vor allzu großen Erwartungen. „Wir müssen die Straßenverkehrsordnung umsetzen und können nicht einfach so ein Tempolimit einführen. Sowohl das Staatliche Bauamt als auch die Polizei müssen ihre Stellungnahmen abgeben. Wir können es versuchen, aber ich kann keine zu großen Hoffnungen machen“, betonte er. Natürlich gebe es immer Spielräume, aber am Beispiel der Stadt Laufen werde auch deutlich, dass sich dahinter auch ein jahrelanger Rechtsstreit verbergen könne. „Nicht alles, was man sich wünscht, ist auch umsetzbar.“
Reicht die Ampel?
Sebastian Renoth (CSU) machte von Anfang an deutlich, dass er gegen den Antrag stimmen werde. „Die Kinder gehen bis zur Ampel, von einer Gefahr kann man hier eigentlich nicht sprechen“, meinte er. Die Sicherheit sei hier schon häufiger untersucht worden, und außerdem: „Wenn wir hier Tempo 30 wegen des Schulwegs einführen, dann müssen wir etliche Schulwege überprüfen.“ Er verstehe, dass die Karlsteiner Probleme mit dem Verkehr hätten. Renoth selbst sei auch von den Belastungen betroffen. „Aber wir dürfen es auch nicht übertreiben.“
Der einzige Vorteil wäre, dass wir damit die Österreicher ärgern könnten.
Gleicher Meinung war Fritz Grübl (FWG), der darum bat, „die Kirche im Dorf zu lassen“. Mit Tempo 30 habe er ein riesiges Problem. „Wir müssen schon froh darüber sein, dass wir von behördlicher Seite nicht die Tempo 50-Zone stadtauswärts in Richtung Karlstein rasiert bekommen“, meinte er. Schon hier müsse man aufpassen, nicht schneller als erlaubt zu fahren. In Bad Reichenhall gebe es andere neuralgische Punkte, an denen Tempo 30 sinnvoller seien. „Der einzige Vorteil wäre, dass wir damit die Österreicher ärgern könnten“, scherzte er.
Kritische Töne zur Verkehrspolitik
Als „Minimalanforderung“ bezeichnete Michael Nürbauer (SPD/Grüne) den Antrag, „das sollte nur der erste Schritt sein. Jahrzehntelang wurden in der Verkehrspolitik falsche Entscheidungen getroffen, die Einführung einer Tempo 30-Zone gehört überprüft“. Während aus dem Gremium außerdem die Warnung kam, die Verwaltung mit diesem Thema nicht noch zusätzlich zu belasten und damit Zeit bei der Einführung der Tonnagenbeschränkung zu verlieren, gab es auch weitere zustimmende Beiträge zum Antrag.
So schilderte Hans Hartmann (CSU) von seiner wochenlangen Frankreich-Rundreise mit dem Auto. „Das muss man selbst erlebt haben, ich kann es jedem nur empfehlen. Dort gibt es flächendeckend Tempo 30 und der Verkehr fließt viel besser. Das funktioniert blendend“, berichtete er von seinen Erfahrungen. Man spare sich die vielen Ampeln, tue etwas für die Umwelt und weniger Unfälle gebe es auch. „Wir müssen in den Köpfen umdenken und darüber nachdenken, wo wir in Bad Reichenhall noch solche Geschwindigkeitsbegrenzungen einführen können.“
Überprüfung kostet die Verwaltung viel Zeit
Auch Vera Kaniber (FWG) betonte, sie habe nichts gegen die Einführung einer Tempo 30-Zone in der Karlsteiner Ortsdurchfahrt. „Anfangs kommt es einem extrem langsam vor, aber man gewöhnt sich daran“, meinte sie. Von Evi Ludewig, Leiterin der Verwaltungsabteilung, wollte Kaniber wissen, wie groß der Aufwand einer solchen Überprüfung wäre. „Das Verfahren muss eingeleitet werden und ich muss dazu nach Informationen recherchieren. Nach vier Wochen kommen die Stellungnahmen aus der Trägerbeteiligung, welche ausgewertet werden müssen. Dann erfolgen vielleicht noch Rücksprachen“, verdeutlichte Ludewig den langen Prozess dahinter.
Viel Zustimmung von allen Seiten erhielt Martin Schoberth (CSU), der darum bat, einzeln über die beiden Anträge der Bürgerliste abzustimmen. „Das Thema Tempo 30 ist ein Dauerbrenner und wurde schon 2017 überprüft. Damals war den Prüfern sicherlich auch die Nähe zur Schule bewusst“, sagte er.
Ampelschaltung ändern
Er warb für pragmatische Lösungen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen: Die Ampel solle während der Schulzeiten wieder in einem bestimmten Rhythmus umschalten und erst außerhalb der Schulzeit nur auf Knopfdruck eines Fußgängers anspringen. Dazu müssten auch die Induktionsschleifen repariert werden. „Das sind technisch einfach umsetzbare Maßnahmen“ fand Schoberth.
Und so kam es dann auch, dass der Antrag in zwei Teile aufgeteilt und jeweils einzeln darüber abgestimmt wurde: Für die Überprüfung zur Einführung einer Tempo 30-Zone stimmten neun Stadträte dafür und zwölf dagegen, womit dieses Anliegen abgelehnt wurde. Bis auf zwei Ausnahmen stimmten alle anderen Stadträte dafür, die Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit des Schulweges von der Staatsstraße bis zur Schule zu untersuchen.