Doppelmoral im Westen?
Milliarden-Gewinne für Russlands Wirtschaft – Nato-Land leitet angeblich Russland-Öl weiter
Russland ist mit drastischen Sanktionen belastet. Putin ist immer auf der Suche nach Schlupflöchern, um diese zu umgehen. Dabei wird er unterstützt – angeblich von einem Nato-Land.
Brüssel/Ankara – Trotz westlicher Sanktionen, die Russlands Wirtschaft schädigen sollen, gelingt es dem Land, größere Mengen an Rohstoffen und Produkten in den Westen zu bringen. Teils liegt das an kostspieligen Schachzügen wie dem Aufbau der berüchtigten Schattenflotte, teils an der willigen Kooperation von Ländern – zu denen auch welche gehören, die eigentlich mit dem Westen verpartnert sind.
Nato-Land leitet russisches Öl in den Westen – Trotz Sanktionen
Die EU soll eine Untersuchung darüber eröffnet haben, ob falsch etikettiertes Öl über den Nato-Staat Türkei in die Europäische Union gelangt. Das hatten mehrere Medien berichtet, darunter Politico, das sich auf zwei nicht näher genannte Quellen bezogen hatte. Angeblich war die OLAF tätig geworden, das europäische Amt für Betrugsbekämpfung – dieses kann Mitgliedstaaten empfehlen, Maßnahmen zu ergreifen, oder auch selbst Ermittlungen zu starten.
Eine Recherche von Politico hat bereits früher gezeigt, dass russisches Öl „sehr wahrscheinlich“ an türkischen Häfen akzeptiert wird – und dann, unter neuem Etikett, in die EU gelangt. Auch bei anderen Sanktionen hatte die Türkei sich wiederholt als Leck erwiesen, was die Durchsetzung der westlichen Sanktionen angeht.
Das hatte bereits dazu geführt, dass eine „große Zahl“ russischer Unternehmen neue Niederlassungen innerhalb der Türkei eröffnet hatten und mit türkischen Counterparts kooperieren. Diese sollen dabei eine Fassade für den Import zur Verfügung stellen. Im Herbst 2022 hatte das Europäische Parlament bemerkt, dass die Zahl der russischstämmigen Unternehmen innerhalb der Türkei rapide angestiegen war. Die Exporte nach Russland waren um bis zu 43 Prozent gestiegen, die Importe aus Russland um 125 Prozent.
Sanktionen schaden Russlands Wirtschaft – aber es gibt Ausnahmen
Ölimporte aus Russland sind seit 2022 sanktioniert. Der Erwerb, die Einfuhr und die Weiterleitung von Rohöl und bestimmten Erdölerzeugnissen auf dem Seeweg aus Russland in die EU ist verboten – für die Einfuhr von Pipeline-Rohöl gibt es Ausnahmen. Diese gelten jedoch nur für Länder, die von den Lieferungen abhängig sind und auf keine Alternativen zurückgreifen können.
Eine weitere Ausnahme von dem Verbot der Beförderung von russischem Öl und Erdölerzeugnissen auf dem Seeweg in Drittländer gilt, wenn solche Waren unter den sogenannten Ölpreisdeckel fallen. Für Rohöl liegt dieser bei 60 US-Dollar pro Barrel. Diese Sanktionen sollten zwei Aufgaben erfüllen: Einerseits sollte sich die EU von russischem Öl befreien und damit eine Abhängigkeit vermeiden, andererseits sollte Russlands Wirtschaft unter den so fehlenden Einnahmen leiden.
Milliarden fließen in Russlands Wirtschaft – Türkei als wichtiger Handelspartner
Den Politico-Recherchen zufolge geht die Türkei beim russischen Öl ähnlich vor wie Indien bei russischen Diamanten. Die Türkei re-etikettiert das russische Öl einfach und stellt eine Bescheinigung aus, die besagt, dass das Öl aus einem nicht sanktionierten Land stamme. Angeblich hatte dieses Schlupfloch allein im Jahr 2023 für Gewinne bis zu drei Milliarden Euro eingebracht – von denen ein Teil dann in die Kriegskasse des Kreml-Diktators Wladimir Putin floss.
Das Centre for Research on Energy and Clean Air hatte den G7-Nationen hier Doppelmoral vorgeworfen. Laut CREA hatte sich die Türkei in der ersten Jahreshälfte 2024 zum drittgrößten Importeur von russischem Rohöl gemausert und dafür gesorgt, dass Rohöl im Wert von 1,2 Milliarden Euro aus Russland – weiterverarbeitet in der Türkei – als Ölprodukte in die G7-Länder geflossen waren.
Um den westlichen Ölpreisdeckel zu umgehen, hatte Wladimir Putin zudem viele Millionen in den Aufbau einer sogenannten Schattenflotte gesteckt; zumeist alte Schiffe, die unter falscher Flagge fahren und häufig ohne Versicherung unterwegs sind. Diese bringen ebenfalls russisches Öl in den Westen. Die westlichen Ukraine-Verbündeten haben diese Schiffe zuletzt ebenfalls ins Visier neuer Sanktionen genommen.
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