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Exklusiv-Interview
Wie fair ist die Förderung der E-Mobilität in Deutschland? Experte erläutert Defizite
Fördermodelle wie Kaufprämien sollen den Umstieg auf Elektroautos erleichtern. Doch nur Hersteller und Privatkunden profitieren. Ein Branchenkenner klärt auf.
Nürnberg/Berlin – Die staatliche Förderung der Elektromobilität sorgt immer wieder für Diskussionen. Während Automobilkonzerne und große Unternehmen von Kaufprämien und Subventionen profitieren, fühlen sich viele kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) benachteiligt. Branchenkenner Altan Çörekçi von Fleetcor Deutschland sieht in diesem Bereich Defizite – dabei spielt er eine Schlüsselrolle bei einer Antriebswende hin zu Elekroautos.
Hohe Kosten, unsichere Rahmenbedingungen und eine unzureichende Ladeinfrastruktur erschweren den Umstieg. Doch welche politischen Maßnahmen sind wirklich nötig, um die Transformation voranzutreiben? Der 40-Jährige treibt mit Fleetcor digitale Lösungen im Bereich E-Mobilität voran und erläutert die Hintergründe – auch mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl 2025.
Herr Çörekçi, Ihrer Ansicht nach orientieren sich die großen Parteien hierzulande an Wünschen der Autokonzerne, die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fallen jedoch hinten runter. Können Sie das bitte erläutern?
Altan Çörekçi: SPD und Grüne setzen auf klare Vorgaben für Elektromobilität, Ladeinfrastruktur und Kaufprämien – attraktiv für große Autohersteller. CDU/CSU und FDP betonen Technologieoffenheit und verhindern regulatorische Belastungen, was ebenfalls großen Konzernen zugutekommt. Dies ist nachvollziehbar, da die Automobilindustrie direkt und indirekt über 2,2 Millionen Menschen beschäftigt. KMUs werden dabei jedoch oft übersehen. Während es Kaufprämien für Privatkunden gibt, fehlen gezielte Anreize für kleinere Unternehmen. Dabei könnten gerade sie als Botschafter der Transformation dienen: 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind KMUs, mit 55 Prozent aller Beschäftigten.
Bundestagswahl: Unterschiedliche politische Ansätze in der Elektromobilität
Was beinhalten die Parteiprogramme für die BTW diesbezüglich und welche unterschiedlichen Ansätze sehen Sie?
Çörekçi: Die Parteien lassen sich in zwei Lager einteilen: SPD, Grüne und Linke wollen das langfristige Verbrennerverbot beibehalten und setzen auf E-Mobilität, während Union, FDP, AfD und BSW auf Technologieoffenheit setzen. Problematisch ist, dass SPD und Grüne KMUs nur indirekt fördern, während die Offenheitsstrategie der CDU/CSU und FDP zu Unsicherheit führt. Unternehmen, die frühzeitig auf Verbote und Förderungen gesetzt haben, werden benachteiligt, während andere abwarten. KMUs brauchen eine langfristige Strategie, um zwischen Großkonzernen und Marktrisiken nicht aufgerieben zu werden. Zudem ist „Technologieoffenheit“ oft eine Schutzbehauptung für bestehende Technologien, obwohl global längst auf E-Mobilität gesetzt wird.
Inwieweit haben sich die gewerblichen Neuzulassungen 2024 gegenüber dem Vorjahr verändert und wie ist die Entwicklung zu Beginn des laufenden Jahres?
Çörekçi: 2024 gab es einen Rückgang von 1 Prozent gegenüber 2023, im gewerblichen Bereich 0,4 Prozent. Im Januar 2025 sanken die Neuzulassungen um 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat (KBA-Daten für gewerbliche Zulassungen fehlen noch).
Warum sind Ihrer Meinung nach die gewerblichen Zulassungen geringer gesunken als der Gesamtmarkt?
Çörekçi: Gewerbliche Fahrzeuge profitieren nach wie vor von der günstigeren Dienstwagenbesteuerung sowie von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten, die den Umstieg auf Elektromobilität attraktiver machen. Unternehmen bewerten ihre Investitionen oft auf Basis der „Total Cost of Ownership“ (TCO), also der Gesamtkosten über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs. Elektrofahrzeuge bieten hier selbst heute schon häufig Vorteile, da sie geringere Wartungskosten haben und die
Energiekosten langfristig günstiger sein können als fossile Kraftstoffe.
Förderung der Elektromobilität: Herausforderungen für KMUs beim Umstieg
Was sind die größten Sorgen der KMUs hinsichtlich der Elektrifizierung?
Çörekçi: Am meisten sorgen sich KMUs um die Kosten und die notwendige Infrastruktur. Einerseits wünschen sich viele Unternehmen eine stärkere finanzielle Unterstützung, etwa in Form von günstigeren Krediten, Steuererleichterungen und Förderungen für die Ladeinfrastruktur. Andererseits ist auch die Planungssicherheit ein zentrales Thema – KMUs benötigen eine klare politische Strategie sowie langfristige Regelungen, um zukünftige Investitionen und Maßnahmen besser kalkulieren zu können. Darüber hinaus fordern viele Unternehmer eine verbesserte Ladeinfrastruktur wie Schnellladesäulen in Gewerbegebieten und auf Betriebshöfen. Die breite Verfügbarkeit von Ladepunkten ist entscheidend, um die Elektromobilität im Arbeitsalltag umsetzbar zu machen. Auch in Bezug auf die Fahrzeuge selbst gibt es Wünsche nach einer größeren Modellvielfalt, vor allem nach elektrischen Transportern und Nutzfahrzeugen mit höheren Reichweiten, die den spezifischen Bedürfnissen der KMUs gerecht werden. Nicht zuletzt spielt der Bürokratieabbau eine große Rolle.
Preisvergleich zwischen E-Autos und Verbrenner im Gewerbesektor
Können Sie diesbezüglich ein Beispiel nennen?
Çörekçi: Ein Handwerksbetrieb mit Lieferwagen muss hohe Erstinvestitionen in Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur stemmen, wobei Förderungen Dieselmodelle nicht vollständig ausgleichen. Aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage zögern viele KMUs, auf Elektromobilität umzustellen. Eine Beispielrechnung*:
Art der Investition
Diesel-Lieferwagen
Elektro-Lieferwagen
Anschaffungskosten
40.000 Euro
50.000 Euro
Staatliche Förderung
-
- 6000 Euro
Wartungskosten (jährlich)
+ 1500 Euro (x5)
+ 800 Euro (x5)
Tank- oder Ladekosten (jährlich)
+ 4500 Euro (x5)
+ 2500 Euro (x5)
Kfz-Steuer (jährlich)
+ 500 Euro (x5)
-
Ladeinfrastruktur
-
+ 5000 Euro
Gesamtkosten nach fünf Jahren
72.500 Euro
65.5500 Euro
*Fleetcor Deutschland
Über mehrere Jahre lohnt sich ein elektrisches Fahrzeug im Gewerbesektor offenbar schon jetzt. Was entgegnen Sie Kritikern, die höhere finanzielle Zuschüsse für unverhältnismäßig halten?
Çörekçi: Elektrofahrzeuge können im Gewerbesektor wirtschaftlich vorteilhaft sein, doch hohe Anschaffungskosten und Investitionen in Ladeinfrastruktur bleiben Hürden. Gerade KMUs fehlt oft das Kapital für hohe Anfangsinvestitionen, weshalb Förderungen essenziell sind, um den Zugang zu ermöglichen und Marktakzeptanz zu schaffen. Statt pauschaler Subventionen wäre eine gezielte Förderung nachhaltiger Flotten sinnvoll. Steuerliche Anreize wie erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten oder eine Senkung der Stromsteuer für gewerbliche Ladepunkte könnten helfen. Auch die Vereinfachung von Förderanträgen ist entscheidend. Leasingmodelle könnten den Umstieg erleichtern, da sie hohe Einmalinvestitionen vermeiden. Wichtig ist eine langfristige Strategie, die Planungssicherheit schafft und den Umstieg auf E-Mobilität wirtschaftlich attraktiver macht.
E-Mobilität in Deutschland: Neue Bundesregierung wegweisend für die Antriebswende
Was erhoffen Sie sich konkret von der kommenden Bundesregierung?
Çörekçi: Planungssicherheit und eine langfristige Strategie sind essenziell. Ein politisches Rollback – etwa die Rücknahme des Verbrennerverbots – würde Unternehmen verunsichern. Förderungen für gewerbliche E-Fahrzeuge, steuerliche Anreize und Zuschüsse für Ladepunkte wären hilfreich. Zudem braucht es eine stärkere öffentliche Ladeinfrastruktur in Gewerbegebieten und wettbewerbsfähige Strompreise.
Haben Sie konkrete Vorschläge oder auch Beispiele aus anderen Ländern?
Çörekçi: In Deutschland existieren bereits Förderprogramme zur Unterstützung von KMUs beim Umstieg auf Elektromobilität, wie das KfW-Programm für gewerbliche Ladeinfrastruktur oder der Umweltbonus für elektrische Firmenfahrzeuge. Allerdings sind diese Programme oft zu bürokratisch, haben begrenzte Laufzeiten und bieten nicht immer die notwendige Planungssicherheit für langfristige Investitionen. In Norwegen dagegen profitieren Unternehmen beispielsweise von einer Mehrwertsteuerbefreiung für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge sowie von einer Befreiung von Maut- und Parkgebühren. Dies senkt die laufenden Kosten erheblich und macht den Umstieg wirtschaftlich attraktiver. Wichtig ist zudem die Vereinfachung von Antragsverfahren.
E-Mobilität muss auch im ländlichen Raum vorangebracht werden
Wie könnten Maßnahmen für ländliche Regionen aussehen, um E-Mobilität schneller voranzutreiben?
Çörekçi: Flächendeckender Ladeinfrastrukturausbau, insbesondere an Supermärkten, Tankstellen und in Wohngebieten. Zudem sollten gezielte Förderprogramme für gewerbliche Ladepunkte kleine Unternehmen und Handwerksbetriebe unterstützen, damit sie ihre E-Flotten effizient betreiben können. Stabile Strompreise und schnellere Genehmigungsverfahren für Ladesäulen und Netzausbau sind weitere zentrale Faktoren, um den Wandel auf dem Land voranzutreiben.
Altan Çörekçi ist Director Product & EV Europe Fleet bei Fleetcor Deutschland. Das Unternehmen treibt digitale Lösungen für Flottenmanager im Bereich E-Mobilität voran.
Sie befürchten „Rollbacks“ nach der Bundestagswahl mit negativen Folgen. Was meinen Sie konkret?
Çörekçi: KMUs brauchen Stabilität und Planungssicherheit. Ein Förderstopp oder gelockerte Emissionsvorgaben könnten die Verkehrswende erheblich bremsen, wie bereits 2012 bei der Solarindustrie oder Ende 2023 beim plötzlichen Förderstopp für E-Autos. Ein uneinheitlicher Kurs schwächt zudem Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit, da Unternehmen in andere Märkte ausweichen könnten. Ein klarer, langfristiger politischer Kurs ist daher essenziell.