Für Janik Vieregg vom TSV 1880 Wasserburg ist mit seinem Treffer im ersten Fußball-Landesliga-Spiel seit eineinhalb Jahren ein langer Leidensweg zu Ende gegangen. Im Interview erzählt der 27-Jährige über die Reha und seine Gefühlslage nach dem Tor.
Wasserburg – Am Spielverlauf änderte das Tor nichts mehr, am Innenleben von Janik Vieregg aber sehr viel. Nach zwei Kreuzbandrissen (April 2023 und April 2024) und eineinhalb Jahre nach seinem letzten Fußball-Landesliga-Spiel kam der 27-Jährige Stürmer erstmals wieder für den TSV 1880 Wasserburg zum Einsatz und traf in der Nachspielzeit gegen Unterhaching II zum 1:2-Endstand. Für die Löwen war es ein ärgerlicher Abend, zugleich freuten sich Verantwortliche, Trainer und Mitspieler für Vieregg, der eine lange Leidenszeit hinter sich hat. In Neuried ließ Löwen-Coach Florian Heller seinen Stürmer nach dem kurzfristigen Ausfall von Daniel Kononenko und der Verletzung von Robin Ungerath ab der 76. Minute wieder von der Leine. Im Interview berichtet Vieregg über seine Gefühlslage nach seinem Tor und den langen Weg zurück auf den Rasen.
Herr Vieregg, nehmen Sie uns mit in Ihre Gefühlswelt.
Man denkt sich ja oft Szenarien aus, wie es laufen kann. Ein Rückstand ist nie die beste Situation für so eine Einwechslung, dementsprechend hektisch war es auch davor. Trotzdem habe ich mich riesig über das Vertrauen gefreut und fand auch, dass ich mich ordentlich reingefunden habe. Die Niederlage war unnötig, aber rein persönlich war es an dem Tag einfach ein tolles Gefühl.
Wasserburg: Landesliga-Stürmer Vieregg über seinen langen Leidensweg
Für einen Stürmer sind Tore essenziell. Hat dieser Treffer aber eine ganz besondere Bedeutung?
Der direkte Treffer freut mich natürlich riesig und das kann ich auch trotz der Niederlage nicht leugnen. Vor allem das Zusammenspiel mit Vinzenz Egger hat einfach perfekt geklappt, er hat direkt verstanden, was ich vorhabe. Persönlich hat er eher Symbolcharakter und steht für mich stellvertretend als eine Bestätigung dafür, dass sich alles, was ich in den letzten Monaten gemacht habe, jetzt schon gelohnt hat für mich.
Ihr Handy stand danach bestimmt nicht still.
Die Resonanz zuerst vom Team, das mir in der Zeit echt Halt gegeben hat, aber auch von Leuten, mit denen ich nicht täglich zu tun habe, zu spüren, bedeutet mir sehr viel. Es war einfach ein ehrliches Freuen für den anderen.
Lassen Sie uns über Ihre Leidenszeit sprechen, als das Kreuzband kurz nach dem Comeback wieder riss. Was war während der langen Verletzungspause am schlimmsten?
Gerade den Anfang habe ich schon als sehr schwer wahrgenommen. Du kommst zurück, fühlst dich gut und dann passiert das wieder. Während alle die Eröffnung der EM gefeiert haben wurde ich operiert – das ist einfach kein schönes Gefühl. Man sagt Urlaube ab und kann einfach praktisch alles, was man sportlich gerne macht nicht ausüben. Natürlich an erster Stelle den Fußball, aber auch am See mal Volleyball spielen ist halt nicht drin. Also definitiv ist der Kopf das Schwierigste, ich habe auch jetzt rückblickend erst so richtig gemerkt, wie schlecht es mir eigentlich mental ging.
Wie war es an Spieltagen?
Spieltage und Trainings anzuschauen, ist mir am Anfang sehr schwer gefallen. Jeder fragt dich, wie es geht und du hörst gerade an anderen Sportplätzen Sätze wie „Willst du nicht aufhören?“ oder „Das wird nichts mehr“. Das tut schon weh. Auch aufgrund dessen habe ich mich solchen Situationen anfangs eher ferngehalten. Zum Glück haben wir eine echt homogene Mannschaft mit guten Charakteren, was einen ein Stück weit auffängt. Dabei waren auch zwei, drei Leute, die immer wieder nachgefragt haben und mir so das Gefühl gegeben haben dennoch ein Teil zu sein.
200 Physio- und Arzttermine in 13 Monaten
Es ging also nicht nur um den Körper, sondern auch um den Geist.
Am Ende ist es glaube ich die Mischung. Einerseits war es für mich super wichtig Support aus meiner Familie und meinem engsten Freundeskreis zu spüren und andererseits war es die Einsicht, dass es abgesehen von den Dingen, die nicht in meiner Hand liegen, wie die Operation zum Beispiel, zu 100 Prozent meine Verantwortung ist, dass es sich verbessert. Da kannst du noch so viele aufbauende und motivierende Worte hören, am Ende bist du derjenige, der im OP liegt und du derjenige, der zuhause in der Motorschiene hängt, während andere am See sind oder wie in meinem Fall die EM feiern.
Wie trainiert man das Mentale?
Also zusammengefasst ist meine Erkenntnis, dass Sachen sind, wie sie sind, und man diese annehmen muss. Wenn ich nichts ändere, ändert sich auch nichts. In dem Zug habe ich einiges zum Stoizismus gelesen wie das Buch „Focus on what matters“ von Darius Foroux.
Wie haben Sie sich in der langen Reha immer wieder motiviert?
Im Verlauf habe ich mich an kleinen Erfolgen immer hochgezogen, sei es die erste Kniebeuge oder das erste Mal joggen. Darüber hinaus hat mir auch mein Trikot geholfen. Das hängt bis heute vor meinem Bett und ich habe das als meine „Trophäe“ ausgemacht und als Sinnbild für das Ziel genommen, das wieder vor einem Spiel anzuziehen, um mich immer daran zu erinnern, warum ich das alles mache. Es waren immerhin etwa an die 200 Physio- und Arzttermine in 13 Monaten. Wenn man dann die erste Zeit überstanden hat und ganz unscharf Licht am Ende des Tunnels sieht.