ODU und das Geschäft in den USA
„Tränen in den Augen, Schweiß auf der Stirn“: Mühldorfs größter Firmenchef trotz Trump zuversichtlich
US-Präsident Donald Trump wirbelt mit seinen Ankündigungen fast täglich die Welt durcheinander. Davon ist auch Mühldorfs größter Arbeitgeber ODU betroffen. Das Unternehmen hat Kunden und Standorte in den USA und in Mexiko. So blickt ODU-Chef Dr. Henner Spelsberg auf die amerikanische Handelspolitik.
Welche Bedeutung hat das USA-Geschäft für Sie?
Dr. Henner Spelsberg: Nordamerika ist für uns mittlerweile ein sehr relevantes Feld. Das macht schon einen wesentlichen, über die letzten Jahren deutlich wachsenden Teil unseres Geschäftes aus. Es ist nach Europa mit Abstand die zweitgrößte Region und die am dynamischsten wachsende. Spannenderweise ist Europa auch für Nordamerika in bestimmten Bereichen wesentlich, auch in der Verteidigungstechnik.
Wie wichtig ist für Sie die weltweite Präsenz?
Spelsberg: Unser Geschäft sind Steckerverbindungen für ein besonders anspruchsvolles Umfeld. Wir kommen zum Tragen, wo es besonders kompliziert wird: in der Medizintechnik oder der Verteidigungstechnik bis hin zu Automotive. Das sind die besonders dynamischen Märkte. Die Dynamik kommt dabei manchmal aus Europa, manchmal aus Nordamerika und manchmal aus Asien. Wenn wir vor Ort sind, können wir diese Trends früher erfassen und umsetzen.
Könnten Ihre amerikanischen Kunden Sie so einfach ersetzen?
Spelsberg: Unser ganzes Geschäftsmodell beruht auf Langfristigkeit. Nehmen wir einmal ein MRT-Gerät: Das wird in Nordamerika von General Electric (GE) entwickelt und über Jahrzehnte vertrieben. Für solche Geräte dauert die ganze Entwicklung Jahre. Die typische Design-Phase unserer Produkte dauert vom ersten Kontakt mit unserem Entwickler bis zum Einsatz vier bis zwölf Jahre. Ein schneller Austausch unserer Stecker hätte für den Kunden hohe Kosten, aber keinen Mehrwert. Wenn wir ab morgen nicht mehr liefern würden, würde das bei diesen Anwendungen Spuren hinterlassen: sei es in der Zuverlässigkeit oder bei der Verfügbarkeit der Systeme.
Sie machen sich also kurzfristig keine Sorgen?
Spelsberg: Ja und Nein. Wir denken bei ODU als Familienunternehmen sehr langfristig, wir lassen uns aber von Turbulenzen nicht verrückt machen. Es ist ein großes Geschenk, in einem Unternehmen tätig zu sein, das nicht jedes Monatsergebnis als die endgültige Wahrheit betrachtet. Das würde nur sehr viel Aktionismus auslösen, der weder effektiv noch effizient sein kann.
All das, was wir gerade erleben, verändert nicht unsere strategische Grundrichtung. Wirklich: All das, was wir gerade erleben.
Wenn ich eins bei Corona gelernt habe, dann ist es, Ruhe zu bewahren. Erst verstehen, was es bedeutet, was gerade diskutiert wird, ob es tatsächlich kommt und in welchem Maße es kommt. Und zweitens: Nicht davon ablenken lassen, was unsere eigentliche originäre unternehmerische Aufgabe ist. Wie wir uns weiterentwickeln müssen, um die Kundenbedürfnisse noch besser zu befriedigen.
Was bedeuten die Zollerhöhungen für Sie?
Spelsberg: Wir haben gerade viele Videokonferenzen mit unseren nordamerikanischen Kollegen. Dabei haben wir auch festgestellt: Wir müssen erst noch abwarten. Es gab zwar Ankündigungen, aber die notwendigen Verfügungen liegen noch nicht vor. Wir können die konkreten Auswirkungen überhaupt noch nicht deuten.
Sicher, die ganzen Gerüchte treiben einem schon ein bisschen Tränen in die Augen oder Schweiß auf die Stirn. Aber es gilt jetzt, Ruhe zu bewahren, die Situation wirklich zu verstehen. Erst dann können wir aktiv damit umgehen.
Das Unternehmen
ODU beschäftigt weltweit 2.800 Mitarbeiter, 1.500 im Mühldorfer Stammsitz. In den vergangenen 15 Jahren hat das Unternehmen seinen Umsatz um das Vierfache auf rund 300 Millionen Euro gesteigert und möchte weiter wachsen. Die wichtigsten Märkte sind Europa (52 Prozent), Nordamerika (33 Prozent) und China (9 Prozent). Steckverbindungen von ODU kommen in der Medizintechnik, Militär- und Sicherheitstechnik, Automotive sowie in der Industrieelektronik oder Mess- und Prüftechnik zum Einsatz. ODU hat Produktionsstandorte in Rumänien, den USA, China und Mexiko, dazu Handelsniederlassungen in einem guten weiteren Dutzend Länder.
Das wäre?
Spelsberg: Dass wir vielleicht überlegen müssen, wie wir Transportwege umstellen, um die Zollgrenzen nicht mehrmals zu überschreiten, dass wir überlegen, wo künftig welche Wertschöpfung stattfindet. Unser Werk ist in Mexiko; und wir haben in San Diego einen Logistikstandort, an dem heute schon bestimmte Verarbeitungsschritte stattfinden. Vielleicht müssen wir das in Teilen verändern.
Und wir müssen überlegen, wie wir mit unseren Kunden damit umgehen. Wenn höhere Zölle kommen, könnte das schlicht in Preiserhöhungen münden.
Wie reagieren Ihre amerikanischen Geschäftspartner?
Spelsberg: Bei unseren Partnern gibt es, glaube ich, genauso viele Fragezeichen wie bei uns. Denn die angestrebte Verlagerung der Wertschöpfung in die USA existiert faktisch nicht. Was uns trifft, trifft genauso unsere Wettbewerber und damit auch unsere Kunden, egal ob sie bei uns bleiben oder sich nach Alternativen umsehen und mit ihnen ihre Stecker neu entwickeln. Da ist es unlogisch, den Aufwand des Redesigns zu betreiben.
Ich höre da heraus, dass es in den USA keinen direkten Konkurrenten für Sie gibt.
Spelsberg: Es gibt jeweils spezifische Wettbewerber. Die meisten haben aber einen Teil der Wertschöpfung ebenfalls in Mexiko, weil das in Nordamerika einfach nicht abbildbar ist. Da sprechen wir über deutlich mehr an Mehrkosten als die, die der Zoll jetzt darstellen würde.
Das heißt …
Spelsberg: Wir schauen sehr aufmerksam. Wenn wir jetzt einfach alles so lassen, die 25 Prozent Zoll weitergeben und sonst nichts machen würden, dann wäre das verheerend. Dafür ist das Geschäft einfach zu groß.
Wie neugierig oder beunruhigt wachen Sie am Morgen auf und schauen nach, was Donald Trump über Nacht wieder angekündigt hat?
Spelsberg: Als Unternehmer durfte ich lernen, Ruhe zu bewahren. Jede Veränderung, wirklich jede Veränderung in der Welt ist auch eine Chance. Auch das, was wir gerade erleben. Ich bin grundsätzlich Optimist, das Glas ist immer halb voll.
Was bedeutet das für das angestrebte Wachstum von ODU?
Spelsberg: Unsere Strategie ist davon nur zum kleinen Teil beeinflusst. Es ist meine Überzeugung, dass sich bestimmte Logiken am Ende durchsetzen. Die Strategie bedeutet, wir setzen weiter auf das weltweite Setup. Die Strategie bedeutet, dass wir in das systemische Geschäft gehen. Die Strategie bedeutet, dass wir in diesen Märkten, in denen wir sind, einfach noch deutlich stärker werden.
Steht der freie Welthandel vor dem Ende?
Spelsberg: Das ist nicht vollends einzuschätzen, es ändert trotzdem erstaunlicherweise die Strategie nicht. Warenströme kann man sicher begrenzen, ob das zum Wohle der Bevölkerung ist, sei dahingestellt. Bei Wissensströmen ist das aber nicht möglich. Daher werden weiterhin verschiedene Regionen der Welt die Treiber für technische Entwicklungen sein. Das wird nicht nur eine einzige Region sein, es werden immer mehrere sein. Wir müssen eher taktisch denn strategisch schauen, wie wir mit den Irrungen und Wirrungen umgehen, aber wir werden weiterhin konsequent weltweit agieren.
Ihr Fazit?
Spelsberg: Wir alle sollten als Europa aufmerksam, aber nicht ängstlich in die Zukunft blicken, vielleicht sogar zuversichtlich.
