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Ernster Vorwurf, heikle Unterstützer
Misstrauens-Antrag gegen von der Leyen: Rechtsaußen-Getümmel – AfD und BSW mischen kräftig mit
Ursula von der Leyen muss sich einem Misstrauensvotum stellen. Ein wild-umkämpfter Plan von Rechtsaußen, aber inhaltlich nicht aus der Luft gegriffen.
Der Vorgang ist auf den ersten Blick spektakulär, auf den zweiten nicht mehr ganz so aufregend – und bei eingehender Betrachtung in mehrerlei Hinsicht doch wieder durchaus brisant: Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss sich am Donnerstag nächster Woche (10. Juli) einem Misstrauensvotum im EU-Parlament stellen.
Dass sie es verlieren wird, scheint höchst unwahrscheinlich. Aber es rumort in Brüssel und Straßburg. Rund um von der Leyen, die reichlich Angriffsfläche bietet. Und im Rechtsaußen-Lager, aus dem der Antrag kommt.
Misstrauensvotum gegen von der Leyen: Die AfD jubiliert – aber auch das BSW mischt mit
Die erste Dimension ist ein politisches Machtspielchen: Ein offenes Geheimnis ist, dass der Vorstoß von Gheorghe Piperea ausgeht. Er ist Mitglied der mindestens rechtspopulistischen Partei AUR, die unlängst nach dem Präsidentenamt in Rumänien griff. Piperea hat offenbar mindestens 72 Abgeordnete als Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden. Kurios aber: Seine eigene Fraktion, die EKR um Giorgia Melonis Fratelli d‘Italia, hat sich von dem Misstrauensvotum distanziert – sogar ziemlich frühzeitig.
Berichten zufolge hat wiederum eine stattliche Zahl deutscher EU-Parlamentarier ihre Unterschrift gegeben, obwohl keine(r) von ihnen direkt mit Piperea verbunden ist. Das ist nicht per se verwunderlich, die Fraktionsdisziplin im Europaparlament ist gering. Aber der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Unsortiertheit des rechten Lagers. Denn schon in der EKR gab es Ärger; Berichten zufolge war etwa die polnische Delegation für den Vorstoß.
Ganze 17 deutsche Parlamentarier haben nun nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland Pipereas Idee unterstützt. Darunter 14 von der AfD – und drei vom BSW. Letztere gehören keiner Fraktion an. Dass sie gemeinsame Sache mit AfD oder auch AUR machen, es ist durchaus noch eine Notiz wert. Im thüringischen Landtagswahlkampf etwa hatten Äußerungen zu dieser Frage größere Debatten ausgelöst. Nicht auf dieser Dreier-Liste steht Fabio De Masi, der BSW-Promi hatte aber öffentlich Unterstützung für den Antrag angekündigt. „Wir haben es immer so gehalten, dass wir in der Sache abstimmen“, schrieb er auf X.
Von der Leyen unter Druck: Störfeuer von rechts – aber mit durchaus ernstzunehmenden Argumenten
Die BSW-Leute können durchaus auf eine inhaltliche Dimension ihrer Unterstützung verweisen. Piperea begründete seinen Antrag unter anderem mit SMS, die sich von der Leyen und der Chef des Pharmakonzerns Pfizer, Albert Bourla, zu Zeiten der Corona-Pandemie geschrieben haben. Die EU und Biontech/Pfizer schlossen damals einen milliardenschweren Impfstoff-Deal.
Die EU-Kommission will die Nachrichten nicht herausgeben – hat aber im Mai ein Gerichtsverfahren dazu verloren. Der Fall lässt (bislang) zumindest gewichtige Fragen offen. Auch die 150 Milliarden Euro schwere EU-Verteidigungsinitiative „ReArm Europe“ kritisiert Pipereas Antrag – weil sie das EU-Parlament umgehe. Der Rechtsausschuss des Parlaments votierte wegen solcher Bedenken sogar für eine Klage; unter anderem mit SPD-Stimmen, aber freilich ohne die Verteidigungspläne per se inhaltlich anzugreifen. Das Thema passt zugleich natürlich indirekt zum betont pazifistischen Anstrich des BSW.
Promis, Premieren und Problemfälle: Das ist Ursula von der Leyens neue EU-Kommission
Dass die EKR nicht mitmacht, überrascht nicht völlig. „Die EKR versteht sich inzwischen offen als konstruktiver Partner der EVP“, sagt Experte Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA. Die konservative EVP – samt CDU/CSU – ist die stärkste Fraktion im Europaparlament und von der Leyens politische Heimat. Offene Konfrontation wünscht die EKR nicht, zumal sie selbst einen Kommissar stellt. Co-Fraktionschef Nicola Procaccini von Melonis Fratelli schrieb in einer geleakten E-Mail an die Fraktion unter Verweis auf den umstrittenen Posten für Parteifreund Raffaele Fitto: „Denken Sie nicht, dass solch ein Vorgehen zuerst mit der Fraktion besprochen werden sollte?“
Die AfD hingegen ist bei den „Souveränisten“ untergekommen. Das Bündnis um einige enorm scharfe Rechtsaußenparteien ist brüchig, zuletzt gab es Zoff um bulgarische Kontakte nach Russland. Aber die Mitglieder nutzen gerne die Gelegenheit zur Provokation: Die Fraktion sei „letztlich eine reine Protestformation ohne nennenswerten Einfluss“, so Experte von Ondarza.
EU-Votum über von der Leyen: Wie groß ist die Gefahr für Kommissionschefin?
Muss von der Leyen das Misstrauensvotum ernstlich fürchten? Es sieht nicht so aus. Nötig wäre eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen – und eine einfache Mehrheit unter allen Abgeordneten, das wären 361 Stimmen. Sorgen bereiten könnten von der Leyen aber zwei Punkte: Laut einem Bericht des auf EU-Themen spezialisierten Mediums Euractiv stand zunächst sogar die Unterschrift eines slowenischen EVP-Politikers auf der Unterstützerliste. Piperea sprach von mehreren EVP-Unterstützern. In Teilen der Mehrheit, die von der Leyen 2024 als Kommissionspräsidentin bestätigte, schwindet zugleich spürbar die Geduld.
Konkret gilt das vor allem für Sozialdemokraten und Grüne. Sie stimmten damals nicht zuletzt für von der Leyen, um Mehrheiten von rechts, insbesondere mit den EKR, zu verhindern. Die gab es zwischenzeitlich allerdings trotzdem, etwa beim Stopp für die „Entwaldungsverordnung“. Und während Leyens EU-Kommission die Mitte-Links-Fraktionen vor der jüngsten EU-Wahl noch mit dem „Green Deal“ erfreute, weht diese Legislatur ein anderer Wind.
Die EVP argumentiert mit dem Erstarken der rechten und konservativen Kräfte im Parlament – und will nun eine wirtschaftsfreundlichere, weniger grüne Politik durchsetzen. Erst am Donnerstagmorgen legte EVP-Chef Manfred Weber (CSU) im Bayerischen Rundfunk nach: Der Klimawandel sei zwar Fakt. Zur Realität gehöre aber eben auch, dass auch konservative Regierungschefs in der EU unter Druck stünden. Da müsse man eben auch pragmatisch Rücksicht auf Sorgen der Verbraucher und Unternehmen nehmen. All das wird Sozialdemokraten und Grünen nicht schmecken. Doch noch toxischer dürfte ihnen eine Kooperation mit den Rechtsaußen erscheinen. (fn)