Konjunktur
„Hart erkämpft“: Chinas Wirtschaft wächst wieder stärker – doch durch Geburtenrückgang droht nächste Krise
Chinas Wirtschaft ist um gut fünf Prozent gewachsen. Das ist besser als vor einem Jahr. Doch die Herausforderungen sind noch immer da: Viele Krisen, schwache Nachfrage und eine schwierige Welt
Anfang Januar wartet die Welt stets gespannt auf Chinas Wirtschaftsdaten für das zurückliegende Jahr. Was sich im größten Wachstumsmotor der Weltwirtschaft tut, hat große Bedeutung für den Rest der Welt. Anfang 2023 war die Enttäuschung groß: Nur rund drei Prozent Wachstum vermeldete Peking für das Null-Covid-Jahr 2022. Nun war es etwas besser: Um 5,2 Prozent ist Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 auf umgerechnet rund 16 Billionen Euro gestiegen, wie das Nationale Statistikamt am Mittwoch mitteilte. Das Wachstum übertraf damit minimal das offizielle Wachstumsziel von „um die fünf Prozent“.
Der für Chinas Wirtschaft zuständige Ministerpräsident Li Qiang hatte die Wachstumszahl am Dienstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos bereits verraten. Li pries dort die Erfolge seines Landes an und warb um Vertrauen und Investitionen. 400.000 Hightech-Unternehmen gebe es in dem Land, das für 30 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums verantwortlich sei, sagte Li. „Chinas Markt zu wählen, ist kein Risiko, sondern eine Chance“.
Doch Chinas Probleme sind weiter groß, das wissen auch die Statistiker. Nach einem kurzen Boom als Reaktion auf das Ende der Corona-Politik Anfang 2023 hatte die Wirtschaft im Frühjahr deutlich an Schwung verloren. Chinas Wachstum sei 2023 „hart erkämpft“, sagte der Chef des Statistikamts Kang Yi in Peking. Die Wirtschaft stehe einem komplexen externen Umfeld gegenüber und sei auch 2024 mit einer unzureichenden Nachfrage konfrontiert. Die Regierung stemmt sich mit zahlreichen kleineren Hilfsmaßnahmen gegen die schwache Konjunktur: Gezielte Zinssenkungen, Finanzspritzen oder Steueranreize für bestimmte Sektoren. Ökonomen der Weltbank erwarten dennoch für dieses Jahr nur noch 4,5 Prozent Wachstum.
China: Krisen dämpfen die Nachfrage
Das von Kang Yi genannte schwierige externe Umfeld zeigte sich in den Handelszahlen. Unter anderem aufgrund der schwächeren globalen Nachfrage gingen die Exporte 2023 um 4,6 Prozent zurück. Chinas Importe sanken um 5,5 Prozent. Die Binnennachfrage leidet derweil unter mehreren gleichzeitigen Krisen: Der Immobilienmarkt ist kollabiert, der Konsum schwächelt aufgrund großer Unsicherheit der Menschen, und die Investitionen sind stark gesunken.
Und ein weiterer Faktor sorgt seit einiger Zeit für Sorgenfalten in Peking: die Demografie. Denn wie das Statistikamt überraschend ebenfalls am Mittwoch bekannt gab, ist Chinas Bevölkerungszahl 2023 um zwei Millionen gesunken – und damit das zweite Jahr in Folge. Damit ist klar, dass China mit nun 1,409 Milliarden Menschen den Scheitelpunkt seiner Bevölkerungsentwicklung überschritten hat.
China verliert 2023 rund zwei Millionen Bürger
Die Zahl der jährlichen Geburten sank 2023 zum siebten Mal in Folge, wenn auch etwas weniger stark als in den Vorjahren. Gut neun Millionen Babys erblickten das Licht der Welt – und damit nur noch halb so viele wie 2016. Parallel stieg die Zahl der Todesfälle deutlich von 10,4 auf 11,1 Millionen. Zu den Todesursachen schwiegen sich die Pekinger Statistiker zwar aus – doch ein Zusammenhang mit der Pandemie und dem plötzlichen Ende der Null-Covid-Politik im Dezember 2022 liegt auf der Hand.
Schwierig ist für Chinas Zukunft aber eher der Geburtenrückgang. Denn dadurch stehen mittelfristig weniger Arbeitskräfte zur Verfügung, und weniger Konsumenten werden Produkte und Dienstleistungen kaufen. Dieser Trend wird Chinas Wirtschaft langfristig schwächen; schon jetzt beginnt der früher endlose Pool an jungen Arbeitskräften auszutrocknen, auf den sich Chinas Firmen jahrzehntelang verlassen hatten. Indien hat China 2023 als bevölkerungsreichstes Land der Welt abgelöst; dort liegt das Durchschnittsalter bei 28 Jahren, in China bei 39 – Tendenz steigend. China wird alt, bevor es reich wird.
Überraschende Daten: Chinas Jugendarbeitslosigkeit wieder gesunken
Überraschend gab das Statistikamt erstmals seit dem vergangenen Sommer wieder Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit heraus. Demnach sind 14,9 Prozent der 16- bis 24-Jährigen ohne Job. Im Sommer 2023 hatte die Quote bei über 20 Prozent gelegen – bis Peking die Statistik plötzlich nicht mehr publizierte, angeblich um sie anzupassen. Die neue Quote spiegele die Beschäftigung junger Menschen nun besser wider, sagte Kang Yi. So habe man Schüler oder Studierende nicht mehr berücksichtigt, wenn diese vergeblich nach einem Nebenjob suchten.
Insgesamt waren in China 5,1 Prozent der Menschen ohne Arbeit – betrachtet werden allerdings nur Menschen in den Städten und nicht die vielen Millionen Wanderarbeiter des Landes. Von ihnen dürften nicht wenige durch die Krise des Bausektors ihre Jobs verloren haben.