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Mit Datengrafik

Wohnungsnot und Leerstand gleichauf – wieso Deutschland trotzdem in einer Wohnkrise steckt

Deutschlandweit fehlen über 600.000 Wohnungen. Fast gleich viele Wohnungen stehen aber bezugsbereit leer. Diese Grafik zeigt die Schieflage des deutschen Wohnungsmarkts.

Berlin – Der Wohnneubau ist eingebrochen, bundesweit fehlen mindestens 600.000 Wohnungen. Die Bundesregierung will Zuversicht verbreiten, Branchenverbände dagegen zeichnen ein düsteres Bild und eine sich weiter verschärfende Baukrise. Was also tun, wenn sich neue Wohnungen nicht mehr finanzieren, die Menschen aber irgendwo leben müssen? Ein selten beachteter Faktor sind leerstehende und schon jetzt bezugsfertige Wohnungen. IPPEN.MEDIA hat Daten zum Leerstand in ganz Deutschland ausgewertet und zeigt, wo der Wohnungsmarkt am angespanntesten ist – und wo die Suche leicht fällt.

Wohnungsnot in Städten: In München ist eine von 1000 Wohnungen frei

In Deutschland stehen laut Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung derzeit etwa 1,8 Millionen Wohnungen leer. Viele davon sind jedoch sanierungsbedürftig und nicht bewohnbar. Der sogenannte marktaktive Leerstand, also Wohnungen, die unmittelbar oder mittelfristig vermietbar sind, lag laut neuesten Daten des Wirtschafts- und Sozialforschungsinstituts Empirica Ende 2022 bei 554.000. Beim Blick auf die Verteilung dieser leerstehenden Wohnungen werden schnell große Unterschiede klar. In Metropolregionen herrscht massive Wohnungsknappheit. So sind in Frankfurt am Main von 1000 Wohnungen nur zwei frei, ein Schnitt von 0,2 Prozent. In Berlin sind es drei, München liegt mit einer freien Wohnung auf dem negativen Spitzenplatz.

Anders dagegen sieht es in Teilen Mittel- und Ostdeutschlands sowie dem Süden Rheinland-Pfalz aus. So stehen in der Südwestpfalz 84 von 1000 Wohnungen leer. Im Landkreis Greiz in Thüringen sind es sogar 13,5 Prozent aller Wohnungen. Zum Vergleich: In Fachkreisen wird zwischen drei und fünf Prozent von einem angemessenen Leerstandniveau gesprochen, um etwa Umzüge zu ermöglichen.

Unausgeglichener deutscher Wohnungsmarkt

Mit einem marktaktiven Leerstand von insgesamt 2,5 Prozent liegt Deutschland also etwas unter der Wunschmarke. Problematisch ist die Verteilung. In weniger als einem Viertel der Kommunen befindet sich der Wohnungsmarkt im Gleichgewicht.

Die über eine halbe Million leerstehenden Wohnungen geraten nun in den Fokus, weil die Baubranche in einer tiefen Krise steckt und Mieten rasant steigen. Zwar haben sich die Baupreise zuletzt verringert und die Bundesregierung will mit Förderungen neue Reize setzen. Trotzdem wird die Zielmarke von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, die es im Kampf gegen die Not bräuchte, seit Jahren weit verfehlt.

Der Neubau stagniert

Der Verband der Deutschen Bauindustrie zieht für Anfang 2024 ein bitteres Fazit: „Bei Neu- und Umbauten wurden nur noch 16.800 Wohnungen genehmigt, dies war ein weiterer deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahresmonat um 23,5 Prozent“, heißt es vom Verband gegenüber unserer Redaktion. „Besonders dramatisch ist die Situation im Eigenheimbau: Bei Ein- und Zweifamilienhäusern ist sogar ein Genehmigungsrückgang von 37,8 Prozent zu verzeichnen. Nicht viel besser sieht es im Mietwohnungsbau mit einem Rückgang von 20,0 Prozent aus.“

Deutschlandweit fehlen über 600.000 Wohnungen. Gleichzeitig stehen aber auch Hunderttausende bezugsfertig leer.

„Allein mit Umwidmung, Aufstockung und Nachverdichtung wird diese Mammut-Aufgabe nicht zu schaffen sein“, sagt der Bauverband. Müssen Menschen, die in Städten mit Wohnungsnot leben, künftig also aufs Land ziehen, um noch einen Ort zum Leben zu bekommen? Jens Carstensen, Vorstand des Immobilienbewertungsunternehmens bulwiengesa geht zumindest davon aus, dass sich die anhaltende Krise des Neubaus „stabilisierend auf die Leerstands-Situation auswirken wird.“

Die Bundesregierung will Regionen mit Leerstand attraktiver machen

Neben der reinen Wohnungsnot, braucht es aber auch Anreize, in (noch) strukturschwache Regionen zu ziehen, findet die Bundesregierung. Deshalb arbeitet das Bauministerium gerade an der sogenannten „Handlungsstrategie Leerstandsaktivierung“, wie es gegenüber IPPEN.MEDIA erklärt. „Ziel ist es, in den Regionen mit besonders hohem Leerstand durch die Verbesserung der Anbindung im öffentlichen Personennahverkehr, der Ansiedlung von Arbeitsplätzen, durch bessere Fördermöglichkeiten für Bestandssanierung sowie einem Wissenstransfer zwischen betroffenen Kommunen die Attraktivität dieser Orte zu erhöhen, um marktaktive leerstehende Wohnungen in die Nutzung zu bringen.“

Die Erkenntnisse beim Blick auf den deutschen Leerstand sind also vielfältig. Zwar gibt es mit über 550.000 schnell bezugsfertigen Wohnungen ein großes Angebot, jedoch liegen diese oft in Regionen, die für viele aus verschiedenen Gründen nicht das optimale Lebenszentrum sind. Im Gesamtschnitt ist der Leerstand bundesweit außerdem nicht auf einem zu hohen Niveau, gerade in Städten ist er zu gering. Angesichts des fehlenden Neubaus, der laut Experten auch in den kommenden Jahren nicht ausreichend anlaufen wird, gerät der Leerstand trotzdem in den Fokus. Entscheidend wird sein, ob es der Bundes- und Kommunalpolitik, ebenso wie Unternehmen und der Gesellschaft gelingt, Regionen mit hohem Leerstand abseits der freien Wohnung zu attraktiven Orten zum Leben zu machen.

Rubriklistenbild: © MAGO / JOKER / Walter G. Allgöwer

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