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Interview zur Milliarden-Frage
Merkel-Berater Röller erklärt Merz‘ große Aufgabe – und Schulden-Gefahr: „Dann wird es schwer“
Mit dem Schuldenpaket tritt Deutschland in eine neue Ära. Der früherer Kanzlerinnen-Berater Lars-Hendrik Röller erklärt Chancen und Risiken.
Rottach-Egern – Die Wirtschafts- und die Schuldenpolitik von Angela Merkel mögen mittlerweile in einem anderen Lichte erscheinen; wegen Russlands Überfall auf die Ukraine und der Folgen, wegen der zutage tretenden Infrastrukturprobleme in Deutschland. Aber finanziellen Handlungsspielraum hat die Altkanzlerin ihren Nachfolgern jedenfalls hinterlassen.
Fragt sich, wie ein Experte wie Lars-Hendrik Röller auf die neue Lage blickt. Der Ökonom hat Merkel zehn Jahre lang in Wirtschaftsfragen beraten. Nun erlebt er von der Seitenlinie eine scharfe politische Kehrtwende. Im Interview mit dem Münchner Merkur am Rande des „Unternehmertages 2025“ am Tegernsee betont Röller: Schulden waren nie tabu. Zugleich warnt der 66-Jährige vorsichtig, aber doch bestimmt. Die aktuellen schwarz-roten Koalitionsgespräche könnten aus seiner Sicht ein wirtschaftlich wie politisch sehr weitreichender Moment werden. Und der viel beschworene „Bürokratieabbau“ könne noch schwierige Entscheidungen erfordern.
Herr Röller, Bundestag und Bundesrat haben ein gigantisches Schuldenpaket auf den Weg gebracht. Zu Ihrer Zeit als Wirtschaftsberater im Kanzleramt war das ziemlich undenkbar. Ist das ein rein politischer Bruch, oder war der Schritt wegen externer Einflüsse unvermeidlich?
Sowohl als auch. Natürlich gibt es wichtige externe Einflüsse, gerade mit Blick auf die Verteidigung. Klar ist: sowohl Deutschland als auch Europa müssen mehr tun. Wir haben übrigens auch in der Vergangenheit immer Schulden gemacht. Und das Problem war damals wie heute dasselbe: Wie gibt man das Geld vernünftig aus?
Regulierung und Bürokratie. Wir haben in den Haushalten oft gesehen, dass das verfügbare Geld nicht ausgegeben wurde. Das Problem war also sehr oft nicht, dass kein Geld da war – sondern, dass es durch Regulierung und Bürokratie nicht auf die Straße kam. Die große Herausforderung ist also, dass das Geld auch wirklich da ankommt, wo es benötigt wird. Das muss jetzt in den Koalitionsverhandlungen besprochen werden.
Und wie aus Ihrer Sicht sieht die Lösung aus?
Deutschland hat sich jetzt einen historisch großen Ermächtigungsspielraum geschaffen. Das ist auch ein Signal an die Welt: Deutschland spielt wieder mit, gerade auch in schwierigen Zeiten. Aber das bedeutet auch, dass jetzt der nötige gesetzliche Rahmen, klar gefasste strategische Ziele und Entbürokratisierung folgen müssen, damit es auch mehr Wachstum gibt.
Merkel-Vertrauter Röller zum Bürokratieabbau: „Da gibt es schwierige Entscheidungen zu treffen“
Bei der Infrastruktur gibt es unterschiedliche Ebenen: Bund, Länder, Kommunen – bei der Verteidigung ist es scheinbar einfacher.
Da gibt es zwei unterschiedliche Problemfelder. Das eine ist die Bürokratie; die Regularien und die Prüfverfahren. Das andere ist, dass man bei der Verteidigung auch überlegen muss, wofür man das Geld überhaupt ausgeben will.
Prof. Lars-Hendrik Röller
Bekannt ist Röller vor allem wegen seiner Tätigkeit im Kanzleramt: Von 2011 bis 2021 beriet er Angela Merkel in Wirtschaftsfragen. Als Chefunterhändler („Sherpa“) der Bundesregierung war er bei G7- und G20-Gipfeln in herausgehobener Rolle tätig. Gearbeitet hat der Ökonom auch als leitender Wettbewerbsexperte bei der Europäischen Kommission. Aktuell ist Röller Professor an der Privatuni ESMT Berlin, Vorsitzender des „Berlin Global Dialogue“ und Wirtschaftsberater des albanischen Regierungschefs Edi Rama.
Fangen wir bei der Verteidigung an.
Da muss man europäisch abgestimmt vorgehen. Damit nicht jeder sein eigenes System hat, sondern man Skaleneffekte nutzt und die Produktion anhebt. Denn wir müssen einfach mehr produzieren. Und das ist eigentlich keine Frage des Geldes, sondern erst einmal der Struktur. Aber natürlich ist das Geld sehr hilfreich im Umsetzen dieser Strukturen.
Und die komplizierte Seite in Sachen Infrastruktur: Sehen Sie Risiken?
Infrastruktur ist sehr mannigfaltig: Energieinfrastruktur, Straßen, Schulen. Es dauert oft sehr lange, und die Verfahren sind kompliziert. Fragen Sie mal die Kommunen – die hätten gerne viel mehr Möglichkeiten. Da muss man entbürokratisieren und ein Stück weit deregulieren. Aber da gibt es natürlich schwierige Entscheidungen zu treffen.
Merkels früherer Wirtschaftsberater Röller warnt: „Schlimmstenfalls verpufft das Geld“
Inwiefern?
Viele Verfahrensschritte sind nicht schiere Bürokratie, sondern haben auch ihren Sinn. Zum Beispiel die Prüfung der Umweltverträglichkeit. Insofern geht es nicht nur einfach darum, Doppelarbeit abzuschaffen. Sondern man muss gewichten und entscheiden: Was ist wichtiger?
Die andere Seite der Medaille sind die Schulden als solche. Bereiten die Ihnen Kopfzerbrechen, könnten die Deutschland gefährlich werden?
Das hängt davon ab, ob wir es schaffen, das Wirtschaftswachstum in Deutschland entsprechend anzukurbeln. Wieder ist die Hauptfrage, wie das Geld angewendet wird. Schlimmstenfalls verpufft es, dann gibt es auch kein wirtschaftliches Wachstum und dann wird es sehr, sehr schwer sein, die Schulden zurückzuzahlen.
Die Schulden, die wir jetzt neu aufnehmen, müssen wir natürlich bedienen. Das heißt, der Staat muss die Zinsen der am Markt neu aufgenommenen Anleihen bezahlen – die eigentlichen Rückzahlungen kann man mit neuen Anleihen refinanzieren, einen Schuldenberg vor sich herschieben und immer nur die Zinsen zahlen. Was aber kaum jemand weiß: Die Schuldenbremse kann man nicht nur jahresweise per Ausnahmeregel aushebeln – sondern man muss für diese Schulden dann auch einen Tilgungsplan über 20 Jahre vorlegen. Das kommt alles noch auf uns zu, etwa für die Corona-Jahre.
Balanceakt um das schwarz-rote Schuldenpaket: „Wirtschaftswachstum – dann ist alles tragbar“
Und was heißt das kurzfristig, praktisch?
Der Schuldenstand wird hochgehen. Aktuell liegen wir bei ungefähr 63 Prozent, das kann nun Richtung 80 Prozent gehen. Während der Finanzkrise wuchs der Schuldenstand übrigens auch von 60 auf 80 Prozent an. Wenn Wirtschaftswachstum dahintersteht, dann schaffen wir das – auch in Europa. Wenn nicht, werden die Zinsen hochgehen. Dadurch wird die Schuldenlast immer größer. Als Stabilitätsanker von Europa spielt Deutschland da eine besondere Rolle.
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Die deutsche Entscheidung hat also auch große Bedeutung für Europa.
Ja. Wenn wir anfangen, uns auch um 80 oder 90 Prozent zu verschulden, wird es für die anderen noch viel schwieriger. Und die planen ja auch Infrastruktur und Verteidigungsausgaben. In Zukunft werden es sehr viel mehr die EU-Regeln sein, die Deutschland einschränken. Was auch seinen Sinn hat, denn wir wollen ja den Euro stabil halten und keine zweite Finanzkrise in Europa. Die einfache Antwort ist jedenfalls die gleiche wie vorher: Man muss das aufgenommene Geld vernünftig einsetzen. Dann ist das alles tragbar. Dazu gehört auch, damit private Investitionen nach Europa zu locken. Neun von zehn Euro sind private Investitionen. Viel europäisches Kapital fließt in die USA. Da müssen wir besser werden.
Also ein kritischer Moment.
Die Koalitionsverhandlungen sind jetzt sehr wichtig. (Interview: Florian Naumann)