EU-China-Gipfel
Von der Leyen übt scharfe Kritik an China: „Wettbewerb muss auch fair sein“
Es war der erste persönliche EU-China-Gipfel seit 2019: In Peking sparte Ursula von der Leyen nicht mit Kritik an Xi Jinping. Zumindest in einem Bereich dürfte sie sogar Erfolg haben.
Ob Ursula von der Leyen ein kleines Stoßgebet sprach, als sie am Mittwoch den Himmelstempel in Peking besuchte, ist nicht überliefert. Einst pilgerten Chinas Kaiser zu der weitläufigen Tempelanlage im Süden der Hauptstadt, um für eine gute Ernte zu beten, und auch von der Leyen hätte allen Grund gehabt, um etwas göttlichen Beistand zu bitten. Denn ihr standen am Tag danach schwierige Gespräche bevor: Die EU-Kommissionspräsidentin war zusammen mit Ratspräsident Charles Michel und dem Außenbeauftragen Josep Borrell nach Peking geflogen, um die festgefahrenen Beziehungen zur Volksrepublik wieder in Gang zu bringen. Kein leichter Job.
Was die EU-Kommissionspräsidentin von ihrem Besuch am Himmelstempel zum 24. EU-China-Gipfel mitbrachte, dem ersten persönlichen derartigen Treffen seit 2019, waren immerhin ein paar schmeichelnde Worte. Der Tempel sei ein „starkes Symbol für die Langlebigkeit der chinesischen Tradition und Geschichte“, sagte sie zu Beginn des Treffens mit Staats- und Parteichef Xi Jinping. In China liebt man solche Verweise auf die eigene Großartigkeit. Doch mit Schmeicheleien hielten sich von der Leyen und ihre EU-Kollegen am Donnerstag nicht lange auf. Stattdessen kamen all jene Themen aufs Tableau, die der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten seit geraumer Zeit Bauchschmerzen bereiten.
EU droht China: „Verfügen über Instrumente, um unseren Markt zu schützen“
Etwa das gigantische Handelsdefizit zwischen beiden Seiten. Waren im Wert von 2,3 Milliarden Euro würden täglich zwischen China und der EU gehandelt, rechnete Ursula von der Leyen in Peking vor. Was nach einer Erfolgsgeschichte klingt, brachte Ratspräsident Michel mit einer anderen Zahl in Relation: „Gleichzeitig beläuft sich das Handelsdefizit der Union auf rund 400 Milliarden Euro“, beklagte der Belgier und forderte, der Handel zwischen beiden Seiten müsse „wieder ins Gleichgewicht gebracht werden“.
Aus Sicht der Europäer sind Chinas unfaire Handelspraktiken Schuld an dem Ungleichgewicht. „Wettbewerb muss auch fair sein“, forderte von der Leyen. „Die Ursachen sind wohlbekannt“, sagte sie in Peking und nannte als Beispiele den schlechten Marktzugang für europäische Unternehmen in China und die bevorzugte Behandlung von chinesischen Unternehmen durch die Regierung in Peking. Auch Überkapazitäten in China machen der EU Sorgen, etwa künstlich verbilligte Elektroautos, die in Europa und anderswo den Markt „überschwemmen“. Man sei aber nicht hilflos, sagte von der Leyen am Dienstag in einem Interview: „Wir verfügen über Instrumente, um unseren Markt zu schützen.“ Die Frage ist, wie ernst man in Peking solche Drohungen nimmt.
EU-China-Gipfel: „Wir wollen De-Risking, keine Abkopplung“
Immerhin, ein paar Zugeständnisse an die Europäer hatte China in den vergangenen Tagen und Wochen gemacht. Bürger aus mehreren Mitgliedsländern, darunter Deutschland, können seit Anfang Dezember für 15 Tage visafrei nach China einreisen; auch Erleichterungen bei den neuen Regeln zum grenzüberschreitenden Datentransfer wurden unlängst in Aussicht gestellt. Zudem scheint China wieder auf Litauen zuzugehen, nachdem Peking den Handel mit dem EU-Land fast vollständig auf Eis gelegt hatte, weil die Regierung in Vilnius ihre Beziehungen zu Taiwan minimal aufgewertet hatte.
Xi geht es vor allem darum, den Westen nicht ganz zu verprellen. Noch nämlich ist China auf westliches Know-how und auf ausländische Direktinvestitionen angewiesen. Zudem schwächelt die heimische Wirtschaft. Ohne das Ausland geht es nicht, weswegen Chinas Regierung immer wieder vor einer Entkoppelung der westlichen Volkswirtschaften von der eigenen warnt. China und Europa „sollten einander nicht als Rivalen betrachten, nur weil sie unterschiedliche Systeme haben“, beschwor Xi am Donnerstag, „sie sollten die Zusammenarbeit nicht einschränken, nur weil es Wettbewerb gibt“. „Wir wollen De-Risking, keine Abkopplung“, erklärte ihm von der Leyen einmal mehr den Ansatz der Europäer und verwies darauf, dass auch China seine Abhängigkeiten vom Ausland minimiere.
China und der Ukraine-Krieg: „keine tödliche Ausrüstung an Russland liefern“
Während in Wirtschaftsfragen Zugeständnisse der Chinesen, wenn auch mit Trippelschritten, nicht ausgeschlossen scheinen: Was die großen Fragen der Geopolitik angeht, bewegt sich Xi Jinping immer weiter weg vom Westen. Nur ein paar Tage vor dem Gipfel mit den EU-Vertretern sicherte er – im selben Tagungsraum – dem belarussischen Diktator und Putin-Freund Alexander Lukaschenko seine Unterstützung zu. Von der Leyen rief Xi nun dennoch unbeirrt auf, „all seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, um diesen Angriffskrieg zu stoppen“; zudem dürfe China „keine tödliche Ausrüstung an Russland liefern“. Im Nahostkonflikt müsse Peking sich positionieren und Israels Recht auf Selbstverteidigung anerkennen, im Konflikt mit Taiwan dürfe Peking den Status quo nicht einseitig verändern, so die Europäer. Auch Menschenrechte – etwa in Tibet und Xinjiang – habe man Xi gegenüber angesprochen. Der dürfte all das vernommen haben – und weitermachen wie bisher.
Immerhin, bei anderen großen Fragen – Klimawandel, Biodiversität, Umweltschutz – war man sich dann doch recht nah in Peking. China kann sich eben auf die Europäer zubewegen, wenn es will. Doch Peking ist längst selbstbewusst genug, um selbst zu entscheiden, wann es das möchte und wann nicht. Das ist die, nicht sonderlich überraschende, Erkenntnis dieses 24. Gipfels zwischen China und der EU.
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