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Der TSV Polling macht nach 37 Jahren den Aufstieg klar – und das mit einer einzigartigen Mischung aus familiärem Zusammenhalt, Kampfgeist und einer Prise Humor. Beim Drama in Altötting sorgten drei Brüderpaare, ein tumber Rasenmäher-Roboter und eine nervenaufreibende Schlussphase für eine unvergessliche Nacht.
Altötting/Polling – Freitagabend (23. Mai), Flutlicht im Altöttinger Ludwig-Kellerer-Stadion. Vor der Saison hätten manche Fans des TSV Polling den Klassenerhalt unterschrieben. Neun Monate später gibt’s ein Fußball-Märchen, das selbst Hollywood als Drehbuch abgelehnt hätte, weil es „zu unrealistisch“ klingt. 2:1 beim TV Altötting, Meisterschaft in der A-Klasse 4, Rückkehr in die Kreisklasse nach 37 Jahren – trotz Elfer-Fehlschuss, doppelter Unterzahl des Gegners, Joker-Tor und Rasenmäher-Crash auf dem Platz.
150 Zuschauer sehen ein nervöses Top-Spiel. Altötting braucht den Sieg für den Relegationsplatz, Polling den für den Titel. Chancen verpuffen, bis Simon Wimpersinger 60 Sekunden nach Wiederanpfiff zusticht: 21. Saisontor, 1:0. „Ekstase, absolut erlösend“, jubelt der Torjäger. Doch nur neun Minuten später donnerte Altöttings Sascha Seehuber einen Freistoß in den Winkel: 1:1 – und später Zeitstrafe und Gelb-Rot für den Schützen. Drama-Faktor steigt.
Polling feiert Meisterschaft in Altötting zwischen Brüdern, Bier und einem Rasenmäher
In Minute 60 fährt plötzlich ein Rasenmäherroboter aufs Feld. Spieler beider Teams tragen das störrische Gefährt vom Rasen, das Stadion lacht – zwei Minuten Comedy im Nervenspiel. Trainer Manuel Mittermaier reagiert, bringt Johann Prametsberger (67.). Acht Minuten später schlägt der 19-Jährige zu: 2:1! „Ich war die Saison in der Jokerrolle. Natürlich tut es einfach gut, wenn man dann der Mannschaft mit dem Siegtreffer hilft. Heute feiern wir noch gscheit und reißen das Sportheim ab“, grinst der Youngster.
Bierduschen, Fangesänge, Meisterpokal – TSV Polling feiert den Aufstieg in die Kreisklasse
Alles klar? Von wegen. 81. Minute: erneut Elfmeter für Polling. Wimpersinger tritt an – und scheitert an Keeper Patrick Malz. Altötting, die ab der neuen Spielzeit einen neuen Übungsleiter an der Seitenlinie haben werden, drückt, kommt in doppelter Unterzahl zu einer Riesen-Chance in der Nachspielzeit. Polling-Torwart Stefan Donislreiter streckt das Bein, klärt spektakulär. „Unglaublich, sprachlos. Ich war einfach froh, dass es vorbei war. Also, dass ich das auch noch miterleben darf, hätte ich eigentlich nicht gedacht. Für mich ist noch mal ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt der 32-Jährige.
Drei Brüderpaare prägen diesen Triumph: die Wimpersingers, die Prametsbergers und die Habermeiers. Kapitän Moritz Wimpersinger brüllt ins Mikro: „Ist einfach geil. Wir sind ein direkter Dorfverein, lauter Brüder in der Mannschaft – sensationell.“ Der 35-jährige Mittermaier hebt das Familiäre hervor: „Wir sind keine Mannschaft, wir sind eine Familie. Und die Familie, um die Gebrüderpaare Wimpersinger, Prametsberger und Habermeier hat jetzt das geschafft, was schon lange keiner mehr geschafft hat in Polling.“ Worte, die sitzen – und erklären, wie aus dem Vorjahres-Beinahabsteiger ein Meisterteam wurde. 16 Siege, 4 Remis, 3 Niederlagen, 63 Tore, davon 51 durch die Brüderpaare. Letzter Aufstieg in die Kreisklasse, die damals B-Klasse hieß: 1988!
TSV Polling kehrt nach 37 Jahren zurück in die Kreisklasse
Der Coach steht nach Abpfiff in Bier getränkt: „Sehr schwierig, meine Gefühle in Worte zu fassen. Man arbeitet das ganze Jahr drauf hin. Das dauert noch ein bisschen, bis man das alles realisiert.“ Sein Fitness-Tracker mahnte ihn bei der grandiosen Parade seines Hintermanns mit „ruhig bleiben“: Jetzt kann aber der Meisterpuls rauf. Die bewegende Video-Botschaft des gesamten Staffs am Vorabend (22. Mai), welche auch auf Instagram die Runde machte – Physio, Athletiktrainerin, A-Jugend – rührte den 35-Jährigen fast zu Tränen: „Das war unglaublich motivierend und schön. Zum Mannschaftssport gehören alle dazu, nur so schafft man es.“
Simon Wimpersinger kündigt an: „Das Sportheim wird jetzt dann aufgesperrt und wahrscheinlich Samstagmorgen 6, 7 in der Früh frühestens zugesperrt.“ Bruder Moritz legt nach: „Ich möchte das Wochenende nur saufen. Gott sei Dank haben wir Freitag gespielt, weil jetzt können wir das ganze Wochenende durchsaufen.“ Noch vor zwölf Monaten stand Polling gerade mal sechs Punkte über dem Abstiegsstrich, heute thront es über der Liga. Das Rezept: Geschwister-Chemie, Trainer-Vertrauen, eiserner Wille. Donislreiters Fußparade wird in Polling so legendär sein wie der Rasenmäher-Crash – Kurioses gehört zu Aufstiegen dazu. In der Kreisklasse wartet ein anderes Tempo. Doch wer ein Jahr lang Last-Minute-Tore liefert, Platzverweise übersteht und Rasenroboter verjagt, hat keine Angst vor größeren Bühnen.
TSV Polling siegt beim TV Altötting und schnappt sich den Titel
Die Meistermacher sollten spätestens jetzt zu Hause sein – idealerweise in ihren Betten. Wenn nicht: Sie haben es sich verdient. Denn Polling hat gehalten, was keiner für möglich hielt und einen Traum wahr gemacht, den kaum einer aussprechen wollte: Dorf-Fußball kann immer noch Geschichten schreiben, die größer klingen als jede Profiliga. Prost, Polling und Gute Nacht – der Wecker für die Kreisklasse klingelt erst in fast drei Monaten. (mck)
