Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Ampel-Aus in nächster Phase

Scholz stellt Vertrauensfrage: Stillstand für Rente und Bürgergeld

Mit dem Ende der Bundesregierung gehen monatelanger Stillstand neuer Gesetze bei Rente oder Bürgergeld einher – und damit Probleme für die Menschen.

Berlin – Schluss ist bei der Ampel schon seit dem 6. November, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen bis dato Finanzminister Christian Lindner (FDP) aus der Regierung schmiss. Mit der am Montag, 16. Dezember, gestellten Vertrauensfrage steuert auch die zwischenzeitliche Rotgrüne Minderheitsregierung auf ihr Ende zu, im Februar wird neu gewählt. Neben Wahlkampf bedeutet das für Deutschland vor allem erstmal eines: Stillstand. Ohne Mehrheit im Bundestag stehen schon jetzt etliche Ampel-Vorhaben vor dem Aus. Und bis eine neue Regierung im Amt ist, könnte es dauern.

Scholz stellt Vertrauensfrage: Stillstand bei Rente und Bürgergeld

Eine der wohl bittersten, nun auf der Strecke bleibenden Reformen betrifft die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner im Land, ebenso wie die restliche Bevölkerung indirekt. Das von Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) jahrelang vorangetriebene Rentenpaket II wird nicht mehr kommen. Damit fällt eine nötige Anpassung der Rentenregelung aus. Zwar ist das Gesetzesvorhaben nicht unumstritten gewesen – das sogenannte Generationenkapital, also eine Aktienrente, wurde besonders von Linken und Sozialverbänden harsch kritisiert. Selbst die am Gesetzesentwurf beteiligte FDP blockierte diesen nach erzielter Einigung mit der Begründung fehlender Generationengerechtigkeit mehrmals, weshalb das Paket letztlich auch nicht kam.

Durch das Ampel-Aus gerät auch eine Reform der Rente erstmal ins Abseits. Für Menschen in Deutschland kann das bittere Konsequenzen haben.

Egal, wie man zu einzelnen Punkten des Rentenpaket II steht, dass mit dessen Scheitern und den vorgezogenen Neuwahlen nun auf absehbare Zeit gar keine Reform kommen dürfte, ist fatal. Denn: Mit dem Rentenpaket II wäre sichergestellt, dass das Rentenniveau auch über 2025 hinaus für die kommenden Jahre auf mindestens 48 Prozent bleibt. Ohne Reform droht das Rentenniveau auf 43 Prozent abzusinken. Zwar ist in Deutschland gesetzlich gesichert, dass Renten nicht sinken dürfen. Eine Steigerung – etwa an die Inflation angepasst – fällt ohne Reform aber vorerst flach. Und auch Menschen, die demnächst in Rente gehen, müssen wegen eines niedrigeren Rentenniveaus weniger Altersgeld befürchten.

Nach Vertrauensfrage und Wahlen vergeht viel Zeit – auch für Pläne bei Bürgergeld und Rente

In jeder Partei, die sich Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung in einer neuen Koalition macht, ist deshalb klar, dass sich die neue Bundesregierung schnell mit der Rente befassen muss. Das Problem dabei: das könnte noch dauern. Denn nach einer Wahl wird erstmal sondiert. Es folgen Koalitionsgespräche, wobei Tage und oft Wochen vergehen. 2021 verlief die Regierungsbildung mit rund 2,5 Monaten von der Wahl bis zum Amtsantritt des Kabinetts Scholz recht schnell. Bei der Bundestagswahl 2017 dauerte es dagegen über 5 Monate, bis Angela Merkel ihre vierte Bundesregierung an den Start brachte. Christian Lindners berühmter Satz, „es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ tat dabei sein Übriges.

Renten-Meilensteine in Deutschland in Bildern – von Bismarck über Riester bis Müntefering

Otto von Bismarck brachte im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag.
Der Name Bismarck hallt bis heute nach. Auch weil Otto von Bismarck im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag brachte. Die Geburtsstunde der Rente in Deutschland. © Photo 12/www.imago-images.de
Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880.
Altersrente gab es damals aber erst ab dem vollendeten 70. Lebensjahr – die Lebenserwartung betrug damals nicht mal 50 Jahre. Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880. © imago stock&people/Imagebroker
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen.
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen. Rentenversichert waren zunächst Arbeiter und „kleine Angestellte“ mit Einkommen bis 2.000 Mark. Die Beiträge zahlten Arbeitgeber und -nehmer zu gleichen Teilen. © IMAGO/GRANGER Historical Picture Archive
Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt.
Größere Reformen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts. Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt. Sie konnten schon ab 65 Jahren in Rente gehen – anders als Arbeiter. © imago stock&people/Arkivi
Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatten die deutschen Rentenversicherungsanstalten Überschüsse, die sie etwa in Wohnungsbau steckten. Entlassungswellen und Hinterbliebenenrenten änderten das schnell. Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich. © imageBROKER/GTW
Frauen im Ghetto Warschau bei erzwungener Näharbeit
Im NS-Regime werden Jüdinnen und Juden und andere verfolgte Gruppen aus der Rentenversicherung ausgeschlossen. Millionen von Zwangsarbeitern - im Foto: Frauen 1941 im Ghetto Dambrowa Gornicza bei erzwungener Näharbeit – bleiben ohne Rentenansprüche. Überschüsse der Kassen flossen in Kriegsanleihen. © Imago/Reinhard Schultz
Bundeskanzler Konrad Adenauer (r) gibt in Bonn seine Stimme für die Bundestagswahl 1957 ab
„Keine Experimente“ lautete Konrad Adenauers Slogan zur Bundestagswahl 1957. Bei der Rente wagte er aber eine Reform. Bis dato waren die Renten enorm gering, 50 DM war der Mindestsatz, der Durchschnitt nur unwesentlich höher. Nun änderte sich die Berechnung, Arbeiterrenten stiegen um etwa 60 Prozent. © DB/picture alliance/dpa
Willy Brandt im Jahr 1972.
Die nächste große Neuerung gab es unter Willy Brandt. Seit (dem Wahljahr) 1972 können auch Nicht-Pflichtversicherte in die Rentenversicherung einzahlen – etwa Selbstständige und Hausfrauen. Letzteres war ein Schritt zur Unabhängigkeit von den Ehemännern. Ab 1977 gab es dann auch einen „Versorgungsausgleich“ bei Scheidung. © Imago/Sven Simon
Norbert Blüm klebt Rentenplakat
„Die Rente ist sicher“: Auch mit diesem Satz blieb der mittlerweile verstorbene Arbeitsminister Norbert Blüm in Erinnerung. Auch Blüm kümmerte sich aber um die Lage der Rentnerinnen – er führte 1986 die „Mütterrente“ ein. Seither zählen Kindererziehungszeiten für die Rentenhöhe. © Peter Popp/picture-alliance/dpa
13 09 1985 Berlin Deutsche Demokratische Republik DDR Alte Frauen unterhalten sich
Die nächste große Herausforderung ist die Eingliederung der Bürger der ehemaligen DDR (hier ein Foto aus Ostberlin 1985) in die bundesdeutsche Rentenkasse. Die Deutsche Rentenversicherung preist rückblickend die Stärke des umlagefinanzierten Systems: „Die Rentenversicherung zahlte von einem Tag auf den anderen fast vier Millionen zusätzlicher Renten. Das wäre in einem kapitalgedeckten Rentensystem nicht vorstellbar gewesen.“ © imago stock&people/Franksorge
Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel
Die nächste Reform folgt dennoch – Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel (li.) müssen sparen, auch angesichts der alternden Bevölkerung. Ab 1992 steigen Altersgrenzen. Frauen und Arbeitslose (bislang bis 62 Jahren) und langjährige Versicherte (bis 63) müssen nun bis 65 arbeiten. Nur noch ein Jahr Kindererziehungszeit ist anrechenbar. © Michael Jung/dpa/picture-alliance
Koalitionsverhandlungen Riester Schröder
Auch Gerhard Schröders Rot-Grün hat ebenfalls Rentenpläne im Gepäck. Arbeitsminister Walter Riester leiht der „Riester-Rente“ seinen Namen – der Staat fördert auf ihrem Wege private Altersvorsorge. Das Modell gilt mittlerweile aber als Flop. Riester arbeitete später auch für Carsten Maschmeyers Finanzdienstleister AWD, dem die Reform gelegen gekommen sein dürfte. © picture-alliance / dpa | Hermann_J._Knippertz
Franz Münterfering und Angela Merkel 2007 im Bundestag.
Heikle Operation: SPD-Vizekanzler Franz Müntefering brachte 2007 die „Rente mit 67“ auf den Weg. Angela Merkels GroKo plante allerdings lange Übergangsfristen, noch bis 2031 dauert die Anhebung des Eintrittsalters an. Für Menschen, die 45 Jahre einzahlten, gab es eine Sonderregel. © Imago/Metodi Popow
Angela Merkel und Andrea Nahles 2017 bei einer Kabinettssitzung.
Müntefering war nicht mehr dabei als Merkels zweite GroKo 2017 das nächste „Rentenpaket“ schnürte. Arbeitsministerin war nun Andrea Nahles. Diesmal ging es um Erleichterungen. Langjährig Versicherte konnten nun ab 63 in Rente, die Mütterrente wurde ausgeweitet. 2018 kamen im „Rentenpakt“ (ohne drittes e) „Haltelinien“ für Beiträge und Rentenniveau hinzu. © Michael Kappeler/dpa/picture alliance
19 02 2017 Angleichung der Rente Rente Ostrente Westrente Ost West Altersruhegeld Angleichu
Fast 35 Jahre wird es gedauert haben – aber ab 2025 werden für die Rente in Ost- und Westdeutschland die gleichen Berechnungsgrößen gelten. Ein durchaus historischer Schritt. Beschlossen wurde er schon 2017. © imago stock&people/Steinach
Arbeitsminister Hubertus Heil – zuständig auch für die Rente – im Bundestag.
Die Evolution der Rente geht weiter: Seit 2021 gibt es die Grundrente als Zuschlag für Menschen, die unterdurchschnittlich verdient haben. Es wird nicht der Schlusspunkt sein: Angedacht – aber umstritten – ist die Aktienrente. Zugleich altert die deutsche Bevölkerung weiter, das Umlagesystem ist unter Druck. Ist die Rente sicher, auch über die Amtszeit von Hubertus Heil hinaus? Die Zukunft wird es zeigen. © Hannes P. Albert/dpa/picture-alliance

Es dürfte also klar sein, dass nach der Bundestagswahl am 23. Februar nicht vor dem Frühjahr mit einer handlungsfähigen neuen Regierung zu rechnen ist. Neben der Rente trifft das etliche weitere sozialpolitische Themen. Denn da die Ampel-Koalition sich auch auf keinen Haushalt fürs kommende Jahr einigen konnte, läuft ein sogenannter vorläufiger Haushalt. Dieser stellt zwar Pflichtleistungen wie bisherige Renten- oder Kindergeldzahlungen sicher – Zusatzausgaben oder Anpassungen sind darin aber nicht abgedeckt.

Bürgergeld: Verschärfung fällt vorerst flach

Auch das Bürgergeld ist vom Reformstau der vergangenen und kommenden Wochen betroffen. Im Oktober einigte sich die damals noch bestehende Ampel-Regierung auf Verschärfungen bei der Grundleistung aus dem SGB II. Wer Bürgergeld bezieht, aber Termine beim Jobcenter oder zumutbare Arbeit versäumt, sollte rigoroser sanktioniert werden. Kürzungen der Geldleistungen von bis zu 30 Prozent sind im Entwurf vorgesehen. Damit sollten besonders die von der politischen Opposition oft in die Debatte gebrachten „Totalverweigerer“ härter bestraft werden. Das sorgte besonders bei Sozialverbänden für Kritik.

„Die Behauptung, viele Bürgergeldbezieher würden sich der Arbeit verweigern, ist schlichtweg falsch“, sagte damals die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, gegenüber IPPEN.MEDIA. Sie wies darauf hin, dass dieser Teil der Bürgergeldempfänger weniger als ein Prozent ausmache.

Dass sich diese Debatte nun – zumindest bis zum Zustandekommen einer neuen Bundesregierung – als obsolet herausgestellt hat, liegt ebenfalls am Ampel-Aus. Über einen Kabinettsentwurf (also eine Einigung der Regierungsmitglieder) hat es die Bürgergeld-Verschärfung nicht gebracht. Im Bundestag landete die Reform nicht, weshalb sich an den bestehenden Regeln – wie in vielen anderen Bereichen – vorerst nichts ändern dürfte.

Rubriklistenbild: © Imago/ phototek/ Wolfilser

Kommentare