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OVB-Leserforum

„Geht’s eigentlich noch?“: Das sagen OVB-Leser zu den Plänen zum Brenner-Nordzulauf

Sicherungsarbeiten am Zufahrtstunnel Wolf des Brennerbasistunnels in Österreich – auch beim Nordzulauf sind große Tunnelarbeiten geplant.
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Sicherungsarbeiten am Zufahrtstunnel Wolf des Brennerbasistunnels in Österreich – auch beim Nordzulauf sind große Tunnelarbeiten geplant.

Die Pläne zum Brenner-Nordzulauf und deren Folgen für das Inntal beschäftigen weiterhin die Menschen in der Region. Was OVB-Leser über das Großprojekt denken.

Dieter Unkel (Rosenheim): Nicht „nur“ die Bauern, sondern auch die gesamte Tourismusbranche entlang einer Neubaustrecke wird stark bedroht sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Trasse unter- oder oberirdisch verläuft. Lärm, Gestank, Dreckpartikel in der Luft, und eine extreme Belastung der Straßen durch unzählige Lkw-Fahrten werden Gästen den Urlaub, speziell im Inntal, gehörig versalzen. Denn welcher Erholungssuchende wird diese Voraussetzungen schätzen?

Das ganz große Problem dabei ist, dass all die negativen Beeinträchtigungen keine kurzfristige Erscheinung sein werden. Einschließlich der Vorbereitungs- und Aufräumungsarbeiten wird wohl ein Vierteljahrhundert oder mehr ins Land ziehen. Ein Verlust also für eine ganze Generation!

Was wird vom Tourismus übrig bleiben? Wenn der Spuk einer Neubaustrecke irgendwann vorbei sein wird, müssen Touristen erst wieder angelockt werden. Das wird eine Mammutaufgabe. Denn wenn Urlauber andere schöne Orte und Landschaften erkundet und schätzen gelernt haben, ist es unglaublich schwer, sie wieder für unsere Gegend zu gewinnen.

Auch wird man in Rosenheim, obwohl nicht direkt an der Neubaustrecke gelegen, von Verkehr, Gestank und Dreck nicht verschont bleiben. Der „Erler Wind“ wird dafür sorgen, dass Staubpartikel in unsere Stadt geblasen werden. Das zusätzliche Putzen der Fensterbretter kann man ja verkraften, die Ablagerungen in der Lunge weniger!

Mein Fazit: Um die äußerst bedrohliche Situation für Landwirte und Tourismusbranche zu lindern, sollte der Aufwand möglichst gering gehalten werden. Eine Verbesserung der Bestandsstrecke ist sicher kein Allheilmittel, aber doch die Variante, die erheblich geringeren Schaden verursacht. Wenn es bei der Neubaustrecke bleiben sollte, sehe ich tiefschwarz für die Zukunft unseres schönen Inntals!

Helmut Enzinger (Brannenburg): Es ist immer dieselbe Leier: Italien und Österreich baut, Deutschland schaut. Gibt es denn nichts Neues?

Niemand stellt die Sinnhaftigkeit des Brenner-Basistunnels infrage, auch nicht die Bürgerinitiativen. Natürlich ist es sinnvoll, die Züge nicht über einen Pass, sondern durch einen Tunnel zu schicken und damit Loks und Energie zu sparen. Doch die Frage eines Tunnelzulaufs ist aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Tirol hat den Brennerzulauf nicht in erster Linie wegen des Transitverkehrs ausgeweitet, sondern wegen des Bedarfs an Ausweitung des ÖPNV und des innertirolerischen Quellverkehrs. In Südtirol ist eine völlig andere Infrastruktur, die dem gebirgigen Zulauf gerecht werden muss.

Ob allerdings ein Nordzulauf in Bayern auf nahezu flachem Terrain und circa 100 Kilometer und mehr vor dem Tunnelzugang in dieser Dimension das Naherholungsgebiet bayerisches Inntal zerstören muss, ist äußerst fraglich. Die Argumente gegen eine völlig überdimensionierte Neubautrasse sind erdrückend, Politik und Bahn lässt das ungerührt.

Der im Artikel genannte Martin Ausserdorfer (im Nebenberuf noch Bürgermeister von St. Lorenzen, bis 2021 Präsident des Bahnbauunternehmens STA AG und Aufsichtsratsmitglied der BBT SE – sein Direktorenposten bei der „Beobachtungsstelle zum Bau des BBT samt Südzulauf“ wäre eigentlich ein Vollzeitjob) ist als Politikwissenschaftler sicher nicht die erste Wahl für einen Bau- und Verkehrsexperten. Zudem ist er in Südtirol politisch nicht unumstritten. Demokratie bedeutet, dass politische Entscheidungen zum Wohle der Bevölkerung getroffen werden – und zwar unter Berücksichtigung aktueller Gegebenheiten.

Annelies Kaczynski (Schechen): Die Planer der Bahn präsentierten die aktuellen Lagepläne bei Schechen aus den Alternativen Damm und Brücke, leider haben sie nicht die Ergebnisse der Bodengutachten präsentiert. Auch im Rosenheimer Norden ist im Untergrund Seeton vorhanden, der Brückenbauwerke teuer und aufwendig macht (vgl. „Bauwerk der Superlative – die neue Aicherparkbrücke“).

Es ist kaum vorstellbar, dass alle 50 Meter ein Pfeiler errichtet werden kann, wenn das bedeutet, dass auch hier Pfähle in den Untergrund gerüttelt werden müssen und darauf Betonplatten von eineinhalb Meter Dicke das Fundament der Pfeiler bilden. Den CO2- Ausstoß mag man sich gar nicht vorstellen. Sehr wahrscheinlich plant die Bahn einen Wall, bei dem solche Mengen an Erdreich bewegt werden müssen, dass das mit normalen Baggern und Lkw gar nicht zu bewältigen ist, wie Bürgermeister Stefan Adam bereits angedeutet hat. Allerdings wäre dann der Abraum der Tunnelbohrungen elegant aus dem Weg geräumt. Jahrelanger Baustellenverkehr, auch durch Rosenheim, und Versiegelung der wertvollen Böden sind die Folge. Ein 16 Meter hoher Wall benötigt eine große Grundfläche, Fläche, die für Bewirtschaftung verloren geht. Bauern sind in ihrer Existenz bedroht.

Wenn man bedenkt, dass die Bahn jetzt schon 30 Milliarden Schulden hat und für die Sanierung des Schienennetzes weitere 45 Milliarden benötigt, fragt man sich als Steuerzahler, wo das Geld herkommen soll und warum ein Neubau mit aller Macht durchgeboxt werden soll, wenn der Bedarf für die Strecke noch nicht geklärt ist. Unsere Politiker in der Region, in Bayern und im Bundestag (auch unsere Abgeordnete Daniela Ludwig) müssen sehr genau prüfen, ob dieses Projekt nötig ist. Nach Stuttgart21 und der Münchener Stammstrecke braucht es kein weiteres Milliardengrab.

Dieter Eberle (Rosenheim): Es wird höchste Zeit, dass Nordzulauf-Befürworter endlich begreifen, worum es eigentlich geht. Auf der Strecke München-Verona sollen die langen und schweren Europa-Güterzüge mit 50 Waggons mit 50 Containern fahren können. Das geht momentan nicht, weil die Strecke zwischen Innsbruck, Brenner und Verona zu starke Steigungen hat. Deshalb müssen Österreich und Italien einen Brenner-Basistunnel und Italien eine Neubaustrecke am Brenner-Südzulauf bauen. In Deutschland gibt es aber zwischen München und Kufstein keine Steigung, da können die Europa-Güterzüge bereits heute fahren!

Auch aus Kapazitätsgründen gibt es keine Notwendigkeit für einen Neubau. Es ist längst geklärt, dass die Bestandsstrecke bei Aufrüstung auf einen modernen Sicherheitsstand die prognostizierten 400 Züge pro Tag bewältigen kann.

Bleibt also nur das Argument der Geschwindigkeit. Mit einer Schnellfahrstrecke für 200 km/h zwischen München und Kufstein könnte man eventuell 20 Minuten für die Gesamtstrecke München-Verona gewinnen. Für vielleicht zwei oder drei ICE-Züge pro Tag und Richtung? Und dafür sollen wir eine zweistellige Milliardensumme ausgeben? Dafür sollen wir die gesamte Landschaft zwischen München und Kufstein zerstören? Jahrelang Baustellen, Millionen Tonnen Beton, gigantische Mengen an CO2-Ausstoß? Geht’s eigentlich noch?

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