Könnten E-Autos das Problem verschärfen?
Solarboom verursacht „Engpässe“: Deutschland ist von Importen aus China abhängig
Der Ausbau der Solarenergie in Deutschland boomt wie nie zuvor. Doch das Stromnetz kann damit nicht umgehen, und der Solarausbau hängt stark von Importen aus China ab. E-Autos könnten das Problem noch verschärfen.
Berlin – In Deutschland wird ein zunehmender Teil des Strombedarfs durch Erneuerbare Energien gedeckt. Im ersten Halbjahr 2024 stammten bereits 57 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen. Besonders die Solarenergie wächst rasant: Laut Angaben der Bundesregierung wurde das für 2024 gesetzte Zubauziel für Photovoltaikanlagen bereits im Mai erreicht. Doch der Boom bringt ein großes Problem mit sich: Das deutsche Stromnetz ist dafür nicht ausreichend gerüstet, was zu Engpässen führt. Außerdem ist Deutschland beim Solarausbau auf Importe aus China angewiesen.
Solarboom bringt Probleme im Stromnetz mit sich und führt zu akuten Engpässen
Der Ausbau von Photovoltaikanlagen übertrifft laut DIW Berlin-Studie derzeit die Ziele der Bundesregierung, insbesondere dank des starken Zuwachses bei Aufdachanlagen. Und es gibt noch Luft nach oben: „Während kleinere PV-Anlagen auf Gebäuden vor allem wegen der Eigenverbrauchsvorteile sehr gefragt sind, gibt es auch bei den Freiflächenanlagen in Deutschland noch viel Potenzial“, so Studienautor Wolf-Peter Schill zum Ampel-Monitor Energiewende des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Bayern ist unter den Bundesländern mit einem Viertel der in Deutschland installierten Leistung Spitzenreiter.
Der Rekordausbau der Photovoltaik bringt aber auch Probleme für das Stromnetz mit sich. Die Herausforderung liegt hier bei der effizienten Einspeisung in die Netze und die Integration in den Strommarkt. Der Grund hierfür sei, dass die „Solarstromerzeugung stark um die Mittagsstunden sonniger Tage konzentriert ist“, heißt es in der Studie. Dies kann in den Stromnetzen auf Verteilernetzebene dazu führen, dass es zu „zeitweisen Engpässen“ kommt.
Solarstrom auf wackligen Beinen: „Grüner Strom bringt nichts, wenn er nicht genutzt wird“
Insbesondere bei Photovoltaikanlagen, die nur tagsüber erzeugen, wenn der Bedarf oft geringer ist, kommt es zu einer Überproduktion von Strom – aufgrund unzureichender Speicherkapazitäten müssen Netzbetreiber den überschüssigen Strom zu niedrigen Preisen verkaufen, was sowohl Betreiber als auch den Staat erheblich finanziell belastet. Letztendlich geht die finanzielle Belastung auch zulasten der Steuerzahler.
„Grüner Strom bringt uns nichts, wenn er nicht genutzt werden kann“, meinte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung in Hinblick auf die deutsche Infrastruktur im Juli. „Der Aus- und Umbau der Stromnetze sowie die Entwicklung von Speichern und innovativen Konzepten müssen mit dem Erneuerbaren-Ausbau Hand in Hand gehen“. Vor allem brauche es Alternativen für Zeiten, in denen „die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht“. So könnten laut Andreae wasserstofffähiger Gaskraftwerke die Lücke schließen.
Kannibalisierungseffekt: E-Autos werden zur Gefahr fürs Stromnetz
Die stark gesunkenen Solarstrompreise am Großhandelsmarkt verdeutlichen, dass der Stromsektor nicht flexibel genug auf den schnellen Photovoltaik-Ausbau reagiert hat. Aus der Studie geht hervor, dass auch Speicher ineffizient genutzt werden, was zu sehr niedrigen Preisen bei hoher Solarstromeinspeisung führt und den Markt zusätzlich belastet. Das betrifft vor allem deutsche Haushalte. „Eine Herausforderung ist, die im Tages- und Jahresverlauf stark schwankenden Solarstrommengen effizient in den Strommarkt zu integrieren. Damit Speicher im Eigenverbrauchsbereich systemdienlich betrieben werden, müssen bessere Preisanreize gesetzt werden“, erklärt Studienautor Alexander Roth.
Ein Lösungsansatz, um die Markt- und Netzintegration von Solarstrom zu erleichtern, könnten etwa intelligente Stromzähler sein. Viele Solaranlagen werden zusammen mit Batteriespeichern installiert, die es Haushalten ermöglichen sollen, ihren Eigenverbrauch zu maximieren – jedoch gebe es wenig Anreize, die Speicher marktorientiert zu nutzen. Das führt zu einer Art Kannibalisierungseffekt: Speicher werden zu ungünstigen Zeiten geladen oder entladen und belasten die Netze. Ein Problem, das laut Studie in Zukunft noch zunehmen wird, wenn es noch mehr E-Autos und Wärmepumpen gibt. Hier muss man früh entgegenwirken.
Starke Abhängigkeit von China
Der Solarboom in Deutschland hängt auch mit einer wachsenden Abhängigkeit von China zusammen, wo die günstigen Solarmodule produziert werden. Heute sei das hiesige Photovoltaik-Wachstum sogar auf Importe aus China angewiesen, heißt es in der Studie – das birgt ein nicht unerhebliches Risiko, vor allem, wenn es zu Engpässen kommen sollte. China verfolgt das Ziel, Weltmarktführer im Bereich der Photovoltaik zu werden, und baut seine Produktionskapazitäten massiv aus und ist derzeit sogar für 75 bis 95 Prozent der globalen Produktion verantwortlich. Das sollte Europa zu denken geben. Der starke Preisverfall bei Solartechnik ist hierzulande auch für Insolvenzen in der Solarbranche verantwortlich.
Um Engpässen aus China vorzubeugen, empfiehlt die Studie den Aufbau einer Modul-Reserve durch Zukauf und Lagerung. DIW-Ökonom Wolf-Peter Schill: „Möglich ist aber auch eine weitere Steigerung des Ausbaus, solange der Weltmarkt mit Modulen regelrecht überschwemmt ist. Denn jedes heute bereits installierte Panel mindert die Notwendigkeit späterer Importe.“
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