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Ziele für 2030 „kaum erreichbar“

EU will strengere Klimaziele: Wirtschaft kritisiert Realitätsverweigerung - Wissenschaft nimmt Norwegen als Beispiel

Die EU-Kommission plant eine Erweiterung der Klimaziele. Die deutsche Wirtschaft warnt: Die derzeitigen Ziele sind bereits extrem herausfordernd.

Brüssel – Innerhalb der EU wird gerade darüber entschieden, ob die Klimaziele nochmal nachgeschärft werden sollen. Im Februar präsentierte die Kommission eine Empfehlung, das Treibhausgasminderungsziel innerhalb der EU auf 90 Prozent im Vergleich zu 1990 bis 2040 festzusetzen. Bis 2050 will die EU treibhausgasneutral sein, bis 2030 sollen schon 55 Prozent weniger Treibhausgase im Vergleich zu 1990 emittiert werden. Schon dieses Ziel gilt in Fachkreisen als extrem ambitioniert - und die EU wird es, Stand jetzt, nicht erreichen können.

Wirtschaft gegen schärfere Klimaziele: Verunsicherung durch die Transformation

Die deutsche Wirtschaft reagiert entsprechend beunruhigt auf die neue Kommissionsforderung. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sagt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Achim Dercks: „Die Formulierung immer neuer, höherer Klimaziele führt zu einer tiefen Verun­sicherung in der Breite der Wirtschaft“. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), Ingbert Liebing, kritisierte den Vorstoß ebenfalls mit den Worten: „Es bringt nichts, langfristige Ziele immer weiter zu verschärfen, um zu kaschieren, dass man kurzfristige eher nicht erreicht“. 

Die Wirtschaft macht sich vor allem um die Finanzierung der Transformation Sorgen. Die Umstellung auf Elektrifizierung oder Carbon Capture and Storage (CCS) benötigt viel teure Infrastruktur, die auch privat finanziert werden müssten. Gleichzeitig stimmen die Anreize nicht: Stromkosten sind in der EU schon jetzt eine Bürde, während fossile Energien weiterhin preislich attraktiver bleiben.

Wissenschaft warnt: Pariser Klimaziele sind in der EU nicht zu erreichen

Auf der anderen Seite steht jedoch die Wissenschaft, die vor den Folgen des Klimawandels warnt. Nach Daten des wissenschaftlichen Konsortiums Climate Action Tracker (CAT), das Klimamaßnahmen weltweit untersucht und analysiert, wird die EU ihre Klimaziele bis 2030 in der Tat nicht erreichen. Die beschlossenen Pfade reichen gerade mal aus, um die globale Erderwärmung auf drei Grad zu begrenzen. Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müsste viel mehr getan werden.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer Bewerbungsrede im Parlament (Archivbild).

Nach Angaben der EU-Kommission sind die Emissionen bis 2022 um 32,5 Prozent zurückgegangen. Bis zum 55-Prozent-Ziel müsste also im Grunde innerhalb von acht Jahren fast genauso viel erreicht werden, wie in den vergangenen 30 Jahren.

Deutschland stößt weniger Emissionen aus: Auch weil es der Wirtschaft schlecht geht

Auch der Blick auf Deutschland zeichnet ein ähnliches Bild. Die Denkfabrik Agora Energiewende hat eine Treibhausgasreduktion von 46 Prozent im Vergleich zu 1990 im Jahr 2023 gemessen. Das allerdings liege zu einem großen Teil an Produktionsrückgängen in der Industrie. Die Einsparungen werden aktuell also dadurch erreicht, dass es der Wirtschaft schlecht geht. In den großen Blöcken Gebäude und Verkehr hat es in Deutschland zwischen 2022 und 2023 kaum nennenswerte Treibhausgasminderungen gegeben.

Im Verkehrssektor wurden beispielsweise bisher nur elf Prozent weniger CO₂ ausgestoßen als noch 1990. Knapp 20 Prozent aller Treibhausgasemissionen stammen aber nach Angaben des Umweltbundesamtes aus dem Verkehrssektor.

Diese Probleme unterstreicht auch Ingbert Liebing in der FAZ. „Wir müssen die Realität endlich zur Kenntnis nehmen. Die Klimaziele 2030 scheinen heute schon in vielen EU-Staaten, einschließlich Deutschland, kaum erreichbar.“ Vor allem sei das in Gebäude und Verkehr der Fall. „Daher wäre eine Festlegung auf minus 90 Prozent bis 2040 voreilig und riskant.“ Er sieht durch eine weitere Verschärfung der Ziele die Gefahr, dass Klimaschutz an Akzeptanz verliert - und dadurch die Ziele in noch weitere Ferne rücken.

Norwegen ist Vorreiter: 2025 werden 100 Prozent der Neuzulassungen E-Autos sein

Dass es aber auch anders gehen kann, zeigt der Blick in den Norden. Eine neue Untersuchung der Bertelsmann Stiftung zusammen mit dem Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) stellt fest, dass das Tempo beim Umstieg auf E-Mobilität in Deutschland nicht ausreicht, um bis 2045 emissionsfrei zu sein. Das steht im krassen Kontrast zu Norwegen, wo 2025 vermutlich 100 Prozent der Neuzulassungen E-Autos sein werden. „Norwegen profitiert davon, dass das Land offensiv finanzielle Anreize für emissionsfreie Fahrzeuge gesetzt hat“, sagt Thorsten Hellmann, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung.

Auch im Gebäudesektor wird Deutschland abgehängt: Bis 2030 werden in Norwegen voraussichtlich in 100 Prozent der Gebäude Wärmepumpen stehen. Deutschland müsste den jährlichen Einbau von Wärmepumpen verdoppeln, um seine Klimaziele bis 2030 zu erreichen, so die Untersuchung weiter.

Rubriklistenbild: © Philipp von Ditfurth/dpa

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