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Konflikt vor Thüringen-Wahl

„Ich fürchte um meine Kinder“: Höcke und Wagenknecht lösen Angst bei ukrainischen Müttern aus

Thüringen ist von einer gesellschaftlichen Kluft durchzogen. Im Süden des Bundeslandes treffen jeden Montag zwei unterschiedliche Gruppen aufeinander.

Meiningen/Erfurt – Die Kulisse passt so gar nicht zu dem giftigen Drama, das sich immer montags auf dem hübschen Marktplatz von Meiningen abspielt. Auf der einen Seite: die imposante Stadtkirche, vor der Ukrainerinnen und Ukrainer im sommerlichen Abendlicht gemeinsam mit deutschen Nachbarn für Frieden beten. Und auf der anderen Seite: die alte Post, in deren Schatten Frauen und Männer russische Fahnen und schwarz-weiß-rote Reichsflaggen mit Slogans in Frakturschrift schwenken. Die Szenerie zeigt: Ein Riss zieht sich seit Jahren durch die Gesellschaft hier – und es ist ein Stimmungsumschwung kurz vor der Landtagswahl in Thüringen zu spüren, der manchen Angst macht.

Vor Landtagswahl in Thüringen: Ukrainer fürchten gutes Abschneiden von AfD und Wagenknecht-Partei

Die mit den Flaggen gehen seit der Pandemie auf die Straße, um gegen die Coronapolitik, gegen die Bundesregierung zu demonstrieren, die sie eine „Diktatur“ nennen. An diesem Montagabend sind es rund 50 Menschen. Während sie ihren Marsch durch die Straßen beginnen und „jagt die Grünen aus dem Land“ skandieren, wächst auf der anderen Seite die Anspannung bei Valentina Boiko.

Das Feindbild ist eindeutig: Demonstranten mit Russland-Flaggen skandieren in Meiningen in Thüringen: „Jagt die Grünen aus dem Land“.

Die junge Frau hat einen Kranz aus blauen und gelben Papierblumen im Haar – die Farben der Ukraine, ihrer Heimat. Vor zwei Jahren flüchtete die 36-Jährige mit ihren Kindern vor dem Krieg nach Deutschland. Heute wollte sie bei der sogenannten Mahnwache dabei sein: Die regelmäßige Solidaritätskundgebung hatte der „Meininger Gesprächskreis“, eine Initiative um den Grünen-Kommunalpolitiker Ulrich Töpfer, kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs ins Leben gerufen. Valentina Boiko spricht ruhig und leise, eine Bekannte hilft dolmetschend. „Ich bin den Deutschen so dankbar“, sagt sie. Doch sie mache sich Sorgen angesichts der bevorstehenden Landtagswahl.

Höckes AfD in Umfragen vor Landtagswahl in Thüringen stärkste Kraft, Wagenknecht-Partei auf Platz drei

Man nehme in der ukrainischen Community durchaus wahr, dass die AfD immer mehr Zuspruch bekommt – und jetzt auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). In aktuellen Umfragen zur Landtagswahl in Thüringen ist die AfD um Landeschef Björn Höcke mit knapp 30 Prozent stärkste Kraft, das BSW liegt aktuell bei 20 Prozent – knapp hinter der CDU. Es ist durchaus denkbar, dass die Parteien zumindest Einfluss auf das Regierungsgeschehen in Thüringen haben werden. Sowohl AfD als auch BSW stehen Ukraine-Hilfen kritisch gegenüber, beide Parteien wollen ein Ende der Sanktionen gegen Russland. Und Sahra Wagenknecht forderte jüngst, Leistungen für Geflüchtete aus der Ukraine zu streichen.

Valentina Boinko (links) bei einer Mahnwache für die Ukraine in Meiningen.

„Ich merke schon jetzt hin und wieder, dass sich die Stimmung bei manchen ändert“, sagt Valentina Boiko. Sogar Beschimpfungen habe es gegeben und einmal habe man sie gefragt, was sie hier eigentlich verloren habe. „Manche halten uns für eine Last“, sagt sie. Dabei wolle sie wahrlich niemandem auf der Tasche liegen. Julia Riabukha pflichtet ihr bei. Die 50-Jährige ist ebenfalls aus der Ukraine geflüchtet, nachdem sie dort einige Monate als Freiwillige im Widerstand gewesen war. „Ich habe in Deutschland einen Job und zahle Steuern. Ich will etwas leisten und beitragen, das ist mir wichtig“, sagt sie.

Nach Flucht vor Ukraine-Krieg: Sorge um Stimmungsumschwung in Thüringen

Nun wachse bei ukrainischen Familien in Thüringen die Angst, dass die öffentliche Meinung über sie noch weiter umschlage, wenn die AfD unter Björn Höcke oder die Wagenknecht-Partei bei der Landtagswahl in Thüringen gut abschneiden: „Sie befeuern das, und das ist schlecht. Ich fürchte vor allem um meine Kinder“, sagt Valentina Bianko. Sie wäre gern längst wieder zu Hause, aber: „Wir haben nicht erwartet, dass dieser Krieg, den Putin begonnen hat, so lange dauert.“

Viel Misstrauen herrscht bei den Demonstranten: Über ihr Anliegen reden wollen sie nicht.

Und auf der anderen Seite? Dort glaubt man nicht, dass Putin den Krieg begonnen hat. „Das ist Propaganda, sonst nichts“, sagt ein Mann mit beiger Kappe auf dem Kopf und Russlandfahne über der Schulter. Ein anderer mit Anglerhut filmt mit. Was ihr Anliegen ist, warum sie sich jeden Montag vor dem alten Postgebäude versammeln und dann durch die Stadt marschieren, das will hier keiner sagen. „Wir warten, dass die Post wieder aufmacht“, feixt eine Frau mit graublondem Haar. Und der mit der Kappe schreit: „Wenn ihr alle an die Front müsst, dann werdet ihr euch noch umgucken“.

Rubriklistenbild: © Jonathan Penschek/Martin Schutt/dpa & Peter Sieben

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