Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Vor wichtiger Anhörung

„Drogenpolitische Bankrotterklärung“: Verbände machen Cannabis-Druck auf Ampel

In weniger als zwei Monaten soll das Cannabis-Gesetz stehen. Vorab lädt der Gesundheitsausschuss zur großen Diskussionsrunde. Die Fronten sind verhärtet.

Berlin – Zwei Stunden will der Gesundheitsausschuss am Montag über die geplante Cannabis-Legalisierung debattieren. Dazu eingeladen sind 46 Verbände und Privatpersonen, die die Bundesregierung beraten sollen. Für die Sitzung im Deutschen Bundestag sind Vertreter aus der Cannabisbranche, der Medizin und Suchtprävention sowie Polizei und Justiz geladen. Angesichts der teils extrem unterschiedlichen Positionen zeichnet sich eine schwierige Diskussionsrunde ab. Während es für die eine Seite nicht weit genug geht, warnt die andere vor weitreichenden Folgen. Bei IPPEN.MEDIA beziehen vorab mehrere Sachverständige Position.

Aus behördlicher Perspektive gibt es Kritik an der offenbar steigenden Belastung durch Kontrollen. So sehen der Deutsche Richterbund und die neue Richtervereinigung einen Mehraufwand auf die Justiz zukommen, weil neue Regeln kontrolliert und durchgesetzt werden müssen. Auch die Polizei befürchtet zusätzliche Kontrollen. Die Ampel rechnete jüngst hingegen mit Milliardeneinsparungen für die Behörden.

Bundesärztekammer warnt: „Drogenpolitische Bankrotterklärung“

Die Bundesärztekammer argumentiert vorrangig mit den gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums, vor allem bei jungen Menschen. „Das ist kein ernstzunehmender Jugendschutz, sondern eine drogenpolitische Bankrotterklärung“, sagt Ärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt unserer Redaktion. Die Bundesregierung versuche sich „an der Quadratur des Kreises“. Konkret: „Sie will den Eigenanbau erlauben und Cannabis-Clubs einführen, gleichzeitig soll die Zahl der Konsumenten sinken. Es liegt auf der Hand, dass das nicht funktionieren kann.“

Die Bundesärztekammer unterstützt einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion, die die Legalisierung stoppen will. Auch die Bundespsychotherapeutenkammer ist skeptisch. Sie fordert auf Anfrage eine verstärkte Aufklärung über die Gefahren des Cannabiskonsums, eine leichtere ambulante psychotherapeutische Versorgung sowie einen verbesserten Jugendschutz.

„Legal, aber risky“: Gesundheitsminister Karl Lauterbach stellte im August eine Kampagne vor, die Jugendliche über Risiken des Cannabis-Konsums aufklären soll. Einigen Verbänden ist das zu wenig.

Auch Cannabisbranche ist unzufrieden: „Verfassungswidrig, überstreng und vermeidbar kompliziert“

Ganz anders sieht es bei der Cannabisbranche aus. Der gehen die bisher geplanten Regelungen nicht weit genug. So fordert der Branchenverband Cannabiswirtschaft liberalere Anbaubedingungen für die deutsche Industriehanf-Wirtschaft. Das Eindämmen des Schwarzmarkts – ein Hauptziel der Ampel – sei „nur mit Akteuren der Wirtschaft“ möglich.

Grundsätzlich hatte sich die Branche mehr erhofft, als es die Cannabis-Legalisierung nach der Bundestagswahl in den Koalitionsvertrag geschafft hatte. Ursprünglich war damals noch von lizenzierten Fachgeschäften die Rede. Damit könnte die Industrie aktiv an der Legalisierung verdienen. Eine enorme finanzielle Chance für die in den letzten Jahren stetig wachsende Hanfindustrie. Allerdings sieht die aktuelle Planung neben dem Eigenanbau vorerst nur die sogenannten Anbauvereinigungen vor. In diesen „Cannabis-Social-Clubs“ soll es erlaubt werden, gemeinschaftlich Pflanzen anzubauen und Cannabis an Mitglieder abzugeben – pro Monat höchstens 50 Gramm pro Mitglied, bei 18- bis 21-Jährigen maximal 30 Gramm. Diese Vereinigungen agieren nicht-kommerziell zur Selbstkostenabdeckung. Das heißt, sie dürfen keinen Gewinn machen. Für die Wirtschaft eine vertane Chance.

Der Weg zur Legalisierung

Die Bundesregierung plant in Säule 1 des Cannabis-Gesetzes, Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Für Erwachsene ab 18 Jahren soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden, ebenso der private Anbau von maximal drei Pflanzen. Hinzu kommen die „Social Clubs“. In einer zweiten Säule soll es dann Modellregionen für den Konsum in Deutschland geben. In der aktuellen Debatte geht es um Säule 1.

Das Cannabis-Gesetz stand am 18. Oktober erstmals im Bundestag zur Beratung auf der Tagesordnung. Es folgen mehrere Ausschusssitzungen, ehe final über das Gesetz abgestimmt wird. Beschlossen werden müsste es in den verbleibenden vier Sitzungswochen bis Mitte Dezember, wenn es wie vom Bundesgesundheitsministerium geplant Anfang 2024 in Kraft treten soll. Voraussichtlich geschieht dies noch im November. Der Bundesrat muss demnach nicht zustimmen.

Obendrein kämpfen viele Clubs mit bürokratischen Hürden wie Auflagen zur Gründung oder den Abstandsregeln zu Schulen und Kitas, sagt Ulrich Walter, Geschäftsführer des Informationsangebots für Naturprodukte yippy Green. „Die Clubs als legale Bezugsquelle sind so strikt reguliert, dass sie es gegen den illegalen Markt schwer haben werden.“ Das sieht auch der Dachverband deutscher Cannabis-Social-Clubs so, der die Pläne als „verfassungswidrig, überstreng und vermeidbar kompliziert“ in einem Positionspapier ablehnt. (as)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Frederic Kern

Kommentare