Salafisten ködern Jugendliche
Harte Kante gegen Clans und Islamisten: Reul macht neuen Vorstoß
Zwischen Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes und Innenministerkonferenz fordert der NRW-Innenminister Verbote radikaler Vereine. Vor allem eine Gruppe sieht er als Gefahr.
Düsseldorf/Berlin – Man hat sie lange nicht gesehen: Weder an ihren „Lies!“-Ständen in den Einkaufstraßen noch auf Patrouille in „Scharia-Polizei“-Shirts. Doch verschwunden sind die radikalen Salafistengruppen nicht – im Gegenteil.
Verfassungsschutzbericht von Nancy Faeser: Gefahr durch Rechtsextremismus und radikalen Islamismus
Das zeigt auch der aktuelle Verfassungsschutzbericht, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag (18. Juni) in Berlin vorgestellt hat. Neben dem grassierenden Rechtsextremismus und linksextremistischen Straftaten in Deutschland ist dem Bericht zufolge der radikale Islamismus eine der Hauptgefahren für die innere Sicherheit. Vor allem der Nahostkonflikt feuere die Radikalisierungsmaschine an.
Behörden beobachten bundesweit, dass radikale Islamisten immer aktiver werden und vor allem junge Menschen gezielt rekrutieren – weniger auf der Straße und in den einschlägigen Moscheen, dafür umso effizienter über Soziale Medien wie TikTok. Dabei arbeiten sie immer öfter auch mit bekannten Mitgliedern krimineller Clans zusammen, drehen gemeinsam Clips und geben vermeintliche Lifestyle-Tipps. In ihren Videos verbreiten sie oft auch antisemitische Propaganda und Hasstiraden gegen den Staat.
Islamismus im Fokus: Salafisten-Vereine in Niedersachsen und NRW verboten
Vor einer Woche erst hatten Sicherheitsbehörden nach Razzien in Braunschweig und Berlin ein Verbot der „Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft“ (DMG) in Niedersachsen durchgesetzt. Die DMG galt als Zentrum der Szene und wurde schon länger vom Verfassungsschutz beobachtet, weil ihr „aggressiv-kämpferische“ Ambitionen vorgeworfen werden.
Einen ähnlichen Vorstoß gab es Mitte Mai in Nordrhein-Westfalen: Eine Razzia in Duisburg richtete sich gegen die Köpfe des Vereins „Palästina Solidarität Duisburg“. Auf Initiative des NRW-Verfassungsschutzes hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) den Verein verbieten und auflösen lassen. Reul hatte zuletzt mehrfach betont, dass er sich Verbote von Vereinen und Gruppen wie „Muslim Interaktiv“ auch auf Bundesebene wünsche. Denn die Maßnahmen gelten nur landesweit. Das Thema wolle er auch mit in die Innenministerkonferenz zur Beratung nehmen, die am Mittwoch in Potsdam startet.
Radikale Islamisten ködern Jugendliche vor allem bei TikTok
Nur: Was bringt ein Verbot? Werden die Vereine dann im Untergrund nicht noch radikaler? „Nichtstun ist keine Lösung“, sagt Reul im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Ein Verbot bedeutet immer, dass man die Mittel des Vereins einfriert und diese eben nicht mehr dazu verwendet werden können, Menschen zu radikalisieren.“ So zerstöre man Strukturen. „Aber aus den Köpfen kriegen wir den Radikalismus nicht automatisch raus“, räumt der Minister ein.
Hier müsse man auf Aufklärung setzen. „Kinder und Jugendliche müssen verstehen lernen, dass sie nicht auf diese Rattenfänger in den Sozialen Medien reinfallen dürfen“, so Reul. Gleichzeitig müsse auch eine Gegeninitiative gestartet werden. „Zu lange haben wir Extremisten auf TikTok und Co. das Feld überlassen.“
Wie diese Gegeninitiative genau aussehen könnte, dazu gibt es offenbar noch keine konkreten Pläne. Auch die NRW-Antisemitismusbeauftragte und Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte zuletzt Maßnahmen für dieses Jahr angekündigt, ohne allzu konkret zu werden. „Wir brauchen eine gebündelte Strategie mithilfe von Profis, um bei TikTok gegen die Flut an Desinformationen anzugehen“, so die FDP-Politikerin.
Thomas Haldenwang, Chef des Bundesverfassungsschutzes, sagte bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts, es müsse eine stärkere Kontrolle innerhalb der Plattformen geben. Das Innenministerium führe Gespräche mit den Unternehmen hinter Netzwerken wie Telegram oder Tiktok, man sei auf einem guten Weg. „Aber die Selbstkontrolle dieser Medien ist in der Tat noch sehr verbesserungswürdig.“
Zahl der Messerangriffe steigt – Reul: „Wir greifen hart durch“
Derweil bereitet eine andere Entwicklung den Sicherheitsbehörden Sorge. Die Zahl der Messerangriffe ist deutlich gestiegen. „Messer haben sich zu einem der gefährlichsten Instrumente unserer Zeit entwickelt. Es gibt immer weniger Skrupel, sie einzusetzen“, sagte Reul. Über die Gründe könne man im Augenblick nur mutmaßen. „Das ist ein gesellschaftliches Problem. Aber auch die Aggressivität auf der Straße nimmt zu. Da müssen wir als Polizei den Kontrolldruck erhöhen und versuchen klarzumachen: Wir greifen hart durch.“
Für Entsetzen hatte zuletzt die tödliche Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim gesorgt. In der Folge gab es auch eine Debatte darüber, ob Polizisten besser geschützt werden müssten. So einfach sei das nicht, sagt Reul: „Jeder kann diese feige Tat von Mannheim im Netz nachschauen und sieht, wie schnell so ein Angriff verläuft.“ NRW habe die bestausgestattete Polizei in ganz Deutschland, man könne Risiken minimieren. Aber: „Ganz ausschließen können wir so etwas nie.“
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