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Haushalt 2025

Für Bürgergeld-Empfänger verhängt die „Rückschrittskoalition“ Ampel strengere Auflagen

Agentur für Arbeit
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Bürgergeld gekürzt worden? Wer mit der Entscheidung des Jobcenters nicht einverstanden ist, sollte sich an seinen Berater wenden.

Die Ampel-Regierung hat im Kontext ihrer „Wachstumsinitiative“ härtere Sanktionen im Bürgergeld festgelegt.

Berlin – Die Ampel-Koalition hat sich am Freitag (5. Juli) nach wochenlangen Beratungen auf einen Haushaltsentwurf für 2025 verständigt. Darüber hinaus beschlossen die drei Parteispitzen aus Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine „Wachstumsinitiative“, die die Konjunktur ankurbeln soll. Neben einer großen Änderung bei der Witwenrente und einer Abschaffung der beiden Steuerklassen III und V wurden auch mehrere Anpassungen im Bürgergeld beschlossen.

Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger: Das hat die Ampel beschlossen

Die Änderungen für Bürgergeld-Empfänger gehören zu den umfangreichsten Maßnahmen, die die Ampel in ihrem 30-seitigen-Dokument zur Wachstumsinitiative erläutert. So sollen beispielsweise Empfänger und Empfängerinnen von Bürgergeld künftig einen weiteren Arbeitsweg in Kauf nehmen, als bisher vorgesehen. Die Jobcenter sollen in einem Umkreis von bis zu 50 Kilometern nach einem geeigneten Arbeitsplatz für Arbeitslose suchen.

Die Bundesregierung will aber auch die Sanktionen für Bürgergeldbeziehende erweitern und verschärfen. Konkret ist geplant:

  • Wer seine Mitwirkungspflichten als Empfänger von Bürgergeld verletzt, soll einheitlich mit einer Kürzung von 30 Prozent ihrer Leistungen rechnen müssen. (Aktuell: gestaffelt von 10, dann 20 und dann 30 Prozent)
  • Die Kürzung dauert drei Monate an, außer bei einem Meldeversäumnis, die zunächst einen Monat andauert
  • Bürgergeldempfänger, die „kurzfristig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen“ (also, wer z.B. keine Kinder oder andere Pflegebedürftige betreuen muss) müssen künftig verbindlich einmal im Monat ins Jobcenter kommen.
  • Wer mit wegen einer Sperre im Arbeitslosengeld I (z.B. wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit) ins Bürgergeld rutscht, wird sofort mit 30 Prozent Leistungsminderung sanktioniert
  • Wer bei Schwarzarbeit erwischt wird, muss mit 30 Prozent Leistungskürzung für drei Monate rechnen

Ampel will Schwarzarbeit bekämpfen: Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger

Darüber hinaus will die Ampel-Koalition weitere Anpassungen im Bürgergeld vornehmen, um das Arbeiten attraktiver zu machen. Sanktionen werden nicht mehr nach einer bestimmten Dauer aufgehoben, sondern erst dann, wenn es „positive Mitwirkung“ gebe.

Außerdem werden die Jobcenter verpflichtet, künftig bei vermuteter Schwarzarbeit bei einem Leistungsempfänger das an die Zollbehörden zu melden. Die zuständige Behörde beim Zollamt (Kleine Staatsanwaltschaft der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls, kurz FKS) wird verpflichtet, diesen Meldungen der Jobcenter dann auch nachzugehen.

Weiter will die Bundesregierung verstärkt die Möglichkeiten von sogenannten „1-Euro-Jobs“ nutzen. Insbesondere die sogenannten „Totalverweigerer“ sollen zu solchen gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichtet werden, um den Anschluss in den regulären Arbeitsmarkt herzustellen. Unter 1-Euro-Jobs verstehen sich gemeinnützige Tätigkeiten, die für höchstens 20 Stunden die Woche ausgeübt werden und für die es pro Stunde in der Regel nur zwei oder drei Euro gibt. Solche Beschäftigungen werden von den Jobcentern nur dann angeboten, wenn alle anderen Möglichkeiten ins Leere gelaufen sind.

Bürgergeld-Sanktionen werden von Grüne und SPD kritisiert

Die Beschlüsse insbesondere zum Bürgergeld sorgen natürlich für Diskussionen, auch innerhalb der Koalition. Während Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) geplante Verschärfungen für Bürgergeld-Empfänger als „sozial gerecht“ begrüßte, kündigte die SPD-Fraktion eine eingehende Prüfung der tatsächlichen Effekte auf den Arbeitsmarkt an. Die Grünen sahen die Beschlüsse schon jetzt als wenig hilfreich an.

„Nicht auf der Fachebene getroffene Kompromisse müssen jetzt in Ruhe sachlich eingeordnet werden - insbesondere in Bezug auf ihre tatsächlichen Arbeitsmarkteffekte“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt der Nachrichtenagentur AFP. „Das ist vor allem bei Entscheidungen zum inzwischen überwiegend populistisch diskutierten Bürgergeld der Fall.“

„Das sind alles Maßnahmen, die uns bei der Integration in Arbeit kein bisschen weiterhelfen“, sagte die grüne Arbeits- und Sozialpolitikerin Beate Müller-Gemmeke AFP. „Und was nicht hilft, sollten wir auch nicht machen.“ Die Grünen legten „den Fokus auf die Qualifizierung und Begleitung der Erwerbslosen“. Dies eröffne „Wege auf den Arbeitsmarkt und schafft Chancen und Perspektiven“.

„Wer keine Lust hat zu arbeiten, obwohl er könnte, wird mit strengeren Regeln beim Bürgergeld konfrontiert“, schrieb Buschmann im Online-Dienst X. Die gleichzeitig beschlossenen Regelungen für eine Steuerbegünstigung von Mehrarbeit führe zudem dazu, dass Arbeitnehmer künftig „mehr Netto vom Brutto“ hätten. Dies sei „sozial gerecht und in Zeiten des Arbeitskräftemangels ökonomisch klug“, betonte der FDP-Minister.

Armutsforscher nennt die Ampel „Rückschrittskoalition“

Der Armutsforscher Christoph Butterwegge sieht den Haushaltskompromiss der Ampel-Regierung kritisch. „Die rot-grün-gelbe Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gleicht der Echternacher Springprozession: drei Schritte vorwärts, zwei Schritte zurück“, sagte Butterwegge der Deutschen Presse-Agentur in Köln. 

Zuerst habe man, um Hartz IV zu „überwinden“, wie es bei der SPD und den Grünen vollmundig geheißen habe, Leistungsbezieher durch einen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro pro Monat zur beruflichen Weiterbildung motiviert. Dann habe man ihn aber wegen der Probleme beim Bundeshaushalt 2024 ein halbes Jahr nach Inkrafttreten schon wieder abgeschafft. 

Nun würden mit den neuen Haushaltsbeschlüssen auch die zunächst abgeschwächten Sanktionen wieder verschärft. So werde die ursprünglich verlängerte „Karenzzeit“, in der das Vermögen und die Größe der Wohnung vom Jobcenter nicht auf den Prüfstand gestellt würden, wieder verkürzt. „Die Sanktionen, die da jetzt neu eingeführt werden, zum Beispiel bei Schwarzarbeit oder wenn man nicht bereit ist, lange Fahrtzeiten in Kauf zu nehmen, sind zum Teil Regelungen, die schärfer sind, als sie das bei Hartz IV waren.“ Deshalb müsse man sozialpolitisch von einer „Rückschrittskoalition“ sprechen. (mit Material von AFP und dpa)

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