Dorothea Perkusic beantwortet Fragen rund um „Leben“ und „Liebe“
Ich verkrampfe wenn ich mit meinem Freund intim bin - woran kann das liegen?
In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können unsere Plus-Abonnenten Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.
Frage einer Frau:
Ich habe seit einiger Zeit Probleme beim Sex mit meinem Freund. Ich kann mich dabei nicht richtig entspannen. Mein Freund sagt, ich würde „unten“ immer zukneifen. Kann das eine Muskelverspannung sein? Oder kann das an Stress oder auch sogar an den Antidepressiva liegen, die ich seit über einem Jahr schon einnehme? Ich habe gelesen, dass Nebenwirkungen in Form von Orgasmusstörungen und Erektionsstörungen auftreten können. Mein Freund ist außerdem leider nicht besonders einfühlsam und mag sehr schnellen Sex, was ich nicht so mag. Er hat mir gesagt, dass es ihn stört, dass ich es lieber langsamer möchte, was mich auch sehr unter Druck setzt. Ich bin wirklich verzweifelt. Wir kennen uns erst ein paar Monate und ich verstehe nicht, warum ich mich bei ihm nicht so fallen lassen und entspannen kann. Ich hatte früher nie Probleme beim Sex und auch meine Partner haben sich nie beschwert. Ich war vorher 19 Jahre mit meinem Ex zusammen. Jetzt ist alles neu für mich. Kann es sein, dass ich mich nicht auf einen neuen Mann einlassen kann?
Antwort von Dorothea Perkusic:
Ich möchte Sie gerne ganz deutlich für Ihr eigenes Wohlbefinden sensibilisieren und motivieren, auf das zu achten und das ernst zu nehmen, was SIE brauchen. Es ist schön, dass Sie sich Gedanken darüber machen, was Ihr Partner braucht und schön findet. Jedoch ist gemeinsamer Sex keine Einbahnstraße und nicht allein seine Wünsche haben Priorität. Es ist nicht weniger relevant, wie es Ihnen geht und was Ihnen gut tut und gefällt.
Mein Fokus liegt auf Ihrer Feststellung, dass Sie sich mehr Zeit und Langsamkeit wünschen und das auch brauchen. Das ist völlig normal. Beim Sport wärmt man die Muskulatur schließlich auch erstmal auf, weshalb also nicht beim Sex? Zudem befinden Sie sich in einer neuen Lebenssituation mit einem neuen Partner. Das braucht eben seine Zeit.
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Das Problem liegt aus meiner Sicht zum einen darin, dass Sie nicht für sich und Ihre Bedürfnisse einstehen. Umso schöner, dass Sie diese Frage gestellt haben und sich damit auseinandersetzen. Zum anderen liegt das Problem auch auf der Seite Ihres Freundes. Er darf sich fragen, weshalb er Sex nur unter Tempo und Druck „genießen“ kann und weshalb er keine Interesse daran hat, einfühlsamer mit Ihnen umzugehen. Natürlich fühlen Sie sich unter Druck, denn schließlich bewertet Ihr Freund Ihre Bedürfnisse als negativ und setzt Sie damit unter Druck.
Die meisten Frauen und im Übrigen auch Männer schätzen beim Sex Langsamkeit, Zeit sich einzustimmen, erregt zu werden, berührt zu werden. Dies schließt nicht aus, dass es auch für Sie durchaus reizvoll sein kann, während des Liebesspiels an Tempo und Intensität zuzulegen. Nur eben nicht stets gleich von vornherein und andauernd. Es sollte Ihrem Freund ein Bedürfnis sein, Sie und Ihren Körper kennenzulernen und herauszufinden, was Ihnen gut tut und was Sie brauchen. Schließlich setzen Sie sich ebenso mit seinen Bedürfnissen auseinander und gehen dafür leider sogar über Ihre eigenen Grenzen. Fragen Sie ihn doch mal, weshalb er so einen Stress hat bei der, wie man so gerne sagt, „schönsten Nebensache der Welt“ und dabei, diese ausgedehnt zu genießen.
Männer, die beim Sex so sehr auf Tempo setzen, sind selbst meist nicht entspannt. Vielleicht plagen Ihren Freund Versagensängste, dass er sonst nicht lange genug durchhält, wenn er sich nicht ganz auf seine Performance konzentriert. Wo bleibt Platz für Kreativität, gemeinsames Ausprobieren, Verwöhnen und Genießen? Ich kann nicht ausschließen, dass er sich eventuell schlichtweg nur für sich selbst interessiert. Dann sollten Sie das Weite suchen.
Sie dürfen sich und Ihrem Körper vertrauen. Ihr Körper zeigt Ihnen, was er braucht, damit Sie locker lassen, entspannen und sich einlassen können. Druck löst immer Spannung aus und Anspannung macht die Muskeln und das Gewebe hart und undurchlässig. Wenn Sie also zusammenkneifen, bewusst oder unbewusst, dann tun Sie richtig daran zu überlegen, woran es liegen könnte, dass Sie nicht entspannt sind. Letztlich ist es ein Schutz. Ihr Körper versucht Sie vor etwas zu schützen, was Ihnen nicht gut tut und wozu Sie (noch) nicht bereit sind. Ist das nicht toll, dass Ihr Körper Ihnen hier etwas deutlich macht, was Sie in Ihrer Seele versuchen zu übergehen? Trauen Sie sich, sich zu überlegen, was Sie brauchen und stellen Sie sich selbst in den Mittelpunkt.
Bei der Einnahme von Antidepressiva können sexuelle Störungen während der Therapie auftreten. Je nach Medikament und Dosierung können Nebenwirkungen unterschiedlich ausfallen. Die Libido kann stark beeinträchtigt sein und es ist auch möglich, dass es länger dauert, bis Sie in Stimmung kommen und Erregung verspüren. Möglicherweise erleben Sie sexuelle Erregung gedämpfter oder weniger intensiv. Es kann mehr Zeit brauchen, bis Sie sexuell erregt sind. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin über mögliche Nebenwirkungen und die Dosierung Ihres Medikaments. Doch dies ist aus meiner Sicht eher weniger das Problem.
Das Wichtigste: Nehmen Sie sich und die Signale Ihres Körpers und Ihrer Seele bitte ernst. So lange Sie selbst Ihre Bedürfnisse nicht beachten, sich selbst nicht wichtig genug nehmen, so lange werden Sie Kompromisse eingehen, die Ihnen schaden. Passen Sie gut auf sich auf, Sie haben nicht weniger verdient, als auf allen Ebenen glücklich und erfüllt zu sein!
Dorothea Perkusic
Schreiben Sie an Einzel-, Paar- und Sexualtherapeutin Dorothea Perkusic. Alle Fragen werden beantwortet, ausgewählte anonymisiert veröffentlicht.
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