Rezession in Deutschland
Kurz vor der Bundestagswahl: Wirtschaft stellt klare Forderung an künftige Regierung
Arbeitgeber und Gewerkschaften rufen zur Bundestagswahl auf und fordern eine stabile Regierung. Die Wirtschaftskrise verlange schnelle und entschlossene Maßnahmen.
Berlin – Seit zwei Jahren befindet sich die deutsche Wirtschaft in einer Rezession. Und die politische Lage ist nicht wirklich besser. Nach dem Bruch der Ampel-Regierung sind die Herausforderungen für die kommende Bundesregierung immens: Die Wirtschaft stagniert, die Inflation belastet Haushalte und Unternehmen gleichermaßen, und die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands steht auf dem Spiel.
Gleichzeitig drohen langwierige Koalitionsverhandlungen, die notwendige Reformen verzögern könnten. Vor diesem Hintergrund haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammengetan, um die Wähler zu mobilisieren.
Wirtschaftsvertreter und Gewerkschaften: Gemeinsamer Appell vor der Bundestagswahl
In einer gemeinsamen Erklärung fordern Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die Bürgerinnen und Bürger auf, ihr Wahlrecht wahrzunehmen: „Nutzen Sie Ihre Stimme als Bürgerin und Bürger dieses Landes.“
Eine konkrete Wahlempfehlung sprechen die Spitzenvertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften nicht aus. Stattdessen raten sie dazu, sich intensiv mit den Programmen der Parteien auseinanderzusetzen. „Überlegen Sie, was in der jetzigen Situation das Beste für Sie und unser Land ist“, so Dulger und Fahimi.
Ohne eine explizite Nennung der AfD mahnen die beiden zur Wahl demokratischer Parteien: „Achten Sie bitte darauf, dass die Partei, für die Sie sich entscheiden, zu den Werten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.“
Wirtschaft in der Krise – Regierung muss handlungsfähig sein
Die wirtschaftliche Lage Deutschlands steht im Mittelpunkt der Erklärung. Die Herausforderungen für die künftige Bundesregierung seien enorm, heißt es darin. „Die deutsche Wirtschaft muss wieder wachsen, damit wir Beschäftigung und Wohlstand sichern. Die De-Industrialisierung Deutschlands muss gestoppt werden.“
Angesichts der Prognosen von Instituten ist die Lage düster: Ein Drittel der Unternehmen plant, ihre Investitionen im Inland zu reduzieren; in der Industrie sind es sogar 40 Prozent, wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) berechnet hat.
Auch aktuelle Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal 2024 gegenüber dem dritten Quartal 2024 um 0,2 Prozent gesunken ist. Während die privaten und staatlichen Konsumausgaben anstiegen, waren die Exporte deutlich niedriger als im Vorquartal. Damit beendete die deutsche Wirtschaft das Jahr 2024 mit einem Minus.
Aufruf zu einer stabilen Regierung
Die Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter betonen daher die Notwendigkeit einer stabilen Regierung, die entschlossen handelt. „Es wird viel Kraft kosten, Deutschland auf den richtigen Kurs zu bringen“, heißt es in der Erklärung. „Deshalb brauchen wir eine stabile Regierung, die eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet und die Probleme unseres Landes als gemeinschaftliches Projekt anpackt.“
Besonders dringlich seien Themen wie die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, steigende Energiekosten, Digitalisierung und der anhaltende Fachkräftemangel. Die neue Bundesregierung müsse hier entschlossene Maßnahmen ergreifen.
Warnung vor langen Koalitionsverhandlungen
Neben der wirtschaftlichen Lage sorgt auch die bevorstehende Regierungsbildung für Besorgnis. Erfahrungsgemäß können Koalitionsverhandlungen in Deutschland lange dauern. DGB-Chefin Fahimi fordert im Gespräch mit POLITICO daher zügige Einigungen: „Ich erwarte von den demokratischen Parteien der politischen Mitte, verantwortungsvolle und konstruktive Lösungen zu finden - es gilt, zügig eine stabile Regierung zu bilden.“ Sie betont, dass dabei die inhaltlichen Fragen im Mittelpunkt stehen müssen.
Deutschland brauche einen Neuanfang, insbesondere in zentralen Bereichen wie Infrastruktur, Bildung, bezahlbarem Wohnraum und Digitalisierung. „Unser Land braucht einen Befreiungsschlag zur Modernisierung des Landes“, führt sie weiter aus. Eine neue Bundesregierung müsse umgehend eine Investitionsoffensive starten, um das Land zukunftsfest zu machen. Zudem seien eine sichere Rente und ein starker Sozialstaat essenziell.
Wirtschaft fordert schnelle Klarheit: „Wir können uns keine Hängepartie erlauben“
Auch die Wirtschaft fordert rasche Entscheidungen. „Wir brauchen nach der Wahl schnell Klarheit“, erklärt Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin der DIHK. Angesichts der „tiefen strukturellen Krise“ sei eine handlungsfähige Regierung unabdingbar.
Lange Verhandlungen und politische Blockaden könnten das Land weiter schwächen. „Wir können uns deshalb keine lange Hängepartie erlauben“, warnt Melnikov. Parteipolitische Interessen müssten zurückgestellt werden, das Wohl des Landes habe oberste Priorität. Mit Material der dpa und AFP.
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