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Mögliche Wiederwahl

US-Wahl: Treibt Donald Trump China in den Krieg gegen Taiwan?

Donald Trump und Xi Jinping
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„Tolle Chemie“: Xi Jinping und Donald Trump 2017.

Donald Trump könnte erneut US-Präsident werden – und China ermutigen, nach Taiwan zu greifen. Dort ist der Republikaner trotzdem beliebt.

Kaum ins Amt gewählt, tat Donald Trump etwas Unerhörtes: Er ging ans Telefon. Am anderen Ende der Leitung war Tsai Ing-wen, die Präsidentin Taiwans, sie gratulierte Trump zum Wahlsieg. Das Telefonat war historisch. Zum ersten Mal seit 1979, als die USA die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen hatten und zu Peking gewechselt waren, sprach ein amtierender oder designierter US-Präsident mit seinem taiwanischen Gegenüber. „Die Präsidentin von Taiwan hat MICH heute ANGERUFEN, um mir zum Gewinn der Präsidentschaft zu gratulieren“, posaunte Trump nach dem Gespräch via Twitter in die Welt hinaus, vermutlich ohne zu ahnen, was er da getan hatte.

Im Dezember 2016 war das, in Europa saß der Schock über die Wahl des Republikaners tief. In Taiwan hingegen blickte man deutlich optimistischer in die Zukunft, das Land hatte plötzlich einen unerwarteten Verbündeten an seiner Seite.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Und Trump blieb beliebt in Taiwan. Als er 2020 zur Wiederwahl antrat, hofften einer Umfrage zufolge 42 Prozent der Taiwaner, dass der Republikaner gewinnen würde; seinem Konkurrenten Joe Biden drückten nur 30 Prozent die Daumen. Die Trump-Jahre, die Europa und viele andere Teile der Welt in eine Schockstarre versetzt hatten, bezeichneten taiwanische Medien als „goldenes Zeitalter“. Das liegt nicht nur an dem geschichtsträchtigen Telefonat mit Präsidentin Tsai. Unter Trump verabschiedeten die USA auch eine Reihe von Gesetzen, um die inoffiziellen Beziehungen zu Taiwan zu stärken, sie verkauften so viele Waffen an das von China bedrängte Land wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und sie eröffneten eine neue, 255 Millionen Dollar teure De-facto-Botschaft in der Hauptstadt Taipeh.

Donald Trump und China: Erst beste Freunde, dann tobt ein Handelskrieg

Vor allem aber wandelte sich Trump in nur wenigen Monaten vom China-Freund zum China-Kritiker. Anfang 2017 hatte er noch die „tolle Chemie“ zwischen sich und Chinas Präsidenten Xi Jinping gepriesen. Wenig später aber brach Trump einen Handelskrieg mit den Chinesen vom Zaun, denen er unfaire Handelspraktiken vorwarf. In der Folge verhängten die USA Zölle auf chinesische Waren im Wert von mehr als 360 Milliarden US-Dollar. Diese blieben größtenteils auch unter Biden bestehen. Davon profitierte: Taiwan.

„Viele Unternehmen passten ihre Lieferkette an, und viele von ihnen verließen China“, sagt Chen Fang-yu, Politikwissenschaftler an der Soochow University in Taipeh. Einige der Firmen, die aus China geflüchtet waren, hätten in Taiwan eine neue Heimat gefunden. „Daher gibt es aufgrund des Handelskriegs mehr und mehr ausländische Direktinvestitionen“, so Chen. Noch heute hätten deswegen „die meisten Taiwaner ein positives Bild von der Trump-Regierung“.

Nun steht Donald Trump vor einem möglichen Comeback: Nach dem „Super Tuesday“ und dem Rückzug von Nikki Haley deutet alles auf ein zweites Duell mit Joe Biden hin, in den meisten Umfragen liegt Trump vorne. Grund zum Jubeln also in Taiwan? Nicht ganz. Denn Trumps Unterstützung für die Inselrepublik erzürnte Peking – und das bekam auch Taiwan zu spüren.

Wird Trump Taiwan ans Messer liefern?

Das Telefonat mit Tsai tat Chinas Außenminister Wang Yi noch als „kleinen Trick“ der Taiwaner ab. Je mehr sich aber der Konflikt mit den USA verschärfte, desto aggressiver trat Peking Taiwan gegenüber auf. Das kann man zum Beispiel daran ablesen, wie oft chinesische Kampfjets in Taiwans Luftverteidigungszone (ADIZ) eindrangen: 2018 zählte die Seite PLA Tracker, die Aktivitäten von Chinas Volksbefreiungsarmee überwacht, noch keinen derartigen Vorfall; zwei Jahre später hingegen schon fast 400 Verletzungen von Taiwans ADIZ, ein weiteres Jahr später kletterte die Zahl auf knapp 1000.

Völlig unklar ist auch, ob Trump Taiwan militärisch unterstützen würde, sollte China den Inselstaat angreifen. Im vergangenen Sommer hatte sich der Ex-Präsident geweigert, diese Frage zu beantworten. „Das würde mich in eine schlechte Verhandlungsposition bringen“, sagte Trump damals in einem Interview mit Fox News. Joe Biden hingegen hat Taiwan mehrfach zugesichert, im Ernstfall einzugreifen. „Das Problem ist, dass Trump unvorhersehbar ist“, sagt Politikwissenschaftler Chen.

Trump ist kein Freund von Bündnissen

Er verweist zudem darauf, dass Trump mit seiner „America First“-Politik kein Freund von Bündnissen ist: „Das könnte die Allianzen der USA in der Region schwächen.“ Mühsam hatte Biden etwa Taiwans Nachbarn Japan, Südkorea und die Philippinen wieder enger an die USA gebunden. Sollte der Konflikt um Taiwan eskalieren, würden von den dortigen Militärstützpunkten wohl amerikanische Kampfjets abheben und Kriegsschiffe auslaufen.

Auch Trumps Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin beobachtet man in Taiwan mit Sorge. Könnte sich Chinas Kommunistische Partei ermutigt fühlen, nach Taiwan zu greifen, falls Trump die Ukraine fallenlässt? Taiwans neu gewählter Präsident Lai Ching-te müsse jedenfalls auf eine zweite Amtszeit des Republikaners vorbereitet sein, erklärte unlängst Stanley Kao, der einst als taiwanischer De-facto-Botschafter in Washington das Telefonat zwischen Trump und Tsai Ing-wen eingefädelt hatte.

„Ich sehe eine wachsende und sehr starke Unterstützung für Taiwan“

Es sind solche Befürchtungen, die sogar Politiker aus Trumps eigenem Lager dazu bewegen, Taiwan den unerschütterlichen Beistand der Amerikaner zuzusichern. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Unterstützung für Taiwan anhalten wird, unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt“, sagte der mächtige republikanische Abgeordnete Mike Gallagher Ende Februar bei einem Besuch in Taipeh. „Ich sehe eine wachsende und sehr starke Unterstützung für Taiwan.“

In Peking hingegen glaubt man, dass Trump die Taiwaner jederzeit fallenlassen könnte. „Die USA werden immer eine ‚America first‘-Politik verfolgen“, sagte ein Sprecher von Chinas Büro für Taiwan-Angelegenheiten Ende Januar. „Und Taiwan kann jederzeit von einer Schachfigur zu einer weggeworfenen Schachfigur werden.“

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