Kosten der Klimawende
Stahlstandort Deutschland steht „komplett in Frage“: Hat die Branche noch genug Wumms?
Die deutsche Stahlindustrie hat mit Energiekosten und günstiger Konkurrenz zu kämpfen. Beim „Nationalen Stahlgipfel“ geht es um die Frage, wie der Wandel zur Klimaneutralität möglich ist.
Duisburg – Die deutsche Stahlindustrie steht vor dem Umbruch, gleichzeitig hat sie mit massiven Schwierigkeiten zu kämpfen. Verhältnismäßig hohe Energiepreise und die Kosten des Umbaus hin zu einer klimaneutralen Produktion bereiten den Konzernen Probleme. Hinzu kommt günstige Konkurrenz aus China.
Beim „Nationalen Stahlgipfel“ in Duisburg soll es deshalb in mehreren Diskussionsrunden um die Fragen der Finanzierung der grünen Transformation, der hohen Energiekosten und Deutschlands Rolle im globalen Wettbewerb gehen. Die Gewerkschaft IG Metall und der General Manager des Risaeer Werks von ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi, Uwe Reinecke, haben laut Wirtschaftswoche bereits eine weitere Erleichterung bei den Strompreisen gefordert.
Vor dem Stahlgipfel: SPD-Politikerin sieht „Stahlstandort Deutschland“ wegen Thyssenkrupp-Plänen gefährdet
Beispielhaft für die Branche steht die Krise bei Thyssenkrupps Stahlsparte. Konzernchef Miguel López treibt den Verkauf von Thyssenkrupp Steel Europe an die Firma EPCG des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky voran. Werkschließungen und Stellenstreichungen stehen im Zuge des Verkaufs zur Diskussion.
Angesichts des Chaos bei Thyssenkrupp sieht Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) die Gefahr eines Verschwindens der Stahlindustrie in Deutschland. Wegen López Plänen bei Thyssenkrup stehe „komplett der Stahlstandort Deutschland in Frage“, sagte Bas vor dem Stahlgipfel dem WDR.
Fast sieben Milliarden Euro für die Stahlindustrie: Mehr Investitionen in Transformation gefordert
„Die Beschäftigten erwarten eine klare Positionierung sowohl von der Landesregierung als auch von der Bundesregierung, wie sie die Transformation in Richtung grünem Stahl auch bewältigen will“, sagte Bas. Beim Umbau von Kohle hin zu Wasserstoff als Energieträge sei eine weitere Unterstützung nötig – auch über die bereits zugesagten zwei Milliarden Euro hinaus für eine Wasserstoffanlage in Duisburg, damit Stahl klimaneutral hergestellt werden kann.
Bereits jetzt investieren Bund und Länder bereits fast sieben Milliarden Euro in den Umbau der deutschen Stahlindustrie. Neben den zwei Milliarden Euro für die Transformation bei Thyssenkrupp erhält die Stahl-Holding-Saar 2,7 Milliarden Euro, Arcelor Mittal 1,3 Milliarden Euro und die Salzgitter AG eine Milliarde Euro.
Sinkende Nachfrage und günstige Konkurrenz bereiten deutscher Stahlindustrie Schwierigkeiten
Wegen des Preisverfalls beim Stahl, nach Höchstpreisen von etwa 1400 Euro 2022 kostet eine Tonne warmgewalzter Stahl laut Wirtschaftswoche knapp 600 Euro, ist jedoch fraglich, ob die Investitionen in die krisengeplagte deutsche Stahlindustrie ausreichen. Verschärft wird das durch günstige Konkurrenz aus Asien und Europa.
Hinzu kommt die niedrige Nachfrage; beispielsweise aufgrund der Probleme in der Autobranche. Die Stahlwerke sind damit nicht ausgelastet. Nicht nur Thyssenkrupp hat deshalb Probleme, auch die Salzgitter AG hat im zweiten Quartal 2024 Verluste eingefahren.
BDI-Chef Russwurm warnt: Grüner Umbau der Stahlwerke teurer als bisher erwartet
Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp AG, warnt bereits davor, dass der Umbau der Stahlbranche teurer werde als geplant. Beim Bau der wasserstoffbetriebenen Direktreduktionsanlagen gebe es „bereits nach kurzer Zeit ungeplante Mehrkosten“, sagte Russwurm laut Wirtschaftswoche. Das „Jahrhundertprojekt“ als „Einstieg in die grüne Transformation“ dürfe nicht gefährdet werden, sagte jedoch Gesamtbetriebsratschef bei der Stahlsparte und Konzernbetriebsratschef bei der Thyssenkrupp AG, Tekin Nasikkol.
Zur Unterstützung der Stahlsparte forderte die IG Metall den Einstieg von Bund oder Ländern bei Thyssenkrupp. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak brachte gegenüber der Wirtschaftswoche zudem eine Zusammenlegung der deutschen Stahlindustrie, konkret von Thyssenkrupp und der Salzgitter AG, ins Spiel: „Die alte Idee dieser deutschen Stahl AG, einer Form von Zusammenschluss von Unternehmen, sollte man jetzt als mögliche Option zumindest andiskutieren.“ Die Krise bei Thyssenkrupp sei Sinnbild dafür, dass sich eventuell insgesamt die Nachfrage verändere.
Habeck beim Stahlgipfel – Thyssenkrupp muss sich zu grünem Stahl bekennen
Diese Fragen beschäftigen nicht nur die deutsche Stahlindustrie. Am Tag des deutschen Stahlgipfels schließt das größte Stahlwerk Chiles. Die Huachipato-Fabrik in Talcahuano, rund 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago, macht dicht. 2700 direkte und 20.000 weitere damit verbundene Arbeitsplätze sind betroffen. Auch dort sind günstige Stahlimporte aus China ein Problem für die lokale Industrie. In Chile wird bis auf recyceltes Metall nun kein Stahl mehr produziert.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck fordert von Thyssenkrupp ein erneutes klares Bekenntnis zur Produktion von grünem Stahl. „Ganz wichtig ist, dass Thyssenkrupp klipp und klar unterstreicht, dass sie bei dem Projekt bleiben wollen“, sagte Habeck der Nachrichtenagentur Reuters am Montag bei einem Unternehmensbesuch in Herne. „Das ist für die Zukunft“, betonte der Minister: „Wenn das nicht kommt, wird es schwierig werden für den gesamten Standort“, betonte er. (mit AFP und Reuters)