Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Landwirtschaftsministerin im Interview

„Kühe längst auf der Weide“ – Kaniber kontert Vorwürfe von Animal Rights Watch

Staatsministerin Michaela Kaniber (Mitte) bei einem Landfrauentag in Marktschellenberg. Hier mit Kreisbäuerinnen Heidi Sulzauer (rechts) und Maria Krammer.
+
Staatsministerin Michaela Kaniber (Mitte) bei einem Landfrauentag in Marktschellenberg. Hier mit Kreisbäuerinnen Heidi Sulzauer (rechts) und Maria Krammer.

Aktuelle Vorwürfe von Animal Rights Watch (Ariwa) über schlechte Haltungsbedingungen in Betrieben der Molkerei Berchtesgadener Land sorgten für Diskussionen. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber kritisiert im Interview eine einseitige Darstellung.

Berchtesgadener Land – „Das Video vertieft den Graben zwischen Erzeugern und Verbrauchern.“ Die Staatsministerin warnt vor negativen Auswirkungen solcher Kampagnen. „Die Kühe stehen mittlerweile längst auf der Weide“, sagt Kaniber.

BGLand24.de: Wie reagieren Sie auf die aktuellen Vorwürfe von Animal Rights Watch (Ariwa) über schlechte Haltungsbedingungen in vier Betrieben der Molkerei Berchtesgadener Land?

Michaela Kaniber: Einseitiges Darstellen von Sachverhalten, Polarisieren und Pauschalierungen sind Gefahren für unsere Demokratie. Leider bieten das Internet und die sozialen Medien dafür eine riesige Bühne. Nahezu ohne jegliches Korrektiv. Animal Rights Watch hätte vermutlich keinen einzigen Euro an Spendengeldern erhalten, wenn dieselben Rinder ein paar Wochen später auf der Weide einer blühenden Almwiese gefilmt worden wären. Das ist nämlich aktuell genau der Fall: Die Molkerei hat bereits klargestellt, dass es sich bei den Betrieben im Video um Kombinationsbetriebe (Anbinde- und Weidehaltung; Anm. d. Red.) handelt. Die Kühe stehen mittlerweile längst auf der Weide.

Sie haben die Methoden von Ariwa als bedenklich bezeichnet…

Bedenklich ist, dass Ariwa bewusst Sachverhalte einseitig und nicht ausgewogen darstellt. Ariwa versucht so, die Verbraucher in die Irre zu führen und lässt sie fälschlicherweise glauben, dass alle Bauern aus reiner Profitgier Tiere ausbeuten würden. Oberstes Ziel des Vorgehens ist dabei immer, nicht mehr Aufklärung zu betreiben, sondern mehr Unterstützer für die eigenen ideologischen Überzeugungen zu finden - etwa der generelle Verzicht auf die Haltung von Nutztieren. Ganz extrem findet man solche Vorgehensweisen bei fundamentalistischen Organisationen. Auch dort wird bewusst mit Sorgen von Menschen gespielt, um eigenen Interessen mehr Gewicht zu verleihen. Ich wünsche mir, dass wir wieder ehrlich miteinander diskutieren. Dass wir Argumente auf Basis von Fakten austauschen und echte Probleme angehen. Das ist mein Verständnis von Demokratie.

Können Sie abschätzen, welche Auswirkungen solche Kampagnen auf landwirtschaftliche Betriebe haben?

Bayern ist geprägt durch seine bäuerlichen Familienbetriebe. Zwei Drittel davon halten Tiere. Die Nutztierhaltung ist nicht nur ökonomisches Rückgrat, sondern ein Garant für die Kulturlandschaft, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und die regionale Lebensmittelversorgung. Solche Kampagnen, die nur die Skandalisierung im Blick haben und nicht an einer transparenten Aufklärung und an einem faktenbasierten Diskurs interessiert sind, vergiften das Klima in der Gesellschaft. Sie spalten, wo Austausch und Dialog wichtig wäre. Und sie frustrieren unsere Bauern, weil sie in der schlimmen Pauschalierung zu Unrecht am Pranger stehen. Immer mehr geben auf. Und dann? Dann beziehen wir unsere Lebensmittel aus dem Ausland, ohne Einfluss auf die Produktionsbedingungen. 

Die ganzjährige Anbindehaltung in Bayern gilt als beschlossenes Auslaufmodell. Wie unterstützen Sie die Betriebe bei der Umstellung?

Nicht umsonst habe ich in meiner Regierungserklärung 2021 klargestellt, dass die ganzjährige Anbindehaltung ein Auslaufmodell ist. Aber wir brauchen Übergangsszenarien, Hilfe, Maß und Mitte. Seit Jahrzehnten werden Anbindeställe in Bayern nicht mehr gefördert. Betriebe, die von der Anbinde- in die Laufstallhaltung umstellen, werden durch zwei Investitionsprogramme gefördert. Flankierend unterstützt die staatliche Beratung an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Betriebe mit Anbindehaltung. Ziel ist es, eine auf den Einzelbetrieb zugeschnittene Lösung zu erarbeiten.

Und die Kombihaltung?

Für viele Betriebe ist Kombihaltung mit Sommerweide ein guter Weg. Genau deshalb unterstützen wir durch Beratung und Förderung. Alle Betriebe, die von ganzjähriger Anbindehaltung umstellen wollen, bekommen 40 Prozent der anrechenbaren Investitionskosten erstattet. Auch der Investitionsdeckel wurde von 800 000 Euro auf 1,2 Millionen Euro angehoben. Im Durchschnitt geht jeden Tag ein neuer staatlich geförderter Tierwohlstall ans Netz. 100 Millionen Euro gehen pro Jahr in Bayern in die Verbesserung des Tierwohls.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umstellung auf die Kombihaltung? Wie sollen kleine Betriebe das stemmen?

Für kleine bäuerliche Betriebe ist das Umstellen auf die Kombihaltung sowohl finanziell als auch oft im Hinblick auf eine beengte Lage im Dorf eine große Herausforderung. Hinzu kommt oft das Fehlen von hofnahen Weideflächen. Für sehr viele Betriebe mit Kombinationshaltung würde das geplante Verbot der Anbindehaltung das Aus bedeuten, da die Herausforderungen trotzdem zu hoch sein werden. Es droht ein Strukturbruch. Gerade in den bayerischen Grünlandgebieten.

Inwiefern tragen die aktuellen Ariwa-Videos zur Spaltung zwischen Erzeugern und Verbrauchern bei?

Das Ariwa-Video vertieft den Graben zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Das ist ja auch das Ziel hinter diesen emotionalen, oft schockierenden Bildern. In der Regel werden diese nicht den tatsächlichen Verhältnissen auf den Betrieben gerecht. Dass es schwarze Schafe gibt, stelle ich nicht in Abrede, aber es sind sehr wenige. Darstellungen wie das aktuelle Video erzeugen Empörung und Misstrauen auf der Verbraucherseite gegenüber den Landwirten. All diese Videos polarisieren und das wiederum lässt wenig bis keinen Raum für konstruktiven Dialog und gegenseitiges Verständnis. Das bedauere ich nicht nur, es macht mich ärgerlich. Weil es nicht der guten Arbeit gerecht wird, die Landwirte für die Verbraucher tagtäglich leisten. Im Gegenteil.

Sehen Sie darin die Kritik einer veganen Bubble, die grundsätzlich Milch als Lebensmittel kritisiert? Immerhin fordern die Aktivisten die Umstellung auf Hafermilch…

Milch und Milchprodukte sind Grundnahrungsmittel. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt deren täglichen Verzehr. Und das mit gutem Grund. Hafer-Drinks und andere Pflanzenalternativen sind in keiner Weise vergleichbar - sowohl was die Nährstoffgehalte als auch die Vielfalt der Produkte betrifft. Dass eine Tierrechtsorganisation vegane Ernährung fordert, überrascht nicht, wenn allein tierethische Fragen im Vordergrund stehen. Das ist allerdings ein sehr eingeschränkter Blick auf die Realität.

kp

Kommentare