Schlupflöcher im Erbschaftsrecht
Neue Initiative der Grünen für reiche Erben – „Wer viel erbt, zahlt häufig keine Erbschaftsteuer“
Reiche Erben zahlen oft nicht genug Erbschaftsteuer. Die Grünen planen, dies zu ändern. Ein Positionspapier offenbart mögliche Strategien.
Berlin – Das deutsche Steuerrecht hat Lücken, die den Staat jährlich Milliarden kosten. Laut der Entwicklungsorganisation Oxfam hat allein die Aufhebung der Vermögenssteuer für Reiche im Jahr 1996 für einen Verlust von 380 Milliarden Euro gesorgt. Ein aktuelles Positionspapier zeigt, dass die Grünen ihren Wahlkampf mehr auf das Thema richten könnten.
Grüne prangern Ungleichheit an – und wollen Schlupflöcher im Erbschaftsrecht schließen
„Die Ungleichheit in Deutschland ist ein Problem“ – mit diesem Satz fasste Andreas Audretsch, Vizefraktionschef der Grünen im Bundestag, den Themenkomplex Steuerprivilegien bei Erbschaften zusammen. Nach einem Wahldesaster im Osten positionieren sich die Grünen derzeit neu und haben bei Erbschaften einen neuen Ansatzpunkt gefunden. Audretsch hatte am Wochenende ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, das – nebst anderen Zielen – Steuerprivilegien abbauen soll.
Dass das reichste Prozent der Deutschen mehr Vermögen habe als 90 Prozent der restlichen Menschen in Deutschland, sei ein Problem, sagte Audretsch. Durch eigene Arbeit könne kaum ein Vermögen aufgebaut werden. „Das liegt auch an unserem Steuersystem, das viel zu viele Lücken aufweist, die nur sehr reiche Menschen nutzen können“, zitierte die Nachrichtenagentur AFP den Grünen-Politiker. Ein achtseitiges internes Positionspapier der Grünen zeigt die mögliche Richtung auf, die die Politik der Partei im Wahlkampf für 2025 einschlagen könnte.
Anpassungen im Erbschaftsrecht – „Wer viel erbt, zahlt häufig gar keine Erbschaftsteuer“
Neben einer Reform der Schuldenbremse schlagen die Grünen hier einige Änderungen am Steuerrecht vor, die vorrangig Lücken und Schlupflöcher schließen sollen. Das geht mit Immobilienverkäufen los.
| Aktuelle Regelung | Vorschlag der Grünen | |
|---|---|---|
| Immobilienverkauf | Wer innerhalb von zehn Jahren ein Objekt kauf und wieder verkauft, muss auf den erzielten Gewinn eine Spekulationssteuer zahlen – wenn es mehr als zehn Jahre sind, gilt das nicht | Die Frist soll wegfallen – auch nach zehn Jahren fällt die Spekulationssteuer an |
| Immobiliengesellschaften | Immobiliengesellschaften, die ausschließlich vermögensverwaltend arbeiten, zahlen 15 Prozent Körperschaftssteuer auf Gewinne | Diese Gesellschaften sollen regulär Gewerbesteuer zahlen |
| Anteilige Immobilienkäufe | Wer nur Anteile einer Immobilie kauft, zahlt keine Grunderwerbsteuer (bis zu 89,9 Prozent Anteil), was Immobiliengesellschaften ausnutzen | Niederländisches Modell: anteilige Grunderwerbsteuer. Wer zum Beispiel 25 Prozent einer Immobilie kauft, zahlt 25 Prozent der Grunderwerbsteuer auf ihren Wert. |
| Erbschaftsrecht | Wer mehr als 26 Millionen Euro erbt, aber die Erbschaftssteuer nicht aus eigenem Privatvermögen zahlen kann, kann sie eine Verschonungsbedarfsprüfung beantragen – was zu einer vollständigen Erlassung der Steuer führen kann | Ausnahmeregelung soll abgeschafft werden |
| Erben bei Wohnungsunternehmen | Erben von Wohnungsunternehmen mit mehr als 300 Wohneinheiten zahlen keine Erbschaftssteuer | Ausnahmeregelung soll abgeschafft werden |
Laut Katharina Beck, der finanzpolitischen Sprecherin der Grünen, geht es hauptsächlich darum, Ungerechtigkeiten bei der Erbschaftsteuer zu beseitigen. „Wer sehr viel erbt, zahlt häufig gar keine Erbschaftsteuer, während mittelgroße Erbschaften fair besteuert werden und kleinere richtigerweise durch Freibeträge befreit sind“, zitierte der Spiegel die Politikerin. Die Anhäufung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu stoppen, sei auch als Ziel in der bayerischen Landesverfassung festgeschrieben.
Mehreinnahmen aus der Erbschaftsteuer – Wohin fließt das Geld?
„Aus ökonomischer und sozialer Perspektive, kluge Vorschläge der Grünen“, gab Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), auf LinkedIn an. Fratzscher lobte den Umstand, dass die Vorschläge keine Steuererhöhungen beinhalteten, sondern stattdessen Mehreinnahmen durch das Schließen von Schlupflöchern generieren könnten.
Clemens Fuest wiederum, der Chef des Münchner Ifo-Instituts, wünscht sich darüber hinaus Vorschläge, was mit dem durch die Anpassungen eingeholten Vermögen passieren soll. Laut dem Focus will der Ökonom die so generierten Mittel dafür einsetzen, um die Baukrise in Deutschland zu bekämpfen. Beispielsweise könnte die Regierung das zusätzlich eingeholte Geld für eine Absenkung der Grunderwerbsteuer nutzen.
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