Hauptalmbegehung
Polit-Prominenz im Arzmoos: Özdemir bekennt sich bei Hauptalmbegehung zum Abschuss von Wölfen
Zur Hauptalmbegehung trafen sich Polit-Prominenz und Pressevertreter aus ganz Deutschland im Arzmoos. Cem Özdemir gab dabei grünes Licht für den Abschuss von Wölfen: Das Naturschutzgesetz lasse sogar die Entnahme ganzer Rudel zu. Doch bei einem Thema blieb der Agrarminister hart.
Flintsbach – Johann Grad liebt die Ruhe auf seiner Sattelalm. In der 15. Generation bewirtschaftet er sie. Hier oben im Arzmoos am Sudelfeld im Kreis Rosenheim grasen 60 Jungkühe, unten auf seinem Moarhof in Brannenburg hält der 50-Jährige noch 70 Milchkühe im Laufstall. „Unsere Sattelalm liegt außerhalb des Radars der Touristen und ist nicht bewirtet“, schwärmt er. Nur gestern war Schluss mit Ruhe. Da sind 800 Leute zu Grads geranien-geschmücktem Kleinod aufgestiegen – darunter sogar jede Menge Polit-Prominenz und Pressevertreter aus ganz Deutschland.
Im Getümmel aus anderen Almbauern, Kameras, Musikanten, Sicherheitsleuten und Politikern waren Grad, seine Frau Anna und ihre Kinder die ersten von insgesamt acht Gastgebern. Der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern hat heuer zur Hauptalmbegehung ins Arzmoos geladen, weil es eines der größten zusammenhängenden Almgebiete im Regierungsbezirk ist.
„Auf einer Nachbaralm sind schon mal 16 Rinder in den Tod getrieben worden“
Traditionell werden Politiker auf der alljährlichen Veranstaltung medienwirksam über Almbauern, ihre Arbeit und den Nutzen für die umliegende Bergwelt informiert – aber auch über ihre Sorgen. Die Wut über niedrige Verkaufspreise für Milch und das Aus der Kombihaltung treibt hier viele um – aber auch die Angst vor dem Wolf. So auch Johann Grad. „Auf einer Nachbaralm sind schon mal 16 Rinder über eine Felswand in den Tod getrieben worden“, sagt er. „Unsere Art Landwirtschaft funktioniert nur ohne große Beutegreifer – wir brauchen dringend die Bestandsbejagung.“
Ihrem Unmut machte Familie Grad nicht direkt Luft – obwohl sie viele Politiker mit Kuchen und Pfefferbeißern verköstigte. Neben Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), war mit Bundesagrarminister Cem Özdemir sogar ein Politiker aus Berlin gekommen. Als einziger kündigte der an, die Wanderung – fünf Stunden reine Gehzeit – mitzumachen. Sein Hut und die Regenkleidung waren dafür gestern bitter nötig.
Markus Söder über Berlin: „Dort, wo man eine Wildsau für einen Löwen hält“
Respektvoll applaudierten die Almbauern dem Grünen-Politiker und Vegetarier, als er sich in seiner Ansprache zum Abschuss von Problemwölfen bekannte. „Ich sag nur, machen Sie es. Ich werde Sie nicht daran hindern“, so Özdemir. Ebenso wenig wie Parteikollegin und Bundesumweltministerin Steffi Lemke. „Das Bundesnaturschutzgesetz lässt nicht nur zu, dass Wölfe, die Nutztiere reißen und Zäune überspringen, entnommen werden, sondern auch ganze Rudel.“ Die Änderung des Naturschutzgesetzes sei so weit gegangen, wie es europäisches Recht zulasse. Aiwanger kritisierte hinterher, dass Abschussgenehmigungen immer wieder wegen Klagen scheiterten. Wegen der Menge an Wölfen, die es in Deutschland gebe, müssten jedes Jahr einige Hundert entnommen werden. Dem pflichtete Kaniber bei: „Wie kann es sein, dass es hier so viele Wölfe wie in Schweden und Norwegen zusammen gibt? Wir brauchen klare Regeln für eine Bestandsentnahme wie es sie in Frankreich gibt. Der Wolf ist nicht mehr gefährdet, aber unsere Almbauern stehen auf der Roten Liste.“
Auf der Alm gibt’s weder Sünden, noch Wahlkampf-Pausen. Auch der Ministerpräsident forderte Berlin („Dort, wo man eine Wildsau für einen Löwen hielt“) auf, den Wolfsbestand künftig zu regulieren. Dann holte er aus – zum Rundumschlag für „mehr Freiheit“: gegen Bio-Gebote und Erbschaftssteuern, für regionale Lebensmittel und die jahrhundertelange Tradition der Viehhaltung im Stall und auf der Alm. „Lieber bin ich ein Bulle in Bayern als ein Rindvieh im Norden“, sagte er.
„Die ganzjährige Anbindehaltung – die wird und die muss auslaufen“
Auch Özdemir bekannte sich zur Almwirtschaft, machte den Bauern vor Ort aber in einer Hinsicht keine Hoffnung: „Die ganzjährige Anbindehaltung – die wird und die muss auslaufen.“
