Daniela Ludwig sieht besorgniserregende Tendenz
„Am Sudelfeld geht’s zu wie an der Rennstrecke“: Wie die Polizei mit dem Raser-Hotspot umgeht
Seit Beginn dieser Saison gelten am Kesselberg Sperrzeiten für Motorradfahrer. Jetzt drängen noch mehr Biker ans Sudelfeld, die in die Kurven driften und sich dabei beklatschen lassen. Die Polizei kontert mit einem neuen Einsatzkonzept. Doch besonders auf Rosenheimer Seite sind Kontrollen schwierig.
Bayrischzell – Gerast wurde am Sudelfeld immer schon. Aber die Bremsspuren vor jeder Kurve – „die gibt’s erst seit diesem Jahr“, sagt Roman Gold. Der Leiter der Kontrollgruppe (KG) Motorrad kennt sie alle, „die Hausstrecken der Münchner“, wie er sagt. Gemeint sind neben Kesselberg und Sudelfeld auch Roßkopf, Sylvenstein und der Chiemsee, der besonders bei röhrenden Harley-Gruppen beliebt ist. Das Gebiet, das vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd betreut wird, reicht von Garmisch bis Berchtesgaden entlang der Alpenkette. Überall sind sogenannte Raser-Hotspots verteilt. „Aber seit der Kesselberg teilweise gesperrt ist, wandert die Kundschaft eben ab“, erklärt Gold. „Am Sudelfeld geht’s zu wie an der Rennstrecke.“
Diesen Eindruck hatte zuletzt auch CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig gewonnen, wie ihr Büro in einer Pressemitteilung schildert. In ihrem Wahlkreis Rosenheim traf sich Ludwig am Abschnitt Rosengasse – ein bei Rasern besonders beliebtes Teilstück – mit Oberaudorfs Bürgermeister Matthias Bernhard, Anlieger Hubert Wildgruber und Peter Böttinger von der Verkehrspolizei Rosenheim. „Mich erreichen zunehmend Beschwerden von Anliegern über illegale Motorrad- und Autorennen“, erklärt die Abgeordnete. „Dem müssen wir auf den Grund gehen und mit geeigneten Maßnahmen Rasern Einhalt gebieten.“
CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig: „Das ist unverantwortlich“
Vor Ort stellte Ludwig nicht nur eine hohe Zahl von Bremsspuren fest, die vom Driften der Reifen zeugen. „In den Kurven registriert die Polizei regelmäßig Personengruppen, die die Motorradfahrer anfeuern, filmen und damit auch unbeteiligte Verkehrsteilnehmer ablenken“, ergänzt die Abgeordnete. „Das ist unverantwortlich.“
Szenen wie diese waren bisher auch vom Kesselberg bekannt, der seit dieser Saison für bergauffahrende Motorräder zwischen 15 und 22 Uhr gesperrt ist. Die Probezeit der neuen Regelung läuft noch bis 2024 und gilt täglich von April bis Oktober. Schon vor der Einführung hatten Kritiker jene Verlagerung befürchtet, die Roman Gold nun bestätigt. „Die Leute applaudieren und fotografieren“, berichtet der Gruppenleiter der KG Motorrad. Besonders problematisch sei die Lage auf der Oberaudorfer Seite, „weil man da besser fetzen kann“. Auch könne die Polizei dort nur schwer kontrollieren, weil Parkplätze und Buchten zum Anhalten fehlen. „Das weiß natürlich auch die Gegenseite“, sagt Gold. Die Folge: „Geschwindigkeiten jenseits von gut und böse.“
Ein großer Anteil der Raser komme mittlerweile auch aus Österreich, ergänzt der Polizeibeamte. „Die Kundschaft hat erkannt, dass die Sanktionierungen bei uns deutlich geringer ausfallen.“ Die Miesbacher Seite des Sudelfeldpasses sei indes eher die Anfahrtstrecke. „Da fährt nicht die Fraktion, die drei Stunden nur bergauf und bergab heizt“, sagt Gold.
Neues Einsatzkonzept für den „Hotspot“ Sudelfeldstrecke
Für Raser dieser Kategorie hat das Polizeipräsidium seit Anfang dieses Jahres ein eigenes Einsatzkonzept für den „Hotspot“ Sudelfeldstrecke umgesetzt, berichtet Abgeordnete Ludwig in der Pressemitteilung. Mehr Kontrollen, Präventionsveranstaltungen und die verstärkte Überwachung von Überholverboten gehören dazu. „24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche können wir aber nicht vor Ort sein“, ordnet Gold ein. „Das schaffen wir weder personell, noch wäre das mit der Richtlinie für die polizeiliche Verkehrsüberwachung vereinbar.“
Problematisch ist laut Gold allerdings die gute Vernetzung der Raser untereinander. In Facebook- und Whats-App-Gruppen tauschen sich sogenannte „High-Risk-Biker“ aus – und warten im Zweifel ein paar Stunden, bis die Luft rein ist. „Dann heißt es: Achtung, die Rennleitung kommt – und plötzlich sind alle weg“, erklärt Gold. Und das, obwohl die Kontrollgruppe auch auf Zivilfahrzeuge setzt und von der Polizeiinspektion Miesbach bei Radarkontrollen unterstützt wird.
Entsprechend nüchtern fällt das Fazit von Daniela Ludwig und Roman Gold aus. Letzter sagt, es gebe viele Erfolge – aber keine Aussicht auf eine hundertprozentige Quote. Die Abgeordnete spricht indes von einer besorgniserregenden Tendenz. Schon heuer gab es laut der Mitteilung ihres Wahlkreisbüros 22 Unfälle auf der Sudelfeldstrecke. Von 2020 bis 2022 nahm die Polizei 132 Unfälle auf, mehr als jedes dritte beteiligte Fahrzeug war ein Motorrad. Und: „In bis zu 45 Prozent der Fälle war überhöhte Geschwindigkeit die Ursache.“