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Extremismus

Radikale Islamisten werben junge Menschen im Netz: „Die Gefahr von Anschlägen steigt“ 

Mit Videos und Slogans macht die „Generation Islam“ Werbung bei Tiktok und Youtube. Die Mechanismen sind ähnlich wie bei Rechtsextremisten, sagen Experten – und warnen vor den „Islamfluencern“.

Essen/Berlin – Der Algorithmus hilft beim großen Plan von der Weltherrschaft. Bewegungen wie die „Generation Islam“ nutzen soziale Medien, um radikalislamische Ideologien zu verbreiten. Das Langzeit-Ziel: Der Kampf gegen die aus ihrer Sicht „Ungläubigen“ und die Errichtung eines globalen Kalifats. Die Mittel, die sie nutzen, um Menschen für sich zu gewinnen, sind vergleichbar mit denen von Rechtsextremisten, sagen Experten – und warnen: Sie werden immer professioneller und erfolgreicher.

Die Anti-Israel-Demo in Essen hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Gruppen wie „Generation Islam“ hatten im Vorfeld bei Social Media mit emotionalen Posts Werbung gemacht.

Kalifat-Rufe bei Demo in Essen: „Das war ein islamistischer Aufmarsch“

Wie gut die Bewegung Massen mobilisieren kann, konnte man Anfang November in Essen sehen. Gut 3000 Menschen waren dort bei einer Anti-Israel-Demo unterwegs, schwenkten schwarz-weiße Banner, forderten die Errichtung eines Kalifats. Angemeldet war das Ganze als Pro-Palästina-Demo. Doch damit habe das nichts zu tun gehabt, sagt Islamwissenschaftler Ahmad Omeirate: „Das war ein islamistischer Aufmarsch.“ Der Krieg in Israel werde nur genutzt, um zu emotionalisieren.

Islamwissenschaftler Ahmad Omeirate sagt: Die Demo in Essen war ein „islamistischer Aufmarsch“.

Einer der Hauptredner bei der Veranstaltung war Ahmad Tamim, unter Szenekennern ist der Name bekannt. „Ahmad Tamim ist ein Pseudonym. Er ist das prominente Gesicht der ‚Generation Islam‘.“ Die Demo in Essen sei eine reine Machtdemonstration gewesen, man habe Selbstbewusstsein demonstrieren wollen. „Sicherheitskräfte müssen härter durchgreifen, sonst tanzt man ihnen auf der Nase herum. Selbst die Polizei wusste in Essen vorher nicht, was das eigentlich für eine Veranstaltung ist“, so Omeirate.    

„Generation Islam“ ruft zu Twitter-Storm auf: „Ihre Beiträge sollen emotionalisieren“

Mit starken Bildern und einfachen Slogans emotionalisieren die Bewegungen ihre Follower im Netz.

Die „Generation Islam“ und andere Gruppen wie „Muslim Interaktiv“ haben bei Youtube oder Tiktok Tausende Follower, ihre Videos und Beiträge werden zehntausendfach gelikt und geteilt. Schon vor der Demo in Essen hatten die Aktivisten im Netz massiv Werbung gemacht und unter dem Hashtag „StaatsräsonTötet“ zu einem „Twitter-Storm“ aufgerufen – inklusive Anleitung, wie die Aktion funktioniert. Innerhalb von kurzer Zeit wurde der Hashtag 120.000 Mal genutzt. „Die radikalen Islamisten nutzen Mainstreamplattformen, um möglichst viele Leute zu erreichen“, sagt Politikwissenschaftler und Kommunikationsberater Johannes Hillje. Er befasst sich seit Jahren mit Kommunikationsformen von Extremisten. „Ihre Beiträge sollen emotionalisieren, eine Reaktion provozieren, was wiederum die Reichweite steigert“, erklärt er. Das funktioniere eben auch durch den Gebrauch eines zugespitzten Hashtags. „Je öfter dieser in Posts genutzt wird, desto höher die Relevanz dieser Beiträge für den Algorithmus.“

Politikwissenschaftler Johannes Hillje sieht Parallelen zwischen der Kommunikation radikaler Islamisten und der von Rechtsextremisten.

Parallelen zwischen radikalen Islamisten und Rechtsextremen

Hillje sieht deutliche Parallelen zu den Methoden der Neuen Rechten: „Gerade die Identitäre Bewegung oder die Junge Alternative nutzen ganz ähnliche Digitalstrategien.“ Bei den Islamisten würden genau wie bei den Rechtsextremisten Profis sitzen, die Hochglanz-Inhalte lieferten. „Da arbeiten unterschiedliche Gewerke zusammen, es gibt beispielsweise kreative Spezialisten für Videoproduktion und für Social-Media-Management.“ So könne man vor allem Jugendliche sehr gezielt ansprechen. „Das sind radikalisierte Islamfluencer, die die bewährten Mittel von Influencern nutzen.“ 

Dabei hätten die Aktivisten eine gemeinsame Basis, sagt Islamwissenschaflter Ahmad Omeirate: „‚Generation Islam‘ oder ‚Muslim Interaktiv‘ wollen den Anschein erwecken, sie wären einzelne Bewegungen, die für sich stehen. In Wahrheit ist das eine große Bewegung, die der Hizb ut-Tahrir nahesteht“, erklärt er. Die Hizb ut-Tahrir (HuT) ist eine islamistische Bewegung, die einen weltweiten Kalifatstaat will. Ihr Ideal ist ein Islam, wie er im frühen Mittelalter gelebt wurde. In Deutschland gilt seit 2003 ein Betätigungsverbot für die HuT. Unter neuen Namen wie „Generation Islam“ agiert sie aber faktisch weiter, sagen Experten.

Islamwissenschaftler: Gefahr von Anschlägen steigt

Omeirate glaubt: Es steckt ein harter Kern von Leuten dahinter. „Das sind sehr, sehr kluge Köpfe, gebildet und eloquent. Man darf sich da nicht das Klischee vom Islamisten mit dem Sprengstoffgürtel vorstellen.“ Die Gefahr, dass es durch die Radikalisierung im Netz zu Anschlägen aus der Dschihadistenszene komme, sei groß. Aufklärung sei ein wichtiges Mittel, um gegenzusteuern. „Das waren nicht alles Islamisten bei der Demo in Essen. Für viele Muslime sind die Strukturen nicht erkennbar, sie beschäftigen sich nicht damit“, so der Islamwissenschaftler.

Die Anleitung zur Propaganda-Verbreitung liefern die islamistischen Bewegungen gleich mit.

Man brauche neue Wege, um gerade junge Menschen aufzuklären, sagt Politologe Johannes Hillje. „Besser als ein reiner Faktencheck ist es, eine Immunisierung zu erreichen. Das heißt: Gerade jungen Menschen zu vermitteln, mit welchen Strategien sie manipuliert werden sollen.“ (pen)  

Rubriklistenbild: © Vladimir Wegener/imago/IDZRQ-Montage

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