Tarifrunde 2023
Zündstoff zwischen Bahn und GDL: Warum im Herbst und Winter neue Streiks drohen
Die Lokführergewerkschaft GDL bereitet sich auf neue Verhandlungen mit der Bahn vor. Schon vorab gibt es jede Menge Zündstoff. Was das für Pendler bedeutet.
Köln – Für Pendler war 2023 bislang kein leichtes Jahr. Erst sorgte im Frühjahr der Tarifstreit im öffentlichen Dienst mehrfach für Streiks bei Bus und Bahn. Dann folgten über Monate zähe Verhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Eisenbahngewerkschaft EVG. Im Herbst und Winter drohen nun weitere Streiks im Bahnverkehr. Denn die für ihre hart geführten Verhandlungen bekannte Lokführergewerkschaft GDL wappnet sich für die nächste Tarifrunde mit der Bahn.
Die GDL ist für tagelange Bahnstreiks bekannt
Die Friedenspflicht zwischen GDL und Bahn gilt noch bis zum 31. Oktober. Danach sollen die Verhandlungen losgehen. Und vergangene Tarifrunden zwischen beiden Seiten haben gezeigt: Pendlern könnten dadurch schwere Zeiten bevorstehen. Muss man sich nun also für tagelange Streiks in den kommenden Monaten wappnen? „Nein, Sie müssen sich nicht sofort auf längere Streiks einstellen. Zu einem Streik gehören ja immer zwei Parteien. Aber: Falls die Tarifverhandlungen schwergängig sein sollten und die Arbeitgeberseite kein ordnungsgemäßes und für uns verhandlungsfähiges Angebot macht, dann werden sowohl die Welt als auch die Pendler das erfahren“, sagt GDL-Chef Claus Weselsky im Gespräch mit Ippen.Media.
Weselsky gilt als Hardliner unter den Gewerkschaftern und einer der mächtigsten Bahnkritiker in Deutschland. Schon mehrfach hat der GDL-Chef bewiesen, bei den Tarifverhandlungen für die rund 40.000 Mitglieder seiner Gewerkschaft, auch vor längeren, teils bundesweiten Bahnstreiks nicht zurückzuschrecken. Und auch vor den anstehenden Verhandlungen, den letzten mit Weselsky als GDL-Chef, deutet wenig auf eine schnelle Einigung hin.
GDL-Chef Weselsky rechnet mit „anstrengender Tarifrunde“
Die GDL fordert bei der kommenden Tarifrunde mit der Bahn neben einer allgemeinen Entgelterhöhung auch eine Absenkung der Wochenarbeitszeit bei Schichtarbeitern von 38 auf 35 Stunden sowie eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro. Größtes Konfliktpotenzial wird bei der Senkung der Wochenarbeitszeit erwartet. Ausgerechnet der Forderung, die Weselsky als „entscheidende Komponente“ und „das Schwergewicht in dieser Tarifrunde“ bezeichnet.
„Wir haben einen Personalmangel ohne gleichen. Alle klagen, dass wir nicht genügend Leute für die Zukunft bekommen. Aber keiner hat eine Idee, wie wir unsere Berufe attraktiver machen können. Eine Absenkung der Wochenarbeitszeit bedeutet mehr Lebensqualität, mehr soziale Kontakte und mehr Zeit für die Familie“, erklärt der GDL-Chef im Ippen.Media-Interview. Allerdings werde genau diese Forderung von den anderen Beteiligten „als völlig falscher Weg bezeichnet und abgelehnt“, so Weselsky. „Daher gehe ich davon aus, dass die Tarifrunde 2023 etwas anstrengender wird.“ Optimismus im Hinblick auf eine schnelle Einigung bei den Tarifverhandlungen sieht anders aus.
GDL geht mit Genossenschaft auf Konfrontationskurs
Für zusätzlich Zündstoff dürfte die Tatsache sorgen, dass die GDL im Sommer die Genossenschaft „Fair Train e.G.“ gegründet hat. Quasi eine Leiharbeitsfirma, die künftig Lokführer zu besseren Konditionen selbst beschäftigen und dann an die Deutsche Bahn und andere Eisenbahnunternehmen ausleihen will. Damit geht die Gewerkschaft direkt auf Konfrontationskurs mit der Bahn – und das völlig bewusst. „Das ist Absicht“, betont Weselsky. „Wenn mir jemand auf die rechte Wange schlägt, dann werde ich nicht die linke hinhalten. Die Menschen, die hier wertschöpfend als Eisenbahnerinnen und Eisenbahner tätig sind, haben mehr Wertschätzung verdient. Die haben mehr verdient, als einen Arbeitgeber, dem es egal ist, ob Beschäftigte Planungssicherheit haben und mit ihren Familien zusammen sein können, oder nicht. Das ist aber die Realität bei der Deutschen Bahn.“
Schwer vorstellbar, dass die Deutsche Bahn sich das einfach so gefallen lassen wird. Und so stehen die Zeichen schon vor der ersten Verhandlungsrunde auf Streit. Einem Streit, der schnell auch zu Streiks führen kann. Und das müssten dann wieder Millionen Pendler in Deutschland ausbaden. (bs)
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