Treffen in Davos
Weltwirtschaftsforum: China präsentiert sich als Retter der Globalisierung
Chinas Premierminister Li Qiang nutzt das Weltwirtschaftsforum in Davos, um für Globalisierung und freien Handel zu werben. Doch das Vertrauen in Chinas Wirtschaft ist längst erodiert.
Ein Chinese, der die Werbetrommel rührt für Globalisierung und freien Handel: Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos konnte man das schon einmal erleben. Im Winter 2017 war das, Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping persönlich war damals in die Schweizer Berge gekommen und überraschte die Welt mit einer Grundsatzrede, die als Kampfansage verstanden wurde an das Amerika des Donald Trump. Der Republikaner war wenige Wochen zuvor ins Amt gewählt worden, in den kommenden vier Jahren sollte er einen beispiellosen Handelskrieg mit China vom Zaun brechen und die Verbündeten der USA mit seiner „America First“-Politik vor den Kopf stoßen.
Xi Jinping schien das zu ahnen und brachte ausgerechnet die Planwirtschaft China als Alternative ins Spiel. „Geschichte wird von den Tapferen geschrieben“, tönte er vor Alpenpanorama, und Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua jubelte anschließend, Xi habe mit seiner Rede der „Weltwirtschaft die Richtung gewiesen“.
Nachdem an diesem Dienstag nun Chinas Premierminister Li Qiang in Davos von der Bühne getreten war, hielt sich Chinas Propagandaapparat zunächst mit ähnlichen Lobeshymnen zurück. Was freilich daran liegt, dass Li nur die Nummer zwei ist. Und die folgt in China erst mit sehr viel Abstand auf die Nummer eins. Ansonsten aber klang Li nicht viel anders als dereinst Xi Jinping. „Vertrauen hat die Globalisierung in den vergangenen Jahrzehnten erst möglich gemacht“, sagte Li zu Beginn seiner knapp halbstündigen Rede. „Die Basis dieses Vertrauens ist allerdings erodiert.“ Es sei deswegen entscheidend, „Vertrauen wieder aufzubauen“, zitierte er das diesjährige Motto von Davos.
„China ist ein Land, das das Vertrauen der Welt verdient“
Viel geändert hat sich aus chinesischer Sicht in den letzten Jahren nicht: Für Peking sind es noch immer vor allem die Amerikaner, die die Schuld tragen am Vertrauensverlust, den Globalisierung und Freihandel erlitten hätten. Zwar nannte Li die USA nicht beim Namen, aber wenn er klagte, einige Länder würden andere Staaten „eindämmen“ wollen, dann war das vor allem ein Seitenhieb in Richtung Washington. Denn auch Joe Biden führt den Handelskrieg gegen China fort, mit Ausfuhrbeschränkungen für hoch entwickelte Halbleiter und Maschinen zu deren Herstellung trifft er die chinesische Wirtschaft ins Mark.
Hinzu kommt: Auch die EU sucht nun zunehmend selbstbewusst die Konfrontation mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. „Wettbewerb muss auch fair sein“, forderte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich in Peking und klagte über schlechten Marktzugang für europäische Unternehmen, die bevorzugte Behandlung chinesischer Wettbewerber und von der Regierung künstlich verbilligte Elektroautos, die den europäischen Markt „überschwemmen“ würden. Die EU, drohte von der Leyen, verfüge über Instrumente, um ihren Markt zu schützen.
Fast so, als gebe es diese Klagen gar nicht, pries Li Qiang Chinas angeblich so freiheitlichen Ansatz nun als Gegengift zum amerikanischen (und wohl auch europäischen) Protektionismus. Die Volksrepublik sei ein Land, das „seinen Worten Taten folgen lässt“, das „seinen internationalen Verpflichtungen nachkommt“, „ein standhafter Unterstützer des Multilateralismus.“ Kurzum: „China ist ein Land, das das Vertrauen der Welt verdient.“
„Chinas Markt zu wählen, ist kein Risiko, sondern eine Chance“
Nur ist jenes Vertrauen in Chinas Wirtschaft längst verloren gegangen. Dass Li auf dem Weltwirtschaftsforum nun stolz verkündete, die chinesische Wirtschaft sei im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent gewachsen und damit stärker als die angepeilten 5,0 Prozent, ist da nur ein kleiner Lichtblick. Denn die Volksrepublik steht vor gigantischen Herausforderungen. Da sind die hoch verschuldeten Provinzen, der taumelnde Immobiliensektor, der Geburtenrückgang.
Auch für ausländische Investoren ist China kein Dorado mehr. Die Politik von Staatschef Xi Jinping sorgt für Verunsicherung, weil er Unternehmen mal gängelt, mal weniger fest an den Zügeln packt, je nach politischer Großwetterlage. Hinzu kommen die Drohungen der Chinesen in Richtung Taiwan und die Unterstützung des Landes für Russland in dessen Krieg gegen die Ukraine (Themen übrigens, zu denen Li in Davos kein Wort verlor). Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sanken in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres die ausländischen Direktinvestitionen in China jedenfalls um zehn Prozent.
Xi Jinping war vor sieben Jahren noch mit einigem Selbstbewusstsein nach Davos gekommen. Li Qiang, seit knapp einem Jahr im Amt, klang trotz allen Eigenlobs nun eher wie ein Staubsaugervertreter, der vom eigenen Produkt nicht wirklich überzeugt ist. Unermüdlich zählte er die Kennziffern auf, die angeblich für China sprechen: 400.000 Hightech-Unternehmen gebe es in dem Land, das zudem für 30 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums verantwortlich sei. „Chinas Markt zu wählen, ist kein Risiko, sondern eine Chance“, sagte Li und wirkte dabei fast ein wenig verzweifelt. Schließlich dichtete er gar noch. Mit Chinas Wirtschaft sei es wie mit den Alpen: Man müsse ein paar Schritte zurücktreten um zu erkennen, wie großartig sie wirklich seien. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
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