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Parteitag nach Wahlerfolg

„Wiederbelebung“ mit Risiken: Wie die Linke mit dem Ansturm neuer Mitglieder umgeht

Die Linke erreicht neue Rekordzahlen und trifft sich zum Parteitag. Die Stärke birgt Chancen und Gefahren – etwa durch Sahra Wagenknecht.

Chemnitz/ Berlin – Die Linke befindet sich im Hoch. Nach der Abspaltung des BSW war die Partei bereits totgesagt. Doch in den Wochen und Monaten vor der Bundestagswahl gelang die Trendwende, mit der kaum jemand gerechnet hat. 8,8 Prozent der Zweitstimmen erhielt die Partei, die Mitgliederzahl hat sich in nur vier Monaten verdoppelt. Auf dem Parteitag am Wochenende in Chemnitz wollen die Delegierten diese Erfolge feiern. Doch der Linken-Hype birgt auch Gefahren.

Mitglieder-Rekord bei den Linken

Besonders junge Menschen sehen in der Linken ihre politische Heimat, bei 18- bis 24-Jährigen wurde sie stärkste Kraft (hinter der AfD). Das liegt wohl in großen Teilen an dem politischen Shootingstar in den sozialen Netzwerken: Linken Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek. Sie überzeugte auf Social Media mit wieder in den Fokus gerückten linken Kernthemen: Gerechtigkeitsfragen wie bezahlbares Leben und Wohnen. Kurz vor dem Parteitag gab die Partei bekannt, dass sie nun 112.000 Mitglieder hat; 55.000 davon seien allein in diesem Jahr beigetreten, wie T-Online berichtet.

Sie ist der Shootingstar der Linken: Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek ist besonders in den sozialen Netzwerken berühmt und hat bei der Bundestagswahl etliche junge Menschen von der Linken überzeugt.

Bundesgeschäftsführer Janis Ehling zeigt sich gegenüber dieser Redaktion froh über die Entwicklung seiner Partei: „Wir erleben, dass ein sehr großer Teil der Neumitglieder richtig Bock hat, sich praktisch zu engagieren. Die Motivation ist sehr hoch und teilweise werden damit neue Projekte angestoßen, an die vorher nicht zu denken war“, so Ehling. Gerade in zuletzt überalterten Kreisverbänden freuen sich die „alten Hasen“ über die „Wiederbelebung“, so der Linken-Politiker.

Gehören die Streitigkeiten bei den Linken der Vergangenheit an?

Doch das plötzliche Wachstum bringt Herausforderungen mit sich; neben organisatorischen vor allem inhaltliche. Gerade bei den tausenden jungen Neumitgliedern darf die Frage gestellt werden, wie sehr sie sich abseits kurzer Social-Media-Videos mit der Partei und ihren Inhalten auseinandergesetzt hat. Kennen sie alle Positionen und noch wichtiger: stehen sie dahinter? Dass hier ein Problem anwachsen könnte, sagt die Partie nicht offen. Geschäftsführer Ehling macht aber klar, dass man seine neuen Genossinnen und Genossen an bestimmte Prozesse heranführen will. „Zusätzlich bieten wir bundesweit Bildungsangebote, zu Inhalten, aber auch zu praktischen Handwerkszeug der Parteiarbeit. Natürlich bringen neue Menschen neue Ideen mit, und da wird es hier und da auch Gesprächsbedarf geben. Wenn wir etwas gelernt haben in den letzten Jahren, dann, wie wichtig eine gute Diskussionskultur ist.“

Linken-Parteichef Jan van Aken (Mitte) brachte seine Partei mit 8,8 Prozent überraschend stark in den Bundestag. Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA Bundestagsreporter Moritz Maier (links) rief er Ende 2024 das damals ambitioniert klingende Ziel von sieben Prozent aus.

Damit umschreibt Ehling, was die Linke in den vergangenen Jahren an den Existenzrand gebracht hat: Parteiinterne Streitereien, die so offen ausgetragen wurden, dass sich kaum noch neue Wählerinnen und Wähler fanden. Und tatsächlich hat es die neue Parteiführung um Ines Schwerdtner und Jan van Aken nach der BSW-Abspaltung geschafft, einen klaren Kurs vorzugeben, hinter dem sich die Partei in großen Teilen gestellt hat.

Wie stehen die Linken-Mitglieder zu Israel?

Auf dem Parteitag gilt es nun, eine gemeinsame Linie zu verstärken. Das wird auch im Leitantrag des Parteivorstands klar, der in Chemnitz zur Abstimmung gestellt wird. Dort wird auf programmatische Ziele hingewiesen: die Bekämpfung hoher Lebenshaltungskosten, die Stärkung der Sozialsysteme und den Kampf gegen Rechts. Außerdem steht der Vorstand zu Fehlern der Vergangenheit, „es fehlte ein gemeinsamer strategischer Plan, der zentrale Bereiche unserer Parteiarbeit sinnvoll miteinander verbindet“, heißt es im Leitantrag. In den vergangenen 1,5 Jahren habe man das aber geändert.

Trotz der für die Linke vielen Positivnachrichten zeigt sich vor dem Parteitag, dass nicht alle typischen Parteistreitereien und Konfliktherde einfach aufgelöst werden konnten. So fällte der Parteivorstand am Donnerstag (8. Mai) noch den Beschluss mit dem Titel: „Das Existenzrecht des Staates Israel ist für uns nicht verhandelbar.“ Darin wird an die Mitglieder appelliert, jene Darstellungen nicht zu veröffentlichen oder umgehend zurückzuziehen, „die unter dem Deckmantel der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung die Existenz Israels negiert oder die Auslöschung Israels propagiert.“

BSW-Rückkehrer zur Linken?

Dass ein solcher Aufruf überhaupt geschlossen werden muss, nachdem sich im vergangenen Jahr van Aken (der selbst in Tel Aviv lebte) um eine ausgewogene Haltung im Nahost-Kontext bemühte, zeigt, wie viel Konfliktpotenzial noch oder wieder in der Partei steckt. In den sozialen Netzwerken entbrannten bereits Debatten über das Existenzrecht Israels und wie die Haltung zur israelischen Politik gegenüber den Palästinensern mit der Linken-Parteimitgliedschaft in Einklang stehe.

Der Parteitag dürfte unter anderem solchen Fragen gelten, auch, wenn sie nicht auf offener Bühne besprochen werden. Es gilt, neuen Mitgliedern zu zeigen, wohin die Partei derzeit steuert, wofür sie abseits kurzer Wahlkampfparolen steht und um einen breiten Meinungsaustausch. Mit Spannung dürfte künftig auch beobachtet werden, wie die Linke mit möglichen BSW-Rückkehrern verfährt. Nachdem die Wagenknecht-Partei nicht in den Bundestag eingezogen ist und vor dem inneren Bruch steht, könnten so manche Ex-Linke nochmal bei der alten Liebe anklopfen und einen neuen Versuch erbeten. Auf lokaler Ebene ist das vereinzelt bereits passiert. Doch die Parteiführung muss sich eine Strategie überlegen, wie man mit dieser Möglichkeit auf Bundesebene umgeht und, ob man sich die Streithähne von früher wieder ins ohnehin größer gewordene Boot zurückholt.

Rubriklistenbild: © Kira Hofmann

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