Beiträge steigen
Sozialbeiträge steigen: So würden Top-Experten die Entwicklung stoppen
Die Beiträge für Rente, Kranken- und Pflegeversicherung steigen. Sie könnten über 50 Prozent des Gehalts ausmachen. Experten zeigen Alternativen auf.
München – Immer weniger Netto vom Brutto: Arbeitnehmer in Deutschland dürfte in Zukunft immer weniger Geld von ihren Arbeitseinkommen bleiben. Nicht nur sollen die Beiträge für die Rente steigen, auch bei der Kranken- und Pflegeversicherung wird der Bedarf künftig größer. Damit dürften auch die Beiträge steigen. Experten haben jedoch Vorschläge, wie die Sozialabgaben im Rahmen gehalten werden können.
Um die Beiträge für die Rentenversicherung nicht übermäßig steigen zu lassen, schlägt Reint Gropp vom Institut für Wirtschaftsforschung eine „steuerfinanzierte Grundrente“ für alle vor. „Wer mehr Rente haben möchte, muss über einen Nationalfonds ansparen“, sagte der Experte der Bild-Zeitung. Die Beiträge dazu könnten steuerbefreit eingezahlt werden. Zudem könne man wählen, wie das Geld angelegt werden. Als Beispiele nannte Gropp Aktien oder Anleihen.
Um höhere Sozialbeiträge zu verhindern: Experten fordern höheres Rentenalter
Auch die Anhebung des Rentenalters ist laut Fachleuten eine Möglichkeit, um die Beiträge stabil zu halten. Die „Rente mit 70“ ist bereits länger im Gespräch. „Das Renteneintrittsalter muss in regelmäßigen Abständen an die gestiegene Lebenserwartung angepasst werden“, forderte Klaus Morgenstern vom Deutschen Institut für Altersvorsorge in der Bild. Ein möglicher Zeitraum seien fünf Jahre. Zwei Drittel der in der Zeit gestiegenen Lebenserwartung sollten dann auf das Rentenalter angerechnet werden.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil lehnt die Erhöhung des Rentenalters jedoch ab. Stattdessen wirft er den Blick ins südliche Nachbarland: Gemäß dem Vorbild Österreichs will Heil auch Beamte und Selbstständige in die Rente einzahlen lassen. Damit will er die Beiträge im Rahmen halten und das Rentenniveau stabilisieren. Bei der Verkündung des Rentenpakets hatte der Minister steigende Beiträge von bisher 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent im Jahr 2035 angekündigt.
Höheres Renteneintrittsalter kann auch Krankenkassen entlasten – sagen Experten
Ein höheres Renteneintrittsalter und die damit verlängerte Lebensarbeitszeit könnte allerdings die Krankenkassen entlasten. „Mit dem Übergang in die Rente sinkt auch der Beitrag zur Krankenversicherung“, argumentiert Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft. Es seien jedoch immer mehr ältere Menschen zu versorgen. Deshalb könnten die Kassenbeiträge laut einer Studie der WHU Düsseldorf bis 2035 von derzeit durchschnittlich 16,3 Pozent auf 18,8 Prozent steigen.
Gleich drei Vorschläge als Alternativen zu höheren Sozialabgaben hat Günter Neubauer vom Institut für Gesundheitsökonomik. Gegenüber der Bild schlägt er eine „Bürgerversicherung“ vor. Die Möglichkeit einer privaten Krankenversicherung soll es damit nicht mehr geben. Zudem will Neubauer nicht nur Einkommen aus Lohn oder Gehalt einbeziehen, sondern alle Einkünfte, zum Beispiel Mieteinnahmen.
Um den Sozialstaat zu entlasten: Experte nennt Selbstbeteiligung als Alternative zu höheren Beiträgen
Die dritte Alternative zu steigenden Krankenkassenbeiträgen ist laut dem Experten vom Institut für Gesundheitsökonomik die Beteiligung der Patienten an Leistungen. Diese hätten jedoch nur kurzfristig eine Wirkung, entgegnete Jürgen Wasem, Professor für Medizinmanagement an der Universität Düsseldorf. „Mittel- und längerfristig helfen nur Strukturreformen“, sagte er der Bild. Die Reformen seien auf dem Weg.
Wasem selbst blickt auf die Pflegeversicherung, durch die Krankenkassen ebenfalls unter Druck geraten. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen warnt, dass diese ab 2025 mit den bisherigen Beiträgen kaum finanzierbar sei. Erst 2023 wurden die Pflegebeiträge erhöht.
Professor schlägt Leistungskürzungen bei Pflegeversicherung vor – warnt aber vor sozialen Folgen
Der Düsseldorfer Professor schlägt deshalb Leistungskürzungen vor. Wasem räumt gegenüber der Bild jedoch ein: „Bei einem Teil der Pflegeheimbewohner bewirkt die Leistung der Pflegeversicherung, dass ihr Erbe geschützt wird. Bei einem anderen Teil aber bewirkt jede Leistungskürzung, dass die Menschen von der Sozialhilfe abhängig werden.“
Gibt es keine wirkungsvollen Änderungen, könnten die Sozialabgaben bis 2050 um fast zehn Prozentpunkte steigen. Die Beiträge für den Sozialstaat könnten dann bei mehr als 50 Prozent liegen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die von den Jungen Unternehmern und den Familienunternehmen in Auftrag gegeben wurde. (ms)
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