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Meinung

Lieber „all inclusive“ statt „inklusiv“ - Warum mein Kind ins Förderzentrum in Piding geht

Der Spielplatz des HPZ Piding
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Auf dem Spielplatz des HPZ Piding

Menschen mit Behinderung gehören in die Mitte der Gesellschaft. Um dies zu verwirklichen, hört man im Bildungsbereich immer ein Wort: Inklusion. Das heißt zum Beispiel: Alle Kinder, ob mit oder ohne Einschränkung, besuchen dieselbe Schule. Klingt gut, funktioniert aber nicht immer. Ein Erfahrungsbericht.

Piding – Erst kürzlich hat das Landratsamt einen neuen Leitfaden für Inklusion vorgestellt. Eltern und Betreuern soll so geholfen werden, wenn ein Kind mit Handicap in eine Regeleinrichtung integriert werden soll. Bei der Veranstaltung sprach auch eine Mutter über ihren Sohn, der im Autismus-Spektrum angesiedelt ist. Dieser hat zunächst den dörflichen Kindergarten besucht. Inzwischen geht er in die Grundschule und wird bald auf die Realschule wechseln. Eine Erfolgsgeschichte. Auch ich war gerührt, als ich davon hörte. Und in diesem Fall hat die Mutter wohl genau die richtige Entscheidung getroffen.

Inklusion kann aber auch schief gehen

Doch nicht immer läuft es mit der Inklusion so glatt. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Denn mein Sohn hat eine schwere Sprachbehinderung. Schon mit etwa zwei Jahren war klar, dass er entwicklungsverzögert ist und auch mit der Motorik Schwierigkeiten hat. Ein Ordner voller Befunde zeugen von den vielen Untersuchungen und Therapien, die er hatte. Da er aber alles in allem dennoch recht „normal“ wirkt, dachte ich zunächst auch sofort an Inklusion.

Der nächste Kindergarten mit Inklusion war zwar nicht bei uns im Dorf, aber immerhin nur ein paar Kilometer entfernt. Beim Schnuppern war ich gleich begeistert: Es gab in der Gruppe bereits ein Kind mit Down-Syndrom. Doch über die Wochen, die mein Sohn dort verbrachte, wurde schnell klar, dass es so nicht funktioniert. Niemand wusste so recht etwas mit ihm anzufangen. Da er ein sehr ruhiges Kind ist, saß er am Fenster, sobald ich ihn hingebracht hatte. Und er saß auch dort, wenn ich ihn abgeholt habe. Den Betreuerinnen mache ich da gar keinen Vorwurf, denn sie wussten einfach zu wenig über die spezielle Förderung Bescheid, die er gebraucht hätte. Außerdem hatten sie auf rund zwanzig Kinder zu schauen. Den meisten Aktionen in der Gruppe konnte er nicht folgen. Er lief einfach so mit, ohne weiter aufzufallen. Weiterentwickelt hat er sich in dieser Zeit gar nicht.

Bessere Förderung in der Spezialeinrichtung

Im Gespräch mit der Frühförderstelle wurde mir dann vorgeschlagen, ihn ins Heilpädagogische Zentrum Piding (HPZ), einer Außenstelle des Behandlungszentrum Aschau, zu geben. Anfangs überlegte ich, ob das wirklich nötig ist: Eine Einrichtung für behinderte Kinder. So schwer behindert ist mein Sohn ja nicht! Und auch ein bisschen Scheu war dabei, schließlich hatte ich bis auf meinem Sohn noch nicht viel Erfahrung mit Menschen mit Behinderung. Hier verlief das Schnuppern jedoch ganz anders: Die drei Betreuer hatten genug Zeit, sich intensiv mit den neun Kindern zu beschäftigen.

Mein Sohn wird inzwischen seit zehn Jahren vor der Türe abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Nach dem Kindergarten wechselte er in die Grundschule des HPZ. Inzwischen besucht er die 7. Jahrgangsstufe der Mittelschule, wo es auch Aktionen mit einer Partnerklasse der Regel-Mitteschule in Piding gibt. Er kommt also durchaus auch mit nicht-behinderten Kindern in Kontakt. Im Anschluss kann er noch zur Berufsschule gehen. In der Tagesstätte haben die Kinder ihre ganzen Therapien. - Eine große Entlastung für berufstätige Eltern. In der Klasse gehört mein Sohn zu den fitteren, was ihn zum einen stolz macht und sein Selbstbewusstsein fördert. Zum anderen darf er sich auch um die Schwächeren kümmern, was ihn zu einem sehr empathischen und sozialen Menschen gemacht hat.

Inklusion benötigt mehr als nur die Kinder in die Regelschule zu geben

Kinder mit Behinderung gehören in die Mitte der Gesellschaft. - Das sehe ich auch so. Und ich freue mich für jedes Kind, bei dem Inklusion funktioniert. Inklusion ist nicht nur wichtig für Betroffene, sondern auch für die anderen Kinder und deren Eltern. Berührungsängste können so abgebaut und Toleranz gefördert werden. Dennoch frage ich mich, was sie meinem Sohn bringen würde. Er ist jetzt 13 Jahre alt und lernt gerade lesen, schreiben und rechnen. - Der Stoff ist an sein Tempo angepasst. Was hätte er also davon, den ganzen Tag in einer 7. Klasse einer Regelschule zu sitzen? Was würde er dort lernen? Welcher Lehrer hätte neben allem anderen noch die Zeit, mit ihm zu lesen oder rechnen zu üben?

Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert in Artikel 24, dass Kinder mit Behinderung nicht vom regulären Bildungswesen ausgeschlossen werden dürfen. Dabei sollen auch Vorkehrungen für ihre Bedürfnisse getroffen werden. Doch werden diese wirklich getroffen? Für eine gelungene Inklusion müsste viel mehr Fachpersonal an den Schulen sein, um die Lehrer bei dieser schwierigen Aufgabe zu entlasten. Ein Schulbegleiter allein reicht da oft nicht. Zudem müssten auch im Rahmen der Nachmittagsbetreuung Therapien bereit stehen. Vor allem aber mangelt es an der Wertschätzung der Sozialberufe, die auch in Münze ausgedrückt werden muss. Alles in allem also eine große Investition ins Bildungssystem. Will und kann das unsere Gesellschaft leisten? Inklusion hört sich großartig an, aber es müssen dafür auch die Hausaufgaben von Seiten der Politik gemacht werden.

Die Entscheidung, welchen Kindergarten und welche Schule ein Kind besucht, liegt allein bei den Eltern. Wichtig hierbei ist, die Bedürfnisse des eigenen Kindes nicht aus den Augen zu verlieren und nicht daran zu denken, was Verwandte oder Freunde sagen, wenn das Kind in eine Fördereinrichtung geht. Es geht ausschließlich um das Wohl des Kindes. Für viele mag Inklusion der richtige Weg sein und auch gut funktionieren. Ich habe mich aber für das „All-inclusive-Paket“ statt für Inklusion entschieden, denn hier wird mein Kind optimal gefördert. Ähnlich sieht es auch der Schuldirektor Gerhard Spannring vom HPZ. Er meinte in einem Gespräch: „Wir sind halt exklusiv, das klingt doch gar nicht so schlecht.“

mf

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