Flottenmarkt als Rettungsanker
Deutschlands Autohandel im Realitätscheck – “Fatal, wenn diese Regelungen wegfielen“
Der Chef eines großen Autohändlers warnt vor einer erneuten Elektroauto-Prämie. Außerdem erklärt er, was für deutsche Autohersteller jetzt wirklich zählt.
Rheine/München – Der deutsche Automarkt stagniert. Die Zahl der Neuzulassungen lag über die letzten 30 Jahre stabil bei etwa drei Millionen – vergangenes Jahr waren es laut Kraftfahrt-Bundesamt noch 2,8 Mio. „Der Markt ist im Grunde seit langem gesättigt“, bringt es in einem Interview Jörg Senger auf den Punkt, Geschäftsführer eines der größten Autohandelsunternehmen in Nordrhein-Westfalen.
Jedoch steht die Autoindustrie unter Druck: Hohe Kosten, unsichere Förderbedingungen und eine Konsumzurückhaltung belasten deutsche Autohersteller und Handel gleichermaßen. Dennoch zeigen sich punktuelle Aufschwünge – vor allem bei Marken wie Skoda und Cupra, die bei Kunden mit attraktiven Leasingkonditionen und Preis-Leistungs-Verhältnis punkten. Volkswagen attestiert der Experte diesbezüglich einen „hervorragenden Job“.
Deutsche Autohersteller und E-Autos: Warum eine Prämie schaden könnte
Zwar erleben E-Autos weltweit eine kontinuierliche Entwicklung, doch in Deutschland kam es 2024 zu einem Einbruch – bedingt durch das abrupte Ende der staatlichen Elektroauto-Prämie. Senger warnt gegenüber Focus.de vor falschen politischen Reaktionen: „Wenn jetzt Kaufprämien kämen, (...) dann verursacht das nur eine Verschiebung der Nachfrage.“ Vielmehr würde der deutschen Autoindustrie Verlässlichkeit helfen: „Wir brauchen Kontinuität, auch was die Förderung betrifft.“
Der Fachmann betont, dass E-Mobilität langfristig nicht zu stoppen ist – aber nur dann breite Akzeptanz finde, wenn Preis, Restwert und Infrastruktur stimmen. Für viele Käufer bleibe die Frage der Wirtschaftlichkeit und Sicherheit.
Laut Studie hohe Qualität bei VW, Mercedes und Co.
Interessanterweise steht die deutsche Autoindustrie bei der E-Mobilität in Sachen Qualität international gut da. Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung BearingPoint wurden Kunden in Deutschland, Frankreich, den USA und China befragt – überall lagen deutsche Marken bei der wahrgenommenen Qualität vorn.
Je nach Markt betrug der Vorsprung drei bis sieben Prozentpunkte gegenüber der zweitplatzierten Gruppe. Doch in den Detailwertungen lagen in China (BYD) und den USA (Honda) nicht-deutsche Hersteller vorne – ein Zeichen dafür, dass der globale Wettbewerb keinesfalls schläft.
Deutsche Autoindustrie: Flottenmarkt als Rettungsanker
Ein oft unterschätzter Treiber des Absatzes ist der Flottenmarkt – und hier zeigt sich der entscheidende Einfluss der Politik: „Unsere Premium-Marken – Audi, Mercedes, Porsche – werden eher von Gewerbekunden gekauft“, erklärt Senger.
Der Flottenmarkt wachse seit Jahren, vor allem wegen der steuerlichen Anreize bei Dienstwagen. Besonders bei elektrifizierten Antrieben seien die Vorteile für Fahrer beträchtlich. „Es wäre fatal, wenn diese Regelungen wegfielen“, warnt der Händler.
Ranking: Auf diese Automarken fahren Deutsche am meisten ab




Tatsächlich wäre ohne diese steuerlichen Mechanismen der Absatz vieler Premiumhersteller deutlich geringer. Während der Privatkundenmarkt stockt, bleibt das Gewerbekundensegment stabil – nicht zuletzt durch günstige Versteuerung und Leasingangebote.
Deutscher Autobranche würde „Aufschwung der Konjunktur” helfen
In dem Gespräch mit Focus.de macht Senger deutlich, dass neue Subventionen nicht das Allheilmittel seien. Viel entscheidender ist demzufolge eine gesunde wirtschaftliche Gesamtlage: „Was uns mit Abstand am meisten helfen würde, wäre ein Aufschwung der Konjunktur.“ Erst wenn sich die Kaufkraft erholt, könne auch der Automarkt wieder die Drei-Millionen-Grenze bei den Neuzulassungen durchbrechen.
Dazu müsse die Politik weniger auf kurzfristige Impulse setzen – und mehr auf langfristige Planungssicherheit: für Autohersteller, Handel und Kunden. (PF)
Rubriklistenbild: © Arnulf Hettrich/Imago
