Serie „Zukunfts-Bauer“
Bauernhof-Sterben in Deutschland: Familienbetriebe weichen der Großindustrie
1970 gab es über eine Million Bauernhöfe in Deutschland. Mittlerweile sind es weniger als 25 Prozent davon. Hat der Beruf eine Zukunft?
Deutschland war mal Bauernland, doch ist es das immer noch? Seit Jahrzehnten geht die Zahl der Höfe zurück. 2023 mussten rund 3000 Bauernhöfe aufgeben, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium auf Anfrage erklärt. Gleichzeitig steigt seit Jahren die durchschnittliche Fläche, die ein Betrieb bewirtschaftet. Die großen Unternehmen verdrängen kleine Familienbetriebe.
„Bauernfamilien halten Gesellschaft auf dem Land am Leben“
Hinter jedem geschlossenen Betrieb steckt auch ein Einzelschicksal: „Landwirtschaftliche Betriebe sind der gesellschaftliche Kit im ländlichen Raum“, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied zu IPPEN.MEDIA. „Wir Bauernfamilien sind es, die häufig im Ehrenamt die Gesellschaft auf dem Land am Leben zu halten. Jeder aufgegebene Betrieb ist ein Verlust an Agrikultur, Familiengeschichte und gesellschaftlichem Engagement im ländlichen Raum.“
In Zukunft werden wohl weitere Höfe aufgeben müssen. Die Prognose sieht schlecht aus. Im Jahr 2040 wird es nach Hochrechnungen der DZ Bank nur noch rund 100.000 landwirtschaftliche Betriebe geben. Aktuell sind es rund 250.000. Ein über Jahre andauernder Trend setzt sich fort. „Die Agrarwirtschaft hat auf sehr lange Sicht deutlich an Bedeutung für die Gesamtwirtschaft verloren“, heißt es in der im Januar vorgestellten Branchenanalyse. 1970 (circa 1 Million Höfe) lag der Anteil der Landwirtschaft an der gesamten deutschen Bruttowertschöpfung noch bei 3,3 Prozent. 2022 war es 1,0 Prozent.
Der Bauernverband argumentiert, dass die volkswirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft dennoch beachtlich sei. So ist der in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei erzielte Produktionswert mit 79,5 Milliarden Euro höher als etwa jener der Textilbranche (21,8 Milliarden), des Papiergewerbes (41,3 Milliarden) oder der pharmazeutischen Industrie (61,8 Milliarden). Die größten deutschen Branchen wie die Automobilbranche oder das Baugewerbe liegen deutlich darüber.
„Höfesterben wird nicht dazu führen, dass wir keine Landwirtschaft mehr haben“
Fakt ist aber eben auch, dass das Volumen von immer mehr größeren Betrieben mit mehr Fläche erwirtschaftet wird. Das Landwirtschaftsministerium betont in diesem Zusammenhang: „Die Größe eines Betriebes sagt per se noch nichts aus über die Qualität der Bewirtschaftung.“ Rukwied meint: „Es gibt auch sehr erfolgreiche kleine Betriebe.“ Und Dirk Köckler vom Agrarunternehmen Agravis betont: „Diesen Strukturwandel gibt es in allen Branchen.“ Agravis ist eine der führenden landwirtschaftlichen Hauptgenossenschaften und Agrarhändler in Deutschland.
Das heißt aber auch: Die großen Betriebe verdrängen die kleinen Bauernhöfe. Vom Aussterben bedroht sei der Beruf Landwirt dennoch nicht. „Dieses Höfesterben wird nicht dazu führen, dass wir irgendwann mal keine Landwirtschaft mehr haben“, so Köckler. „Landwirtschaft ist systemrelevant und in Deutschland auch fest verwurzelt.“
Dieser Artikel ist Teil der Serie „Zukunfts-Bauer“. Alle Texte im Überblick:
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Die Zukunft der Landwirtschaft liegt auch in den unterschiedlichen Generationen. 45 Prozent der Menschen, die auf dem Hof arbeiten, gehören aktuell zur Familie. Seit Jahren werden es in diesem Bereich weniger. Die Herausforderung liegt darin, den Familienbetrieb an Sohn oder Tochter weiterzugeben, um nicht abhängig von externen Beschäftigten oder Saisonarbeitern zu sein. Nicht immer gelingt das, wie das Landwirtschaftsministerium erklärt: „Es ist zu beobachten, dass insbesondere zum Zeitpunkt der Hofübergabe Betriebe aufhören, da sie keine geeignete Hofnachfolge finden.“
Positiv aus Sicht der Branche: 2022 stieg die Zahl der Auszubildenden erstmals seit sieben Jahren wieder an. Demnach gab es 8730 Auszubildende, die meisten davon in Niedersachsen (1.776), Nordrhein-Westfalen (1.359) und Bayern (1.275). 21 Prozent aller Auszubildenden sind Frauen. Köckler kann für den Beruf nur werben: „Der Landwirt ist einer der schönsten Berufe der Welt, mit einem hohen Maß an Selbstbestimmtheit und einem wunderbaren Arbeitsumfeld.“