Dorothea Perkusic beantwortet Fragen rund um „Leben“ und „Liebe“
Was können wir tun, um nach einem Streit weniger lang beleidigt zu sein?
In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können unsere Leser Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.
Frage eines Mannes:
Meine Frau und ich streiten viel und das schon, seit wir uns kennen. Das sind jetzt 19 Jahre. Ich kann es schlecht beschreiben. Unsere Streits und Diskussionen sind hitzig und manchmal sind wir auch beide richtig verletzend. Aber meistens hat es auch etwas lustiges und wir können einfach nicht anders. Einer kocht wegen einer Kleinigkeit hoch und dann gehts los. Ansonsten verstehen wir uns wirklich gut, haben den selben Humor und viel Spaß. Meine Frage ist nicht, wie wir aufhören können uns zu streiten. Das Problem ist eher, dass einer von uns beiden danach ewig beleidigt ist. Versöhnungssex hat bei uns übrigens noch nie gezogen. Was könnten wir tun, um nach einem Streit wieder schneller zueinander zu finden?
Antwort von Dorothea Perkusic:
Sie beschreiben Streit als Teil Ihrer Beziehungskultur und möchten daran an sich nichts ändern. Dies finde ich einen interessanten Aspekt. Denn damit nehmen Sie nicht resigniert einen Zustand hin, der schlecht für Sie ist. Vielmehr akzeptieren Sie die Art und Weise wie Sie miteinander streiten und diskutieren, als Teil Ihres individuellen und konstruktiven Diskurses. Streit bedeutet für Sie beide also nicht per se etwas negatives, zerstörerisches, sondern ist Teil Ihrer Kommunikation oder auch ein Weg, wie Sie sich aneinander/miteinander entladen.
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Durch Streit und Diskussionen findet bei Ihnen beiden ein sehr dynamischer Austausch statt. So bringen Sie Bewegung in Ihre Beziehung und Möglichkeit zur Veränderung und Weiterentwicklung. Darüber hinaus bedeutet Streit, sofern er nicht bösartig und respektlos geführt wird, dass Sie weiterhin Interesse aneinander und an der Auseinandersetzung mit Ihren Personen und Ihrer Beziehung haben. Das ist eine gute Voraussetzung. Das soll natürlich nicht bedeuten, dass alle sofort mehr streiten sollen. Jedoch kann gar nicht zu streiten ein ebenso großes Warnsignal sein, wie emotional gewalttätiges Streiten.
Die Herausforderung für Sie könnte darin liegen, Streit und aufgebrachte Diskussionen nicht generell als gegeben hinzunehmen. Hinterfragen Sie bei aller Akzeptanz bitte trotzdem noch, ob einer von Ihnen falsch abgebogen ist, was der Grund für den Unmut oder die herbeigeführte Entladung ist. Vor allem nehmen Sie sich bitte ernst. Auch wenn die Diskussion oder die Sätze die Sie sich gegenseitig um die Ohren schleudern wie ein witziges „raufen“ sind, so kann die Botschaft dahinter doch etwas wichtiges oder sensibles sein. Hier entsprechend nachzuhaken und im richtigen Moment deeskalierend zu wirken, ist eine echte Herausforderung und unerlässlich, um nachhaltige Verletzungen zu vermeiden.
Wenn Sie danach beide beleidigt sind, dann könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass jeder von Ihnen noch etwas Zeit braucht, bockig ist, auf eine Entschuldigung wartet, Klärung braucht. Schmollen kann auch ein kindlicher Versuch sein, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sich der eigenen Verantwortung zu entziehen. Nachdem hitziges Streiten sehr anstrengend sein kann, könnte der beleidigte Rückzug auch eine Erholungsphase einläuten die so, mehr oder weniger bewusst, herbeigeführt wird.
Gönnen Sie sich nach einem Streit beide eine Pause und atmen Sie erst einmal durch. Toll wäre, wenn Sie beide sozusagen „abklatschen“ und verabreden, dass nun erst einmal jeder den Rückzug antreten darf, Sie sich aber gegenseitig nicht emotional allein lassen. Dies könnte so aussehen, dass Sie sich nach einem Streit sagen, dass Sie sich lieben, auch wenn Sie sich augenblicklich gar nicht leiden können und genervt sind, dass Sie sich gegenseitig wichtig sind, dass sie sich jetzt etwas zurückziehen und dann irgendwann, anstelle von Versöhnungssex mal eine innige Umarmung ausprobieren. Das mag sich zunächst komisch anfühlen, immerhin muss dafür jeder seine beleidigte „Komfortzone“ verlassen, kann aber schnell eine Stagnation auflösen.
Versuchen Sie generell, zu verstehen was sie beide brauchen und worum es wirklich geht. Nehmen Sie die Argumentationen und Sichtweisen ernst, auch wenn Sie gerade genervt oder bockig sind. Wenn Verständnis gar nicht möglich ist, dann bleibt noch der Weg der Akzeptanz. Jeder hat seine eigenen Wahrheiten, Sichtweisen und Gefühle. Darüber können Sie jahrelang streiten oder Sie hören auf, sich gegenseitig ständig in Frage zu stellen oder dementieren zu wollen. Damit zeigen Sie sich, dass sie sich ernst nehmen und die Andersartigkeit des Partners/der Partnerin anerkennen und respektieren. Und das Wichtigste ist: damit lassen Sie sich nicht allein, auch wenn Sie wütend sind. Wer streitet braucht dann auch Trost und sich diesen gegenseitig beruhigend zu spenden bedeutet nicht, klein bei zu geben, sondern Größe zu zeigen und über sich hinauszuwachsen und sich dann wieder auf das zu konzentrieren, was Ihre Beziehung ausmacht: Liebe und Zuneigung. Viel Spaß!
Dorothea Perkusic
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