Renten-Plan wackelt massiv
FDP rechnet vielsagend mit Wissing ab: „Steht sehr einsam da“ – Scholz droht Regierungsunfähigkeit
Der Ampel-Bruch ist perfekt. Kanzler Scholz und seiner Minderheitsregierung droht nun der Stillstand. Das Rentenpaket dürfte Geschichte sein.
Berlin – Nach dem Ampel-Bruch will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Januar die Vertrauensfrage stellen, im März soll neu gewählt werden. Und in der Zwischenzeit? Es besteht dringender Reformbedarf in vielen Bereichen. Scholz will noch etliche Gesetze verabschieden – regiert nun aber ohne Mehrheit. Die Union hat sich als Mehrheitsbeschafferin bereits aus dem Spiel genommen. Und bei der FDP herrscht nach dem Rauswurf von Finanzminister Lindner wenig Begeisterung, Rot-Grün zu unterstützen. „Eine weitere Olaf‘sche Hängepartie darf es nicht geben“, sagt der FDP-Abgeordnete Maximilian Funke-Kaiser.
Ampel-Ende mit Schrecken: Nach Lindner-Rauswurf sitzt der Stachel bei der FDP tief
„Deutschland braucht zügige Neuwahlen“, fordert Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher seiner Fraktion, gegenüber IPPEN.MEDIA. „Statt über eine Zukunftsvision für Deutschland und unsere Wirtschaft zu diskutieren, haben Kanzler und Vizekanzler unseren Finanzminister Christian Lindner bei der Schuldenbremse zum Verfassungsbruch aufgefordert. Das ist mit liberal-rechtsstaatlichen Werten und unseren Ansprüchen an die Regierung nicht vereinbar“, sagt er weiter. Er fordert eine „wirksame Wirtschaftswende“ nach dem Vorbild von Lindners vor Kurzem präsentierten 18-seitigen Positionspapier.
Kanzler Scholz aber hat nicht vor, von seinem Zeitplan abzurücken und Neuwahlen vor März anzusetzen. Das teilte er auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) auf einem Treffen am Mittag mit, wie IPPEN.MEDIA aus Unionskreisen erfuhr. Bei der FDP sitzt der Stachel von Lindners Entlassung derweil tief, die Liberalen sehen die Schuld für das Zerbrechen der Regierung naturgemäß bei Scholz.
Ampel-Bruch: Scholz‘ Rumpf-Koalition droht die Regierungsunfähigkeit
Wo dieser nun noch Mehrheiten für seine Gesetzesvorhaben beschaffen will, löst auch bei der FDP Neugierde aus: „Da stellt sich die Frage: Wenn sich die Parteien schon innerhalb der Koalition nicht einigen konnten, wie soll es dann jetzt funktionieren? Da fehlt mir bisher noch die Fantasie und ich bin gespannt, wie der Kanzler das anstellen will“, sagt die Renten- und Finanzpolitikerin Anja Schulz aus dem FDP-Bundesvorstand IPPEN.MEDIA.
Schulz schließt aber nicht kategorisch aus, für einzelne Vorhaben der Minderheitsregierung zu stimmen: „Es gibt einige Gesetze, die von unserer Seite aus fertig verhandelt sind. Da geht es um die Sache und das Wohl unseres Landes und da würde ich zustimmen“, so die Liberale. „Wenn Rot-Grün aber auch dort noch ihre Positionen durchsetzt, werden wir sicher nicht gegen unsere Vorstellungen von guter Politik stimmen.“
Eines der wohl wichtigsten Gesetze, das nun vor dem Aus steht, ist das Rentenpaket II, die Reform der Altersvorsorge. Eigentlich hatte sich die Ampel bereits im Sommer auf ein Paket geeinigt, die FDP wollte aber nachverhandeln. Rentenpolitikerin Schulz ist skeptisch, was eine Einigung anbelangt: „Das Rentenpaket ist eines der Gesetze, das der Kanzler offenbar unbedingt noch durchbringen will. Es ist schwerlich vorzustellen, dass sich eine Mehrheit für einen Gesetzentwurf finden wird, der in seiner jetzigen Form zu 500 Milliarden Euro Mehrkosten führt.“
FDP rechnet mit Wissing ab – „steht mit Entscheidung sehr einsam da“
Zwar betonen sowohl FDP als auch CDU und CSU, sich staatstragend zu verhalten und wichtigen Gesetzesanträgen zustimmen zu wollen – sie verlangen dafür aber frühere Neuwahlen. Wird Scholz seine Position nicht ändern, droht die Regierungsunfähigkeit. In Berliner Kreisen wird bezweifelt, dass der Kanzler die Vertrauensfrage und damit auch Neuwahlen noch vor seinen öffentlich bereits verkündeten Zeitplan legt.
Allerdings verlassen nicht alle FDP-Politiker die Koalition. Verkehrsminister Volker Wissing bleibt im Amt, übernimmt nun sogar das Justizministerium – und verkündete dafür seinen Parteiaustritt. Bei seinen Noch-Parteikollegen sorgt das für reichlich Verärgerung. „Kanzler Scholz entlässt nun alle liberalen Minister, die Deutschland mit Reformen wieder auf den richtigen Kurs bringen wollten. Es ist deshalb konsequent, dass Verkehrsminister Volker Wissing im Amt bleibt und aus der FDP austritt“, rechnet Funke-Kaiser mit Wissing ab.
Auch Anja Schulz ist auf den künftigen Doppel-Minister nicht mehr gut zu sprechen: „Volker Wissing steht mit seiner Entscheidung sehr einsam da. Selbst seine drei Staatssekretäre haben um die Entlassung gebeten.”
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