„Schluss mit dem Nettoklau“
Merz zerschmettert die Schuldenbremse – für die Wirtschaft reicht das nicht
CDU und SPD stecken mitten in Sondierungsgesprächen. Vor allem Investitionen und Bürokratieabbau müssten im Fokus stehen. Die Forderungen stehen fest.
Berlin – Die CDU unter Friedrich Merz sowie die SPD sondieren derzeit, ob eine Koalition überhaupt wieder zustande kommt. Die Mission ist klar: Eine neue Regierung muss die Wirtschaft wieder in Gang bringen. Dass Deutschland als Wirtschaftsstandort an Attraktivität verloren hat, zeigten nicht zuletzt Dutzende von Insolvenzen, Abwanderungen von Unternehmen ins Ausland oder ein Stellenabbau, der auch Schwergewichte wie VW oder adidas trifft. Dabei stellt sich die Frage: Welche wirtschaftlichen Themen müssen die Parteien in den Koalitionsverhandlungen noch angehen?
Große Koalition müsste Sozialabgaben angehen – „Schluss mit Nettoklau“
Aus der Wirtschaft ist bereits seit Monaten ein ganzer Katalog an Forderungen zu hören gewesen. Einer der Faktoren, die die neue Regierung angehen müssen, sind die Sozialabgaben. Erst zu Beginn des Jahres stieg der durchschnittliche Zusatzbeitrag für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) um 0,8 Prozentpunkte. Bei der Pflegeversicherung zogen die Preise ebenfalls an, und die Rentenversicherung hatte ebenfalls schon Alarm geschlagen, dass es ohne eine Reform zu Beitragserhöhungen kommen würde.
Das sorgt dafür, dass den Beschäftigten erstens weniger vom Lohn bleibt, zweitens steigen auch für die Firmen die Kosten. Arbeitgeber und -nehmer tragen je eine Hälfte der Beiträge für Sozialversicherungen. Steigende Beiträge sind dementsprechend ein Nachteil für den Standort Deutschland. Weitere Hebel wären niedrigere Energiepreise über die Senkung der Strompreise oder aber milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen – so schwebt es etwa der Union vor.
„Die nächste Bundesregierung muss endlich Schluss machen mit dem Nettoklau“, hatte die Bild Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), zitiert. „Den Beschäftigten bleibt immer weniger von ihrem Gehalt, das sie ehrlich erarbeitet haben.“ Die Arbeitgeber haben eine Reduzierung der Beitragssätze auf unter 40 Prozent gefordert.
Bürokratieabbau durch große Koalition – Arbeitgeberpräsident stellt Forderungen an Merz
Ein weiterer großer Punkt ist der Bürokratieabbau. Das Stichwort war bereits branchenübergreifend gefallen – oft noch dazu – und auch der Arbeitgeberpräsident Dr. Rainer Dulger forderte grundlegende Reformen diesbezüglich. „Für einen stabilen, krisenfesten und funktionalen Arbeitsmarkt muss die neue Regierung umgehend handeln“, sagte er in einer Mitteilung des Arbeitgeberverbands.
Es sei eine „grundlegende Reform“ der Arbeits- und Sozialverwaltung vonnöten. Die vielen unterschiedlichen Leistungen müssten einfacher werden. Doppelstrukturen müssten verschwinden, die Regierung muss die behördenübergreifende Digitalisierung vorantreiben. Dulger schlug eine unabhängige Kommission vor, die eine solche Reform vorbereiten kann.
Reform bei der Schuldenbremse – hier hatte Merz bereits gehandelt
Der dritte Kernpunkt sind Investitionen. Monika Schnitzer aus dem Sachverständigenrat Wirtschaft hatte hierbei angemahnt, eine Reform der Schuldenbremse müsse sicherstellen, dass das „zusätzliche Geld ausschließlich für zukunftsorientierte Investitionen ausgegeben wird“. Das schließe Verteidigung, Infrastruktur und Bildung ein, wie sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe mitteilte.
Allerdings lehnte sie ab, davon ein Rentenpaket zu bezahlen. Schnitzers kritische Haltung gegenüber der aktuellen Rentenpolitik ist nichts Neues – ihrer Meinung nach kommt der Staat nicht umhin, das Rentenalter auf 70 Jahre anzuheben. Im Mai 2024 hatte sie außerdem vorgeschlagen, die Rente an die Inflation anzupassen und nicht an die Löhne.
Laut Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) soll sich der Verteidigungshaushalt den kommenden Jahren auf über 100 Milliarden Euro verdoppeln. „Wir reden über mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das lässt sich nicht zulasten anderer Bereiche absparen“, sagte der Minister in der Tagesschau dazu.
Merz‘ Notfallpaket spült Milliarden in Infrastruktur – und soll Verteidigung stärken
Am 4. März hatten die Union und die SPD – auch ohne abgeschlossene Koalitionsverhandlungen – ein Paket an Notfallmaßnahmen vorgestellt, mit dem sie auf die vielfältigen Bedrohungen aus Ost und West antworten. Vor allem sollen davon Verteidigung und Infrastruktur profitieren, außerdem soll die Verteidigung künftig von der Schuldenbremse ausgeklammert sein. Zusätzlich sind 500 Milliarden Euro Sonderbudget für die Infrastruktur vorgesehen.
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