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Europa am Wendepunkt
Trump und Putin: Merkel-Berater sieht „Riesenchance“ – „Gesellschaft wollte das nicht hören“
Lars-Hendrik Röller war Wirtschaftsberater im Kanzleramt. Die Weltlage hat sich seither geändert – der Merkel-Vertraute sieht das auch als Chance.
Rottach-Egern – Europa stehe an einem „Wendepunkt“, sagte Lars-Hendrik Röller jüngst auf dem Podium des „Unternehmertags 2025“ – und meinte nicht weniger als eine „neue Weltordnung“. Ein kleiner Bruch ist das nicht nur zur idyllischen Kulisse der Veranstaltung am Tegernsee. Sondern zumindest augenscheinlich auch zu Röllers Vita.
Denn der Professor der Ökonomie hat bis 2021 zehn Jahre lang Bundeskanzlerin Angela Merkel beraten. Deren Regierungen wiederum standen bekanntermaßen vor allem für Kontinuität; im Guten wie im Schlechten. Röller sieht aber durchaus Chancen für Europa und Deutschland in den neuen Entwicklungen. In Teil eins des Interviews mit IPPEN.MEDIA hat er Hausaufgaben und Gefahren rund um das Schuldenpaket der mutmaßlichen neuen Koalition erläutert. In Teil zwei deutet er an: Veränderung ist willkommen – jetzt könnte sie allerdings leichter umzusetzen sein als zuvor. Auch dank Donald Trump und einem neuen Blick auf Russland.
Herr Röller, Sie sagen, Wirtschaftswachstum ist entscheidend – auch um die neuen Staatsschulden zurückzahlen zu können. Wie kann der Staat der Wirtschaft helfen?
Europa braucht nicht nur Verteidigung, sondern eine starke Wirtschaft, um geopolitisch erfolgreich zu sein. Und natürlich auch den Sozialstaat, um die Bevölkerung auf die Reise mitzunehmen. Als Ökonom würde ich sagen: Der entscheidende Punkt ist, die neuen schuldenfinanzierten Mittel so einzusetzen, dass wir private Investitionen nach Europa holen.
Beispielsweise durch die „Savings and Investment Union“ der EU – früher hieß das „Kapitalmarktunion“. Da geht es darum, die Regeln zu vereinfachen, europäischer zu denken, nationale Interessen zurückzustellen. Also keine „transaktionale“ Politik im Stile Donald Trumps innerhalb Europas. Wir brauchen mehr, nicht weniger Europa.
Einstiger Merkel-Berater Röller zu USA, Russland, China: „Dieses Geschäftsmodell ist passé“
Stimmen Sie die aktuellen Entwicklungen da hoffnungsvoll?
Im Grunde schon. Denn die Themen sind seit Jahren bekannt, aber die Rahmenbedingungen haben sich verändert. In einer Demokratie müssen Politiker mit ihrem Kurs eine Wahl gewinnen können. Wenn das Verständnis in der Bevölkerung da ist, dass etwas passieren muss, dann ist es in einer Demokratie wesentlich leichter, etwas umzusetzen. Im Verteidigungsbereich zum Beispiel ist dieses Verständnis jetzt angekommen. Wir haben in einer Welt gelebt, in der wir mit China gute Geschäfte gemacht haben, in der uns Amerika beschützt hat, in der wir billige Energie aus Russland bekommen haben. Dieses Geschäftsmodell ist für alle erkennbar passé. Deshalb hat die Politik jetzt eine Riesenchance.
Noch einmal nachgehakt: Ein großer Teil der Optionen, die Wirtschaft zu stärken, liegt damit aus Ihrer Sicht auch auf europäischer Ebene?
Nicht nur – aber das ist Teil unserer Hausaufgaben. Wir sollten uns nicht über andere beschweren oder über andere Gedanken machen. Denn eigentlich haben wir es in unserer Hand. Europa ist ein starker Kontinent. Trotzdem sind auch wir von internationalen Entwicklungen betroffen, insbesondere auch von Entwicklungen in Amerika.
Trump ändert den Kurs der USA: Ökonom Röller für neue Kooperationen – „ohne moralische Predigten“
Wie kann Europa mit Trumps USA umgehen?
Wir sollten weiterhin offen für eine Zusammenarbeit sein. Aber der Kurs der USA ändert sich. Daraus sollten wir Konsequenzen ziehen. Eine davon ist, dass wir offener für engere Kooperationen mit anderen Ländern sind. Es gibt sehr viel Interesse, mit Europa zusammenzuarbeiten, gerade weil wir verlässliche Rechtsstaaten sind und gewisse Werte haben. Wir sollten offener für interessengeleitete Zusammenarbeit sein – ohne moralische Predigten zu halten.
Prof. Lars-Hendrik Röller
Bekannt ist Röller vor allem wegen seiner Tätigkeit im Kanzleramt: Von 2011 bis 2021 beriet er Angela Merkel in Wirtschaftsfragen. Als Chefunterhändler („Sherpa“) der Bundesregierung war er bei G7- und G20-Gipfeln in herausgehobener Rolle tätig. Gearbeitet hat der Ökonom auch als leitender Wettbewerbsexperte bei der Europäischen Kommission. Aktuell ist Röller Professor an der Privatuni ESMT Berlin, Vorsitzender des „Berlin Global Dialogue“ und Wirtschaftsberater des albanischen Regierungschefs Edi Rama.
Welche Länder haben Sie da im Sinne?
Zum Beispiel Indien, Indonesien, Japan und verschiedene Länder in Südamerika – auch mit Blick auf das Mercosur-Handelsabkommen. Aber auch China. Wichtig ist nur, dass wir unsere Interessen dabei selbstbewusst vertreten.
Sie sprechen China an. Da drohten Abhängigkeiten. Ist das keine Gefahr?
Wir sind von keinem Land der Welt stärker abhängig als von Amerika. Sicherlich verkaufen wir sehr viele Autos in China. Aber das kann sich auch ändern und tut es bereits. Wir müssen vor allem aufpassen, dass wir uns im technologischen Bereich oder bei kritischen Ressourcen nicht zu 90 Prozent von irgendeinem Land oder auch einem Unternehmen abhängig machen. Das gilt für amerikanische Unternehmen genauso wie für chinesische. Das muss man alles einpreisen. Doch genau das meinte ich mit interessengeleitet: Es kann nicht unser Interesse sein, von irgendjemandem abhängig zu sein. Darum sollten wir uns jetzt anderen Märkten öffnen – um nicht von den USA abhängig zu sein.
„Noch besser vor möglichem Angriff Russlands wappnen“: Debatte in Deutschland verändert sich
Wir müssen uns schon wehren – aber immer mit der Idee, dass wir bereit sind zu verhandeln. Man sieht jetzt schon, dass in Amerika eine Debatte entbrennt, weil die Zölle nicht gut für die eigene Wirtschaft und die Inflation sind. Aber da verschiebt sich ohnehin gerade etwas in der Welt. Auch im Verteidigungsbereich.
Donald Trumps Kabinett: Liste voller skandalöser Überraschungen
Europa überlegt gerade, wie man Waffensysteme oder Munition künftig hauptsächlich in Europa kaufen kann. Über bestimmte Technologien verfügt Europa aber noch gar nicht. Das heißt, der Prozess wird Zeit brauchen. Aber: Man kann das verstetigen und damit der europäischen Industrie ein Signal geben, sich zu entwickeln, zu investieren. Unternehmen im Automobilbereich oder im Zulieferbereich, denken daran, Drohnen zu bauen. Das war vor drei oder fünf Jahren undenkbar. Als ich im Kanzleramt gearbeitet habe, wollten wir als Gesellschaft das alles nicht hören. Wir müssen jetzt diese drei, fünf oder zehn verbleibenden Jahre nutzen, um uns noch besser vor einem möglichen Angriff Russlands zu wappnen, und dafür entsprechende Prozesse in Gang setzen. Und da ist gerade die deutsche Bundesregierung mit dem Ermächtigungsrahmen ein ganz zentraler Spieler.