Studie des IW-Köln
Corona, Krieg, Rezession kosten Deutschland 735 Milliarden Euro – „Schwerste Krise seit Wiedervereinigung“
735 Milliarden Euro – so teuer sind laut einer IW-Studie die Folgen von Corona und Ukraine-Krieg für die deutsche Wirtschaft. Ein Experte sieht die Schuld auch bei der Politik – und appelliert an die neue Regierung.
Köln – Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und geopolitische Verwerfungen – in den vergangenen fünf Jahren haben gleich mehrere fatale Krisen die deutsche Wirtschaft getroffen – und diese in eine Rezession geführt. Laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln belaufen sich die kumulierten Kosten dieser Periode auf insgesamt 735 Milliarden Euro.
Pandemie und Ukraine-Krieg kosten Deutschland 735 Milliarden Euro – und übertreffen sogar die Finanzkrise
„Nach der Erholung vom Pandemie-Schock kommen die wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland nunmehr seit drei Jahren nicht mehr über das Niveau des Jahres 2019 hinaus“, heißt es in einer Studie von IW-Konjunkturchef Michael Grömling.
Speziell während der Pandemie-Jahre 2020 und 2021 schätzt das Institut die Verluste auf 290 Milliarden Euro. Als erste Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verlor die deutsche Wirtschaft 2022 rund 100 Milliarden Euro, bevor die Verluste 2023 auf 145 Milliarden Euro und 2024 auf 200 Milliarden Euro anwuchsen. Mittlerweile, so die Studie, übertreffen die „Wirtschaftsausfälle durch Pandemie, Ukraine-Krieg und geopolitische Verwerfungen“ die Verluste der Krisen der letzten 25 Jahre. In den vergangenen fünf Jahren taxiert das IW die Einbußen auf 4,3 Prozent des tatsächlichen Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich:
- Strukturkrise 2001-2004: Verluste von 3,4 Prozent des tatsächlichen Bruttoinlandsprodukts des Fünfjahreszeitraums
- Finanzkrise 2008/09: Verluste von 4,1 Prozent des tatsächlichen Bruttoinlandsprodukts des Fünfjahreszeitraums.
Einbruch bei privaten Konsum kostet jeden Bürger 5.600 Euro – doch Investitionsstau ist schlimmer
Während der Pandemie sei vor allem der Einbruch des privaten Konsums ein wesentlicher Faktor für die wirtschaftliche Krise gewesen. Doch trotz Lockdowns, temporärer Schließungen von Gastronomie und Einzelhandel sowie globaler Lieferkettenprobleme blieben die Investitionsverluste vergleichsweise gering. Die gesamten Einbußen beim privaten Konsum beliefen sich in der Fünf-Jahres-Bilanz auf rund 470 Milliarden Euro – wodurch 5.600 Euro auf jeden Bürger entfallen.
Diese Tendenz veränderte sich mit Kriegsausbruch und der deutschen Energiekrise. So seien die Schadensbilanzen in dieser Zeit stärker von verlorenen Investitionen geprägt gewesen. Wenngleich die Bruttoanlageinvestitionen der vergangenen 20 Quartale mit rund 265 Milliarden Euro dennoch geringer ausfielen als die Konsumschäden, fallen die Nachwirkungen drastischer aus: Ausbleibende private und staatliche Investitionen bremsen laut Grömling langfristig gesehen umso stärker die Entwicklung in nahezu allen relevanten Wirtschaftsbereichen – und schränke zudem die Fähigkeit einer Volkswirtschaft ein, die großen Herausforderungen durch Digitalisierung, Transformation, Demografie und Geopolitik zu bewältigen.
IW-Konjunkturchef Grömling fordert günstige Energie, Steueranreize und weniger Bürokratie
„Deutschland befindet sich in seiner schwersten wirtschaftlichen Krise seit der Wiedervereinigung“, erklärte Grömling bei der Vorstellung der Studienergebnisse. „Corona und Ukraine haben die Investitionstätigkeit der Unternehmen fast zum Erliegen gebracht. Das senkt unser Produktionspotenzial auf Jahre hinaus.“ Dabei sieht der Ökonom eine Mitschuld der vergangenen Bundesregierungen, die den Standort Deutschland jahrelang vernachlässigt hätten.
Die künftige Regierung – aller Voraussicht nach um CDU und SPD – stehe vor der großen Aufgabe, die deutsche Wirtschaft aus der Rezession zu führen. Dafür müsse sie mit steuerlichen Anreizen, günstigerer Energie und weniger Bürokratie Investoren nach Deutschland lotsen – und den gravierenden Rückstand aufholen.
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