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„Wunderschönes Xinjiang“: China will Uiguren-Provinz neues Image verpassen – mit Erfolg
Luxushotels für Touristen statt Umerziehungslager für Uiguren: China versucht, das Image der Provinz Xinjiang aufzupolieren. Doch die Lage ist weiterhin dramatisch.
Die chinesische Provinz Xinjiang solle ein „wunderschöner“ Ort werden, forderte Xi Jinping Ende August. Auf dem Rückweg vom Brics-Gipfel in Südafrika war Chinas Staats- und Parteichef in die Uiguren-Region im Nordwesten des Landes gereist, um sich von der örtlichen Führung über die Fortschritte in der Provinz unterrichten zu lassen. Schön – das bedeutet für Xi: Xinjiang soll so werden wie der Rest des Riesenreichs. Also vor allem politisch stabil – und so „chinesisch“ wie nur irgendwie möglich. Die Turkvölker, die in Xinjiang leben, müssten Hochchinesisch sprechen, „illegale religiöse Aktivitäten“ müssten „wirksam kontrolliert werden“. Und, auch das sagte Xi Jinping laut Staatsmedien im August: Die „Erfolge der Arbeit in Xinjiang“ seien schon jetzt deutlich sichtbar.
Nicht mehr ganz so sichtbar, das berichteten zuletzt mehrere westliche Journalisten, sei in Xinjiang hingegen die Überwachung und Kontrolle der Uiguren und anderer muslimischer Minderheiten. Die meisten Polizeistationen, die vor einiger Zeit noch an jeder Straßenecke in Xinjiang standen, seinen abgebaut worden, berichtete etwa David Lipson vom australischen Fernsehsender ABC. Lediglich die vielen Überwachungskameras seien „eines der wenigen sichtbaren Zeichen der jahrzehntelangen, intensiven Unterdrückung“ der Uiguren, schreibt Lipson, der Xinjiang kürzlich besuchen konnte.
UN-Experten kritisieren Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang
Schon länger ist zudem bekannt, dass die meisten der Umerziehungslager, in denen bis 2019 bis zu einer Million Menschen interniert worden sein sollen, größtenteils geschlossen wurden. Dennoch sei „das Schlimmste ganz und gar nicht überstanden“, sagte der Journalist und Sinologe Mathias Bölinger im Frühjahr im Interview mit der Frankfurter Rundschau. Die Lager seien zu offiziellen Gefängnissen umgewidmet worden, „Lockerungen gibt es ausschließlich an der Oberfläche“.
Im vergangenen Jahr hatte die damalige UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet Chinas Regierung vorgeworfen, in Xinjiang „schwere Menschenrechtsverletzungen“ begangen zu haben. Auch ihr Nachfolger, der Österreicher Volker Türk, zeigte sich vor einigen Monaten „besorgt“ über die Lage in Xinjiang. UN-Menschenrechtler warfen China vor Kurzem zudem vor, uigurische Kinder, deren Eltern sich im Exil oder in Internierungslagern befänden, in staatliche Internate zu stecken. Dort würden sie kulturell assimiliert.
Terroranschläge und gewaltsame Ausschreitungen mit Hunderten Toten hatten das massive Vorgehen gegen die Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten ausgelöst, da China dafür militante Separatisten verantwortlich machte.
China will den Tourismus in Xinjiang fördern
Trotz oder gerade wegen der massiven Vorwürfe westlicher Beobachter will China der Region Xinjiang nun offenbar ein neues Image verpassen. Die Provinzregierung müsse „die positive Öffentlichkeitsarbeit verstärken und die neue Atmosphäre der Offenheit und des Selbstbewusstseins in Xinjiang zeigen“, forderte Xi im August.
Dazu gehört auch die Förderung des Tourismus in der Region, durch die einst die historische Seidenstraße verlief. Mehr als 700 Millionen Yuan (92 Millionen Euro) wolle die Tourismus-Behörde von Xinjiang in diesem Jahr unter anderem in den Bau von Luxushotels, Freizeitparks und Campingplätzen stecken, schrieb vor Kurzem die Nachrichtenagentur AFP. Laut dem ABC-Bericht von David Lipson haben allein in diesem Jahr bereits 180 Millionen Touristen Xinjiang besucht. Zu sehen gibt es in Xinjiang indes nicht mehr viel von der alten Kultur, die einst die Faszination der Region ausmachte. So wurde etwa das historische Zentrum der Oasenstadt Kaschgar, die ganz im Westen von Xinjiang liegt, in den vergangenen Jahren weitgehend zerstört.
Aber nicht nur Luxushotels und zahlungskräftige Touristen sollen helfen, das Image von Xinjiang aufzupolieren. China steckt zudem viel Geld in Desinformationskampagnen, wie ein Ende September veröffentlichter Bericht im Auftrag des US-Außenministeriums zeigt. Dabei gehe es auch darum, ein positives Bild von Xinjiang zu zeichnen.
China wünscht sich ein positives Bild von Xinjiang
Eine Strategie der chinesischen Regierung ist es, ausländische Reporter zu Reisen in die Region einzuladen. Der ABC-Journalist etwa war auf einer solchen Tour unterwegs. Er konnte dabei nach eigenen Angaben trotz fast lückenloser Überwachung auch ungestört mit Einheimischen sprechen, die ihm ein differenziertes Bild der Lage vermittelten. Ebenfalls auf Einladung der chinesischen Regierung bereiste kürzlich ein Reporter der Berliner Zeitung die Uiguren-Provinz. Von Menschenrechtsverletzungen ist in seinem „Reisebericht aus Xinjiang“ indes nichts zu lesen. Stattdessen erfährt man von „gewaltigen ökonomischen Veränderungen“, die den Autor ganz offensichtlich sehr beeindruckt haben. Beim Besuch eines „modernen Agrarunternehmens“ habe er erfahren, dass „fast 90 Prozent der Belegschaft“ Uiguren seien. Ein Bauernehepaar lässt er von den Wohltaten des chinesischen Staates schwärmen.
Im sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter) nennt der Politikwissenschaftler Andreas Fulda von der Universität Nottingham den Text einen „handfesten Skandal“; Thorsten Brenner vom Global Public Policy Institute in Berlin spricht von einem „Tiefpunkt des deutschen Journalismus“. Und der Sinologe und Xinjiang-Experte Björn Alpermann von der Universität Würzburg schreibt, der Artikel gebe „1:1 die standardmäßigen Narrative der chinesischen Parteipropaganda“ wieder.
Schon 2013 hatte Staatschef Xi die Parole ausgegeben, Journalisten müssten „Chinas Geschichte gut erzählen“. Umso besser, wenn diese „guten Geschichten“ von Xinjiang handeln.