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Abstimmung in Straßburg

EU-Parlament wählt von der Leyen erneut zur Kommissionspräsidentin – „Sensationelles Ergebnis“

Das EU-Parlament hat über eine erneute Amtszeit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen entschieden. Die CDU-Politikerin bleibt auf ihrem Posten.

Update vom 18. Juli, 16.26 Uhr: Ursula von der Leyen bleibt für eine weitere Amtszeit EU-Kommissionspräsidentin. Die Wahl war ein Krimi – zumindest im Vergleich zu einer Kanzlerwahl in Deutschland, da es im EU-Parlament keine offizielle Koalition gibt und die Mehrheitsfindung schwierig war. Die Debatte war turbulent, und die Ausgangslage war klar und unklar zugleich. Was von der Leyen in ihrer Bewerbungsrede versprochen hat, welche politischen Angebote sie gemacht hat und wie die Abstimmung verlief, erfahren Sie in unserem Bericht aus dem EU-Parlament in Straßburg.

Update vom 18. Juli, 16.11 Uhr: Die stellvertretende CSU-Chefin Angelika Niebler wertet das Ergebnis bei der Wiederwahl Ursula von der Leyens als Zeichen für „großes Vertrauen“ für die alte und neue Kommissionspräsidentin im Europaparlament. „Mit diesem Ergebnis aus der Wahl herauskommen, bei geheimer Wahl, finde ich sensationell“, sagte die Europaabgeordnete IPPEN.MEDIA in Straßburg. Nun gebe es Stabilität.

Von der Leyens am Morgen vorgestellte Leitlinien begrüßte Niebler ebenfalls – auch als Zeichen für einen in Teilen neuen Kurs. „Ich finde, es ist klar geworden, dass die Kommission umsteuern wird, dass es andere Prioritäten geben wird“, erklärte die CSU-Politikerin: „Erstens die Wettbewerbsfähigkeit stärken, zweitens die Migrationskrise wirklich in den Griff kriegen, zum dritten Sicherheit und Verteidigung.“

Auch der „Ton“ habe sich geändert. „Sie sprach von der Landwirtschaft, sie sprach davon, dass wir das Thema bezahlbaren Wohnraum angehen müssen“, fügte Niebler mit Blick auf von der Leyens Rede hinzu. Positiv sei auch stärkerer Fokus auf dem Mittelstand als dem „Rückgrat unserer wirtschaftlichen Entwicklung“.

Ursula von der Leyen (CDU), amtierende Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht während der Plenarsitzung des EU-Parlaments.

Ursula von der Leyen wiedergewählt: „Handlungsfähigkeit der EU gesichert“

Update vom 18. Juli, 15.02 Uhr: Das Europäische Parlament hat Ursula von der Leyen (CDU) für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt. Dazu hat sich die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Patricia Lips, geäußert: „Die Wiederwahl Ursula von der Leyens als Präsidentin der Europäischen Kommission sichert die Handlungsfähigkeit der EU. Die Stabilität der Gemeinschaft und die Führungsstärke an der Kommissionsspitze sind angesichts der enormen Herausforderungen unserer Zeit von entscheidender Bedeutung.“ Sie stehe für einen „pro-europäischen, transatlantischen Kurs“ und habe „die Ukraine von Anfang an entschieden unterstützt“.

Von der Leyen wiedergewählt: Baerbock und Scholz gratulieren EU-Kommissionschefin

Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat von der Leyen mit persönlichen Worten herzlich zur Wiederwahl gratuliert. „Herzlichen Glückwunsch, liebe @vonderleyen“, schrieb die Grünen-Politikerin auf der Plattform X. Sie fügte hinzu: „Deine Wahl ist eine gute Nachricht für #Europa. Denn in diesen stürmischen Zeiten braucht es eine echte Herzenseuropäerin an der Spitze der @EU_Commission. Lass uns Europa gemeinsam stärker & handlungsfähiger machen.“ 

Update vom 18. Juli, 14.34 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Ursula von der Leyen zu ihrer Wiederwahl als EU-Kommissionspräsidentin gratuliert. Die Wahl sei „ein klares Zeichen für unsere Handlungsfähigkeit in der Europäischen Union, gerade in schwierigen Zeiten“, schrieb Scholz am Donnerstag im Onlinedienst X. „Die Europäerinnen und Europäer erwarten, dass wir Europa voranbringen. Gehen wir es gemeinsam an“, fuhr Scholz fort.

Update vom 18. Juli, 14.19 Uhr: Das Europäische Parlament hat Ursula von der Leyen als Kommmissionspräsidentin wiedergewählt. Die CDU-Politikerin bekam am Donnerstag in Straßburg 401 von 707 abgegebenen Stimmen. 284 Abgeordnete stimmten gegen sie. Zuvor hatte von der Leyen den Abgeordneten ihre politischen Leitlinien für die kommenden fünf Jahre vorgestellt, mit denen sie unter anderem eine Kursänderung in der Verkehrs- und Klimapolitik ankündigte.

Vor Abstimmung über von der Leyen: Eklat im EU-Parlament

Update vom 18. Juli, 13.35 Uhr: Eklat im Europaparlament kurz vor der Abstimmung über eine zweite Amtszeit für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Parlamentspräsidentin Roberta Metsola ließ die rechtsextreme rumänische Europaabgeordnete Diana Iovanovici Sosoaca wegen mehrfacher Störrufe aus dem Plenum werfen. Dabei war Sosoaca von bis zu acht Saaldienern umringt, die versuchten, sie davon zu überzeugen, der Anweisung der Präsidentin zu folgen. Mit einem genervten Unterton fragte Metsola die Abgeordnete: „Wie viele Kollegen müssen kommen, um Sie aus dem Raum zu geleiten?“ Nach einem Wortgefecht verließ sie schließlich den Saal. 

Zuvor hatte die Rumänin mehrfach Reden mit lauten Zwischenrufen gestört und sich dafür auch einen Maulkorb angezogen. So auch als die liberale Fraktionsvorsitzende Valérie Hayer sich am Redepult für ein Recht auf Abtreibung stark machte. Dabei hielt die Rechtsextreme zudem ein Bild von Jesus in die Höhe. Parlamentspräsidentin Metsola erklärte, dass dies bereits die dritte Störaktion der Rumänin gewesen sei und verwies sie daraufhin des Saales.

Diana Iovanovici Sosoaca (m.), Mitglied des Europäischen Parlaments aus Rumänien, trägt einen Maulkorb vor dem Gesicht während sie nach einer Protestaktion bei der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments aus dem Plenarsaal geführt wird.

Abstimmung über zweite Amtszeit von der Leyens: BSW fordert Verschiebung

Update vom 18. Juli, 11.28 Uhr: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) fordert die Verschiebung der Abstimmung über eine zweite Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Hintergrund ist ein Gerichtsurteil zum Umgang der Europäischen Kommission mit Informationen zu Corona-Impfstoffverträgen.

Das BSW argumentiert, dass die Abstimmung über von der Leyen erst stattfinden soll, wenn alle relevanten Dokumente und Informationen offengelegt wurden. Die Abstimmung ist für Donnerstagnachmittag geplant.

Von der Leyen kritisiert Orban nach Moskau-Besuch scharf

Update vom 18. Juli, 10.05 Uhr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich in ihrer Bewerbungsrede für eine zweite Amtszeit für ein „starkes Europa“ in einer „Zeit großer Angst und Unsicherheit“ ausgesprochen. Sie wolle dafür mit allen demokratischen Kräften im Europaparlament kämpfen, sagte sie in einer Rede vor den Abgeordneten in Straßburg. „Ich werde niemals akzeptieren, dass Demagogen und Extremisten unsere europäische Lebensart zerstören.“

Scharfe Kritik übte von der Leyen an der Moskau-Reise des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban. „Diese sogenannte Friedensmission war nichts anderes als eine Appeasement-Mission“, sagte sie unter Anspielung auf die britische Beschwichtigungspolitik gegenüber Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg. Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sprach sie sich zudem dafür aus, eine „echte Europäische Union der Verteidigung“ aufzubauen. Dafür müsse die EU mehr in ihre Sicherheit investieren. Die Nato bleibe allerdings der Pfeiler der europäischen Verteidigung.

Die Abgeordneten im Europaparlament stimmen am frühen Nachmittag über ein weiteres fünfjähriges Mandat für von der Leyen ab. Sie braucht eine absolute Mehrheit von 361 der 720 Stimmen.

Ursula von der Leyen (CDU), amtierende Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht während der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments, das über zweite Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen abstimmen wird.

Update vom 18. Juli, 8.45 Uhr: Im Streit über das Verbrenner-Aus verspricht Ursula von der Leyen für den Fall ihrer Wiederwahl zur EU-Kommissionspräsidentin einen Vorstoß für Ausnahmen für sogenannte E-Fuels. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem die synthetischen Kraftstoffe eine Rolle spielten, heißt es in ihren politischen Leitlinien für die kommenden fünf Jahre.

Wandel in Europa: Die Geschichte der EU in Bildern

Karte der Europäische Union
Die Europäische Union ist eine wirtschaftliche und politische Vereinigung von 27 europäischen Ländern. Insgesamt leben etwa 450 Millionen Menschen im Gebiet der EU. Ursprünglich als Wirtschaftsverbund gegründet, hat sie sich zu einer Organisation entwickelt, die eine Vielzahl von Feldern abdeckt. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist der europäische Binnenmarkt der größte gemeinsame Markt weltweit. Er ermöglicht die freie Bewegung der meisten Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. © PantherMedia (Montage)
Römischen Verträge EU
Der Grundstein für die heutige EU wurde am 25. März 1957 gelegt. Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg unterzeichneten damals die Römischen Verträge. Für Deutschland setzten Kanzler Konrad Adenauer (links) und Walter Hallstein, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, ihre Unterschriften unter das Dokument. Damit waren die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) besiegelt. © dpa
Margaret Thatcher und François Mitterrand
Am 1. Januar 1973 traten Dänemark, die Republik Irland und das Vereinigte Königreich der EG bei. Einfach war das Verhältnis zwischen Großbritannien und Europa nie. Auch Premierministerin Margaret Thatcher (links) war keine Freundin Europas. Mit der Forderung „We want our money back“ setzte die Eiserne Lady 1984 beim Gipfel in Fontainebleau einen Rabatt bei den Zahlungen Großbritanniens in die Gemeinschaftskasse durch. Verhandlungspartner wie der französische Präsident François Mitterrand (rechts) waren machtlos. © Daniel Janin, Gabriel Duval/afp
Militärjunta in Griechenland
Zum 1. Januar 1981 trat Griechenland der Europäischen Gemeinschaft bei. Die Aufnahme des Landes war heftig umstritten. Europa befürchtete, sich einen unangenehmen Partner ins Nest zu holen. So sorgte zum einen das konfliktreiche Verhältnis Griechenlands zur Türkei für Unbehagen. Noch schwerer wog die Diktatur der rechtsextremen Militärjunta, die erst im Juli 1974 zu Ende gegangen war. Ein interner Machtwechsel am 25. November 1973, als Panzer im Athener Zentrum auffuhren (im Bild), konnte den Wandel nicht mehr aufhalten. © Imago
Von wegen grenzenlos - Ärger in Schengen über Grenzkontrollen
1985 unterzeichneten Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten das „Schengener Abkommen“ über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an ihren gemeinsamen Grenzen. Die weitgehende Reisefreiheit erleichterte das Leben und Arbeiten in anderen europäischen Ländern erheblich. Alle Bürgerinnen und Bürger der EU haben das Recht und die Freiheit, selbst zu entscheiden, in welchem EU-Land sie arbeiten, studieren oder ihren Ruhestand verbringen möchten.  © Harald Tittel/dpa
Franco und Juan Ćarlos
1986 nahm die EG zwei neue Mitglieder auf: Portugal und Spanien. Damit konnten beide Staaten ihre Isolation auf dem Kontinent beenden. Vor allem für Spanien war der Beitritt in die EG ein markanter Wendepunkt, um die Folgen der jahrzehntelangen Diktatur unter Francisco Franco (rechts) zu überwinden. Juan Carlos (links), der zwei Tage nach Francos Tod am 20. November 1975 zum König proklamiert worden war, spielte eine entscheidende Rolle bei der Überwindung der Diktatur. Bei der Aufnahme des Bildes im Jahr 1971 hatte er noch im Schatten Francos gestanden. © afp
Silvester 1989 am Brandenburger Tor
Eine Erweiterung im eigentlichen Sinne war es nicht. Doch als am 3. Oktober 1990 die Länder der DDR der Bundesrepublik Deutschland beitraten, wurde die EG automatisch um ein gutes Stück größer. Mit der Wiedervereinigung erstreckte sich das gesamte Gemeinschaftsrecht nun auch auf das Beitrittsgebiet. Mit einer Bevölkerungszahl von mehr als 80 Millionen Menschen ist Deutschland seitdem der bevölkerungsreichste Mitgliedsstaat. © Wolfgang Kumm/dpa
Genscher und Waigel unterzeichnen Maastrichter Vertrag
Anfang der Neunziger war die Zeit reif für einen Wandel. Die Römischen Verträge hatten ausgedient. Am 7. Februar 1992 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EU ein neues Vertragswerk. Für Deutschland unterzeichneten Außenminister Hans-Dietrich Genscher (links) und Finanzminister Theo Waigel (rechts) das Dokument. Der Vertrag von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union trat am 1. November 1993 in Kraft. Mit dem EU-Vertrag entwickelte sich die europäische Gemeinschaft zu einer politischen Union. © dpa
Volksabstimmung zum EU-Beitritt in Norwegen 1994
1995 nahm die EU drei neue Länder auf. In Österreich, Schweden und Finnland hatten zuvor die Menschen in Volksentscheiden dem Beitritt zugestimmt. Auch Norwegen ließ das Volk in einem Referendum darüber abstimmen. Doch hier sah das Ergebnis anders aus. 52,2 Prozent der Wahlberechtigten in Norwegen votierten in einer Volksabstimmung gegen einen Beitritt.  © Berit Roald/Imago
Tschechien feiert EU-Beitritt
Neun Jahre später kam es zur ersten Osterweiterung. Am 1. Mai 2004 traten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und die Republik Zypern der EU bei. Die neuen EU-Länder feierten den Beitritt, in Prag (hier im Bild) und anderen Hauptstädten freuten sich die Menschen über eine Zukunft unter dem Dach der EU. Die Europäische Union setzte sich somit aus 25 Mitgliedstaaten zusammen. © Michal Svacek/afp
Rumänien - EU
Der zweite Teil der Osterweiterung ließ nicht lange auf sich warten. Am 25. April 2005 unterzeichneten Rumänien und Bulgarien den Beitrittsvertrag zur EU. Beide Länder wurden zum 1. Januar 2007 in die Europäische Union aufgenommen. Für die Menschen in Bukarest (hier im Bild) gab es also mehr als nur einen Grund, die Nacht zum Tage zu machen. Die Fläche der EU wuchs mit dieser Erweiterung auf etwas mehr als 4,3 Millionen Quadratkilometer.  © Robert Ghement/dpa
Kroatien wird EU-Mitglied
Schon im Juni 2004 war Kroatien der Status eines offiziellen Beitrittskandidaten verliehen worden. Doch die Verhandlungen verzögerten sich mehrmals, erst sieben Jahre später konnten sie erfolgreich abgeschlossen werden. Kurz danach stimmten 66,3 Prozent der Wahlberechtigten bei einem Referendum für den Beitritt in die EU. Am 1. Juli 2013 war schließlich der Zeitpunkt gekommen, um vor dem Europäischen Parlament in Straßburg die Flagge Kroatiens zu hissen. Die EU bestand damit aus 28 Mitgliedsstaaten. © Frederick Florin/afp
EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp
Banksy-Kunstwerk zu EU und Brexit
Seit dem 31. Januar 2020 besteht die EU nur noch aus 27 Staaten. Nach 47 Jahren verließ das Vereinigte Königreich als erstes Mitgliedsland die Europäische Union. Im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit in einem Referendum für den Abschied aus der EU gestimmt. Der britische Street-Art-Künstler Banksy kommentierte den Brexit auf seine Art. In der Hafenstadt Dover malte er eine riesige EU-Flagge an eine Hauswand – zusammen mit einem Handwerker, der einen der Sterne entfernt. © Glyn Kirk/afp
Friedensnobelpreis für EU.
2012 wurde die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso und Martin Schulz (von links nach rechts) nahmen den Preis bei der Verleihung im Osloer Rathaus am 10. Dezember 2012 in Empfang. © Cornelius Poppe/afp

EU-Parlament stimmt über von der Leyen ab

Erstmeldung: Straßburg – Auch zur finalen Abstimmung über eine erneute Amtszeit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bleibt es spannend. Die findet am Donnerstag (18. Juli) im Europaparlament in Straßburg statt. Bei der Nominierung auf einem EU-Gipfel war von der Leyen die einzige akzeptierte Kandidatin, doch ließen einige Bemerkungen hinterfragen, ob sie auch im Parlament die nötige absolute Mehrheit von 361 Stimmen erreichen kann.

Um 9 Uhr Vormittag tritt Ursula von der Leyen am Donnerstag (18. Juli) laut Plenar-Agenda zuerst ans Redepult. Über das Amt abgestimmt werden soll ab 13 Uhr. Bis dahin hat von der Leyen noch eine letzte Chance, die Abgeordneten in Straßburg zu überzeugen. Dann wird sich zeigen, ob die wochenlangen Absprachen der Kommissionspräsidentin mit Abgeordneten aus verschiedensten politischen Richtungen für ein neues Mandat reichen.

Für Wiederwahl zur EU-Kommissionspräsidentin: Von der Leyen sucht Stimmen links und rechts

Das Mitte-Rechts-Bündnis EVP, zu dem auch CDU und CSU gehören, erfüllt mit 188 Sitzen nur etwa die Hälfte der erforderlichen Stimmen. Doch auch dort kann sich von der Leyen ihrer Stimmen nicht unbedingt sicher sein. Die Wahl wird geheim abgestimmt und es gibt keinen Fraktionszwang. Schon 2019 gewann von der Leyen mit 383 Stimmen bei einer notwendigen Mehrheit von 374 Abgeordneten die Wahl nur knapp.

In diesem Jahr könnte es noch enger werden, denn dass von der Leyen sich beim Stimmenfang nach rechts und nach links gelehnt hat, gefällt nicht allen. Vor allem die Annäherung an Giorgia Meloni stieß bei den Sozialdemokraten auf Kritik. Dennoch sollen die Stimmen nun über eine informelle Koalition mit den Sozialdemokraten und Liberalen, sowie über Zusagen an die Grünen gewonnen werden.

Das ist wahrscheinlich auch die erfolgversprechendere Strategie. Auch wenn die Annäherung der EU-Kommissionspräsidentin nach rechts für die Nominierung hilfreich gewesen sein mag, ist der Rückhalt im EU-Parlament nicht sicher. Meloni hatte sich bei der Nominierung der CDUlerin enthalten, während sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban gegen von der Leyen aussprach.

Von der Leyens Stimmenfang umsonst? Corona-Urteil kurz vor Wahl für Kommissionspräsidentschaft

Ein Urteil des EU-Gerichts am 17. Juli zum Umgang der Kommission mit milliardenschweren Corona-Impfstoffverträgen könnte nun ebenfalls weitreichende Folgen für die Wahl haben. Das Gericht kam zum Schluss, dass die Kommission durch die Geheimhaltung von Information gegen EU-Recht verstoßen hat. Vermutlich könnte das Urteil den Vorwurf der Intransparenz ihrer Amtsführung, der schon seit mehreren Jahren im Raum steht, verstärken.

In der Reaktion der Kommission auf das Urteil wird betont, dass sie in dem Verfahren in weiten Teilen Recht bekommen habe. So wurde argumentiert, dass sich die Kritik des Gerichts vor allem auf die Geheimhaltungsinteressen der Pharmaindustrie beziehe. Es hieß, dass Schäden als Verhandlungspartner befürchten zu sein, würde man diese Interessen ignorieren. Aus dem linken Lager im Europäischen Parlament kamen Forderungen auf, die Abstimmung zu verschieben, bis die vom Urteil betroffenen Dokumente eingesehen werden können. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass diese Position am Tag der Wahl hinreichend unterstützt wird.

Vor der Wahl der EU-Kommissionspräsidentin: Von der Leyen bleibt vage und beschwichtigt

Bei der EVP wird gehofft, dass von der Leyen durch ihre Reaktion auf die Ukraine-Politik des ungarischen Regierungschefs Orban einige Kritiker beschwichtigen kann. Zuletzt hatte das Parlament die EU-Kommission sogar verklagt, weil sie laut einer Mehrheit der Abgeordneten zu Unrecht EU-Fördergelder für Ungarn freigegeben habe. Nachdem Orban nach Moskau gereist war, hatte die CDUlerin angekündigt, dass Spitzenvertreter aus der EU-Kommission vorerst nicht zu Ministertreffen reisen würde, die von der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft organisiert sind.

Zusätzlich blieb von der Leyen sehr vage bezüglich ihres „Green Deal“, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Trotz Kritik aus der Wirtschaft konnte sich die EU-Kommissionspräsidentin so der Debatte um eine Rücknahme des bereits beschlossenen Verbots von neuen Verbrenner-Autos ab 2035 entziehen. Eine Zusage für die Forderung hätte wahrscheinlich zu weniger Stimmen von den Grünen geführt.

Bei der Wahl der Kommissionspräsidenten spielt aber auch die weltpolitische Situation eine Rolle, zum Beispiel der Ukraine-Krieg. So könnten Abgeordnete sich am Ende doch für von der Leyen entscheiden, damit die EU ihre Stabilität behält. Aktuell fällt es schwer, einen mehrheitsfähigen Gegenkandidaten zu nennen. Anders als im Jahr 2019 dürfte auch die Kandidatur bei der Europa-Wahl als Spitzenkandidatin beschwichtigt haben. Bei von der Leyens erste Wahl war sie keine Spitzenkandidatin, was aus mehreren Richtungen kritisiert wurde.

Wenn die Abstimmung wie geplant um 13 Uhr stattfindet, soll gegen 15 Uhr die Stimmenauszählung abgeschlossen sein. Dann wird sich zeigen, ob die CDUlerin eine weitere Amtszeit übernimmt. Informelle Umfragen unter Abgeordneten zeigten, dass von der Leyen bei EVP, Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen zwischen 365 und 420 Stimmen bekommen könnte. Die Abfrage geschah allerdings vor dem Gerichtsurteil.

Sollte von der Leyen nicht gewählt werden, müssten die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten innerhalb eines Monats eine andere Person für die Kandidatur vorschlagen. Ist die Person nominiert, würde das Europäische Parlament erneut über den Vorschlag abstimmen. (lismah mit dpa)

Rubriklistenbild: © Philipp von Ditfurth/dpa

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