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Interview
Neuer Linken-Chef zur strauchelnden Wirtschaft: „Das Geld ist da, man muss es nur bei den Richtigen holen“
Jan van Aken übernimmt eine Partei in der Krise. Im Interview spricht er über einen Antisemitismus-Eklat in der Linken, seine hohen Ziele für die kommende Wahl und – natürlich – Sahra Wagenknecht.
Berlin – Gemeinsam mit Ines Schwerdtner bildet Jan van Aken den neuen Parteivorsitz der Linken. Van Aken ist bei Hamburg aufgewachsen und war eigentlich schon aus der Politik heraus. Nun kehrt der ehemalige UN-Biowaffeninspekteur zurück. In der von Streitereien gebeutelten Partei will er Ruhe bringen. Van Aken lebte in Tel Aviv, ist um eine ausgewogene Nahost-Politik bemüht und reist nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt in die Ukraine – wo die deutschen Linken lange nicht gern gesehen waren. Einen Tag vor seiner Abreise spricht er im Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz mit IPPEN.MEDIA über die Herausforderung einer existenziell bedrohten Partei.
Linke streitet über den Krieg in Nahost
Herr van Aken, Sie sind seit einigen Tagen neuer Vorsitzender der Linken. Wie geht es der Partei?
Es ist alles viel besser, als ich dachte. Ich war drei Jahre lang raus aus dem Parteivorstand und habe die Entwicklungen nur aus der Ferne mitbekommen. Jetzt habe ich angefangen, etliche Kreisverbände der Linken zu besuchen und bin richtig begeistert: Die Partei ist quicklebendig, es treten Tausende junge Menschen ein, alle brennen für ihre Anliegen.
Der Bundesparteitag in Halle lief für Linken-Verhältnisse auch recht harmonisch ab, Sie haben sich auf einen gemeinsamen Beschluss zu einem Waffenstillstand in Nahost geeinigt. Für Ihre Partei nicht selbstverständlich, oder?
Der Einigung ging harte Arbeit voraus. Ines Schwerdtner und ich haben viele Stunden verhandelt und gute Diskussionen geführt, so dass am Ende kein langweiliger Formelkompromiss, sondern eine echte und gute gemeinsame Position herausgekommen ist.
Der Beschluss fordert ein Ende der Gewalt in Gaza und die Freilassung der israelischen Geiseln. Ein paar Tage später kamen dann der Parteitag der Berliner Linken und ein heftiger Antisemitismus-Streit. Viele gestandene Linke traten nun sogar aus, weil die Partei sich nicht klar genug gegen Antisemitismus abgrenze und für die Ukraine einsetze.
Das ist ein falscher Eindruck, der da entstanden ist. Die meisten prominenten Linken aus Berlin haben in einer gemeinsamen Erklärung klargemacht, dass sie gegen jede Form von Antisemitismus und Rassismus stehen und Die Linke weiterhin als ihre politische Heimat ansehen. Auf diese Grundsätze haben wir uns auch in Halle geeinigt. Den Ausgetretenen steht die Tür zurück zur Linken jederzeit offen.
VW-Werksschließungen eine „Riesensauerei“
Was feststeht: Der Eindruck einer zerstrittenen Linken dürfte bei vielen auch nach Sahra Wagenknechts Zeit in der Partei bleiben. Diese läuft Ihnen mit dem BSW den Rang ab. Wieso sollte man die Linke überhaupt noch wählen?
Weil wir die einzigen sind, die knallhart gegen die Reichen und Mächtigen in die Konfrontation gehen. Wir streiten mit denen, die unseren Reichtum klauen. Bei VW sollen jetzt drei Werke geschlossen und Mitarbeiterinnen entlassen werden. Die verbleibenden Werksarbeiter sollen Lohnkürzungen hinnehmen und einfach ihre Klappe halten. Und dann lese ich, dass allein die Familie Piëch und Porsche als VW-Großaktionäre im letzten Jahr 1,4 Milliarden Euro an Dividenden ausgezahlt bekommen haben. Die haben ohnehin schon 36 Milliarden. Die Arbeiter müssen ihren Gürtel enger schnallen, während die oben immer mehr bekommen. Das ist eine Riesensauerei. Das Geld ist da. Man muss es nur bei den Richtigen holen. Ehe solche Betriebe Staatshilfe bekommen, müssen erstmal diejenigen ihren Beitrag leisten, die vorher das Geld aus dem Unternehmen gezogen haben.
Das kritisieren Sahra Wagenknecht und ihr BSW auch.
Das BSW tritt aber auch nach unten, gegen Bürgergeldberechtigte und will da sogar noch kürzen. Wir treten nicht nach unten, sondern boxen nach oben. Wenn jemand will, dass wir uns das Geld von den Reichen für die Mehrheit wieder zurückholen, gibt es als Partei dafür nur Die Linke.
Thematischer Fokus für die Bundestagswahl
Eine Vermögenssteuer, höhere Renten, bezahlbares Wohnen – das fordert die Linke seit Jahren. Erreicht haben Sie damit zuletzt aber immer weniger Menschen. Wieso sollte es bis zur Bundestagswahl besser werden?
Wir brauchen einen stärkeren Fokus auf ein bis zwei Themen. Vor 15 Jahren haben wir gezeigt, wie es geht: Wir haben voll auf das Thema Mindestlohn gesetzt und damit Erfolg gehabt, als Partei und auch für die Menschen. So wollen wir es jetzt wieder machen.
Welche Kernforderung wird es sein?
Das erarbeiten wir gerade. Ich persönlich finde das Thema Mietendeckel enorm wichtig. Bei Haustürgesprächen hören wir von vielen Menschen als größtes Problem die Inflation. Und auch Probleme in den Bereichen Gesundheit und Pflege treiben die Menschen um.
Den Häuserwahlkampf haben Sie auch für künftige Wahlen zum Erfolgsbringer auserkoren. Geklappt hat das zuletzt in Städten wie Dresden oder Leipzig. In der Fläche sind BSW und AfD längst dominant. Sind Sie nur noch Stadt-Partei?
Nein, wir müssen in die Fläche. Bei über zweitausend Städten in Deutschland gehören dazu allerdings natürlich nicht nur Dörfer. Und selbstverständlich können wir bis zur Bundestagswahl nicht jede Region auf den gleichen Stand bringen. Wir konzentrieren uns deshalb zuerst auf aktive Kreisverbände und stärken sie. Die gibt es auch auf dem Land.
Sieben Prozent bei der nächsten Bundestagswahl
Sie sagen, die Menschen sorgen sich um die Inflation. Die deutsche Wirtschaft krankt – wie würden Sie wieder Schwung hineinbringen?
Wir müssen investieren. Nicht in Gewinne der Konzerne, sondern da, wo es den Menschen nützt. Wir brauchen bessere soziale Infrastruktur und mehr Kaufkraft. Dafür benötigen wir Geld. Alle anderen Staaten machen es vor, die nehmen Geld in die Hand. Und in Deutschland schmiert die Wirtschaft ab, weil die Schuldenbremse eigentlich Investitionen bremst. Bernd Riexinger hat als Vorsitzender schon vor zehn Jahren Investitionen für die sozial-ökologische Transformation gefordert, auch konkret für die Automobilindustrie. VW könnte heute besser dastehen, wenn man damals auf Die Linke gehört hätte.
Apropos Prognose: 2025 steht die Bundestagswahl an, Sie könnten rausfliegen. Welches Ergebnis wollen Sie erreichen?
Sieben Prozent. Meine Leute sagen mir immer, ich soll keine Zahlen nennen, aber für mich ist klar: Es müssen sieben Prozent werden. Im März wird in meiner Heimat Hamburg gewählt, da werden wir schon mal kräftig vorlegen.
Sehr ambitionierte Ziele für eine Partei in der Krise.
Man sagt ja, dass eine gesunde Partei rund die Hälfte ihres Wählerpotentials ausschöpft. Und wir sehen, dass Die Linke lebt und die Menschen vor Ort tolle Arbeit machen.
Für ein gutes Ergebnis brauchen Sie aber erstmal Spitzenkandidaten, die sich wählen lassen wollen. Wer wird für die Linke als Duo antreten?
Ganz ehrlich, ich weiß es noch nicht. Darüber beraten wir noch und es wird in den nächsten Wochen entschieden, ich hoffe, noch im November.
Es heißt, Sie selbst sind gar nicht so heiß darauf, wieder in den Bundestag zurückzukehren?
Für mich persönlich brauche ich das nicht. Wenn es der Partei hilft, gehe ich in den Bundestag, mit aller Energie. Wenn nicht, dann nicht. Mir hat es damals Spaß gemacht, aber es gibt auch andere gute Leute in der Partei, die das können.
Jan van Aken ist einer von zwei neuen Bundesvorsitzenden der Linken. Der Norddeutsche will einen anderen Ton in die Partei bringen – und sie bundesweit zu sieben Prozent führen.
Zum Beispiel Ihre Gruppenvorsitzende Heidi Reichinnek als zweite Spitzenkandidatin neben Ihnen?
Netter Versuch (lacht). Aber weil ich es selbst noch nicht weiß, muss darüber auch nicht spekuliert werden.
Ein Grund, wieso Ihre Partei um den Einzug in den Bundestag bangen muss, ist der Abgang von Sahra Wagenknecht. Hätten Sie sie als Vorsitzender gebeten, zu bleiben?
Nein. Ich war schon vor Jahren dafür, dass sie die Partei so schnell wie möglich verlässt. Sahra Wagenknecht hat nur ein einziges Ziel und das heißt: Sahra Wagenknecht. Wer den eigenen Laden schädigt, um die persönliche Karriere voranzubringen, den braucht man in einer Partei nicht.