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Im Interview mit Heidi Reichinnek

Linken-Vorsitzende Heidi Reichinnek über Ampel: „Die Menschen merken, dass Mini-Maßnahmen nichts bringen.“

Heidi Reichinnek kann dem Ampel-Migrationspaket im Interview Positives abgewinnen. Mit Blick auf die Landtagswahlen und das BSW gibt sich die Linke selbstbewusst, aber auch selbstkritisch.

Berlin – Blickt man nur auf TikTok, so gehört Heidi Reichinnek zu den erfolgreichsten Politikerinnen und Politikern ganz Deutschlands. Mit über 200.000 Followern sticht die Vorsitzende der Linken Gruppe im Bundestag quasi alle aus. Abseits des Internets läuft es für Reichinneks Partei aber nicht gut. Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA im Bundestag beklagt die Linken-Politikerin beim Thema Migration eine Diskursverschiebung von rechts. Die Aussichten auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sind düster. Reichinnek sucht die Gründe zuerst bei ihrer eigenen Partei – ehe sie darlegt, wieso SPD, BSW und AfD den Menschen ihrer Meinung nach außer großer Reden nicht viel bieten können.

Frau Reichinnek, die Ampel hat nach Solingen harte Konsequenzen angekündigt, nachdem die Union zwischenzeitlich die Staatskrise ausrief. Was halten Sie davon?
Man merkt sehr deutlich, dass es auf drei wichtige Wahlen zugeht. Sowohl die Regierung, als auch die rechte Opposition versuchen jetzt, mit vermeintlich einfachen Lösungen zu zeigen, dass sie etwas tun. Dabei interessieren sie sich teilweise weder für Grundgesetz noch für Menschenrechte.
Was meinen Sie?
Die CDU-Forderung, die Grenzen für Geflüchtete jetzt dichtzumachen, funktioniert nicht. Das sind Menschen, die in Syrien gegen den IS gekämpft haben, die sich in Afghanistan für Frauen- und Menschenrechte eingesetzt haben. Diesen Menschen pauschal den Schutz verwehren zu wollen ist weder christlich noch humanistisch und darüber hinaus auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die CDU verschiebt die Terrorismusbedrohung, versucht, sie auf Migration umzumünzen. Das bringt uns am Ende rein gar nichts. Wir brauchen zum Beispiel deutlich mehr Investitionen in Prävention und Deradikalisierung – mit diesem Punkt bin ich beim nun vorgelegten Maßnahmenpaket sehr einverstanden. Jahrelang haben wir als Linke mehr Geld für diese Projekte gefordert, leider vergebens. Im aktuellen Haushaltsansatz wäre eigentlich sogar gekürzt worden. Dass die Mittel nun wieder ausgeweitet werden sollen, ist absolut richtig.
Werden die Debatten um Asyl und Migration von rechts getrieben?
Das ist definitiv ein Trigger-Thema, mit dem sie Aufmerksamkeit bekommen. Aber eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die Menschen vor allem vor Rechtsextremismus Angst haben, sich um hohe Mieten und Kosten sorgen. Migration kommt bei den Sorgen erst weiter hinten. Hier brauchen wir schnellere Asyl- und Integrationsmaßnahmen. Mehr Unterstützung für Kommunen. Weg von Arbeitsverboten, hin zu einem Recht auf Arbeit. Und vor allem müssen wir Fluchtursachen bekämpfen.
Heidi Reichinneks Bundestagsreden erlangen besonders in den sozialen Netzwerken oft enorme Reichweite. Die Linke ist eine der erfolgreichsten deutschen Politikerinnen und Politiker auf der Plattform.
Wenn den Menschen sozialpolitische Fragen so wichtig sind, wieso punkten seit einiger Zeit nur die Parteien, die gegen einen größeren Sozialstaat sind?
Die Menschen haben leider an vielen Stellen die Hoffnung auf Besserung verloren und die Hoffnung, dass die großen Parteien für die dafür nötigen großen Veränderungen bereit sind. Im Wahlkampf versprechen andere Parteien immer das, was sie bei uns sonst als Utopie und unrealistisch abstempeln. Umsetzen tun sie das dann aber selten. Bei uns ist das anders: In Berlin haben wir das kostenfreie Mittagessen für Kinder bis zur 6. Klasse ermöglicht, in Thüringen hat Bodo Ramelow einen Schutzschirm für Krankenhäuser aufgespannt. Positive Beispiele sind also möglich.
Die Ampel hat auch eine Reihe von Maßnahmen für Menschen mit geringeren Einkommen beschlossen.
Richtig. Aber es sind kleine Maßnahmen, die kommuniziert werden, als seien es große. Der Staat muss jetzt eigentlich richtig investieren, beispielsweise beim Thema Wohnen. Niemand findet mehr eine Bleibe oder kann sie sich dann nicht mehr leisten. Dabei geht es um die eigenen vier Wände, den Ort, an den man sich zurückziehen will, wo man eine Familie gründet, sein gesamtes Leben verbringt. Wir wollen einen Mietendeckel statt einer zahnlosen Mietpreisbremse und sozialen Wohnungsbau durch die öffentliche Hand. Bei der Ampel aber merken die Menschen, dass die Mini-Maßnahmen nichts bringen.
Die Vorsitzenden der Linkengruppe im Bundestag, Heidi Reichinnek, wirft der SPD-geführten Ampel-Regierung vor, sozialpolitisch zu kleine Brötchen zu backen und damit das Vertrauen der Menschen zu verlieren.
Der Linken rennen die Menschen gerade aber auch nicht die Türe ein.
In den letzten Monaten und Jahren haben wir ein Potpourri an allem angeboten und müssen uns eingestehen, dass wir da besser werden müssen. Wir müssen uns mehr auf die Brot- und Butter-Themen fokussieren. Das heißt: eine auskömmliche Rente, eine bezahlbare Miete, Gesundheitsversorgung vor Ort und ein vernünftiger Lohn. 
Kurz vor den Landtagswahlen kündigten die Parteivorsitzenden Wissler und Schirdewan ihren Rückzug an. Wie soll ein potenzieller Linken-Wähler nun wissen, was ich von der Partei bekomme?
Da weiß ich, dass ich in Thüringen Bodo Ramelow bekomme, in Brandenburg Sebastian Walter und in Sachsen Susanne Schaper. Jede:r von den dreien kämpft seit Jahr und Tag für soziale Gerechtigkeit. Ich weiß also weiterhin genau, was ich bekomme. Und auch bis zur Bundestagswahl nächstes Jahr werden wir wissen, wer an der Bundesspitze steht. Nach den vielen Negativergebnissen der letzten Wahlen finde ich den Schritt der beiden sehr vernünftig. Wir haben als Partei jetzt genug Zeit für einen guten Diskussionsprozess.
Unabhängig vom Führungspotenzial: Welche Inhalte unterscheiden die Linke überhaupt noch von BSW, SPD und Grünen?
Das werde ich oft gefragt und finde es überraschend einfach zu beantworten: Wir sind die Partei, die wirklich die Verteilungs- und die Eigentumsfrage stellt. Wir gehen als einzige an den Kern der Frage, was Menschen für ein gutes Leben brauchen. Wir sind die, die bei Einflussnahme von Großkonzernen und massivem Reichtum eingreifen wollen. Und wir werfen schwächer gestellte Gruppen nicht vor den Bus, um Zuspruch zu bekommen. Wir kämpfen für eine gerechte Gesellschaft für alle.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Uwe Koch

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