Modell gerät in die Kritik
Ende der Rente mit 63? Wie die Pläne unter einem CDU-Kanzler aussehen
Die „Rente mit 63“ findet bei den Bürgern Anklang. Fachleute betrachten sie skeptisch. Wird sie nach dem bevorstehenden Regierungswechsel in Berlin fortbestehen?
Berlin – In der Bundespolitik geht es dieser Tage ans Eingemachte. Union und SPD werben vehement für ihr Finanzpaket, das milliardenschwere Verteidigungsausgaben jenseits der Schuldenbremse und ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur-Investitionen beinhalten soll. Zugleich laufen die Koalitionsverhandlungen der Parteien an, die aller Voraussicht nach zum fünften Mal insgesamt und zum vierten Mal seit 2005 gemeinsam ein Bundeskabinett stellen werden.
Einmal mehr müssen sich zumindest einige der 256 in den Runden sitzenden Politiker die durchaus heikle Frage stellen, wie auf den demografischen Wandel mit der alternden deutschen Bevölkerung und der steigenden Lebenserwartung reagiert werden soll. Nicht nur hinsichtlich des zunehmenden Pflegebedarfs, sondern vor allem mit Blick auf das Renteneintrittsalter. Dieses wird derzeit bis 2031 in Zwei-Monats-Schritten auf 67 Jahre erhöht, womit diese neue Grenze ab dem Jahrgang 1964 gilt.
Rente mit 63: Mit 45 Jahren in Versicherung früher und abschlagsfrei in den Ruhestand
Doch es gibt Ausnahmen, die auch schon früher einen abschlagsfreien Abschied aus dem Erwerbserleben ermöglichen. Etwa die umgangssprachlichen „Rente mit 63“. Bei dieser handelt es sich tatsächlich um die Altersrente für besonders langjährig Versicherte, mit der vorzeitig der Ruhestand genossen werden kann. Voraussetzung ist eine Versicherungszeit von 45 Jahren in der Deutschen Rentenversicherung.
Wegen des bereits erwähnten langsam steigenden Renteneintrittsalters ist die Bezeichnung „Rente mit 63“ mittlerweile irreführend, denn für die Jahrgänge 1953 bis 1963 geht auch hier der Wert parallel nach oben, so dass diese Option für die Jahrgänge ab 1964 erst mit einem Alter von 65 Jahren greift. Aber eben zwei Jahre früher als im Falle von gleichaltrigen Bürgern, die nicht genug Versicherungsjahre angesammelt haben.
Stellt sich die Frage: Ist das noch zeitgemäß? Gerade angesichts eines Rentensystems, das mit seinem Umlageverfahren immer mehr an seine Grenzen stößt. Weil die Zahl der Beitragszahler im Verhältnis zu den Rentnern immer weiter abnimmt. Laut dem Demografieportal des Bundes und der Länder kamen 1962 noch sechs aktiv versicherte Erwerbspersonen auf einen Altersrentner, mittlerweile sind es nur noch rund zwei.
Kritik an der Rente mit 63: Laut DIW wird Fokus falsch gesetzt – Spahn trauert Fachkräften nach
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigte in seinem Wochenbericht 48 / 2024 auf, warum das aktuelle Modell der „Rente mit 63“ nicht zu Ende gedacht ist. So monieren die Experten, es werde zu kurz gegriffen, wenn die Versicherungszeit das einzige Kriterium sei. Laut den Auswertungen profitieren Menschen mit hoher beruflicher Belastung oft nicht von dieser Art der früheren Rente, dagegen erfüllen Personen aus Berufen mit einer eher unterdurchschnittlichen Belastung die Voraussetzungen und stellen einen relevanten Anteil der Nutznießer dar.
Das DIW schlägt daher eine Überarbeitung des Modells vor. „Wir brauchen zielgerichtete Instrumente, die sicherstellen, dass besonders belastete Berufsgruppen, die oft gar nicht auf 45 Vertragsjahre kommen, nicht durchs Raster fallen“, betont Lars Felder, Doktorand in der Abteilung Staat. Nach aktuellem Stand würde fast ein Drittel der neu in Altersrente gehenden Personen die Rente mit 63 nutzen.
Jens Spahn war einer der ganz wenigen prominenten Politiker, die sich öffentlich kritisch mit dem Modell auseinandergesetzt haben. „Die ‚Rente mit 63‘ kostet Wohlstand, belastet künftige Generationen und setzt die falschen Anreize“, sagte der einstige Gesundheitsminister im Sommer 2023 der Bild am Sonntag: „Sie sollte sofort abgeschafft und durch eine bessere Erwerbsminderungsrente ersetzt werden.“ Früher in Rente gegangene Fachkräfte würden „bitterlich“ fehlen.
Renten mit 63 vor dem Aus? Union und SPD mit klaren Positionen in Wahlprogrammen
Daran hat sich auch gut anderthalb Jahre später nichts geändert. Und dennoch sitzt die „Rente mit 63“ allem Anschein nach auch bei Schwarz-Rot fest im Sattel. Schon in ihren Wahlprogrammen hatten CDU und CSU sowie auch SPD klargestellt, dass es mit ihnen hier ein „Weiter so“ geben wird.
„An der bestehenden gesetzlichen Regelung zum Renteneintrittsalter halten wir fest. Die Regelung für besonders langjährige Versicherte mit 45 Versicherungsjahren behalten wir mit Blick auf die Planungssicherheit für Unternehmen und rentennahe Jahrgänge bei“, ließ die Union wissen.
Die zehn besten Tipps, um früher in Rente zu gehen




Im SPD-Papier liest es sich so: „Ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren wird mit der SPD auch künftig zwei Jahre früher möglich bleiben. Das haben sich gerade Menschen verdient, die früh begonnen haben zu arbeiten. Eine Anhebung der Regelaltersgrenze lehnen wir ab.“
Union und SPD zur Rente mit 63: Modell soll beibehalten werden
Das Sondierungspapier, das am 8. März veröffentlicht wurde, lieferte diesen Satz: „Ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren wird auch künftig möglich bleiben.“
Allerdings verdeutlichen die wahrscheinlichen Koalitionspartner auch, dass sie Alternativen zum vorzeitigen Ruhestand schmackhaft machen wollen: „Gleichzeitig schaffen wir zusätzliche finanzielle Anreize, damit sich freiwilliges längeres Arbeiten mehr lohnt. Statt einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, wollen wir mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit.“
CDU will Anreize für arbeitende Rentner setzen
So soll die Aktivrente kommen, die die Union bereits im Wahlprogramm vorgestellt hatte: „Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei.“ Außerdem sollen die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei der Hinterbliebenenrente verbessert werden.
Unter einem CDU-Kanzler, der vermutlich Friedrich Merz heißen wird, wird also keineswegs die „Rente mit 63“ in den Ruhestand verabschiedet. Vielmehr sollen fleißige Rentner belohnt werden. Wer kann, möchte und aus finanziellen Gründen vielleicht auch muss, ist also herzlich eingeladen, dem Arbeitsmarkt trotz der Verlockung einer frühen abschlagsfreien Rente auch im Alter weiter zur Verfügung zu stehen. (mg)
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