„Garantie der Menschenwürde“
Milliarden-Loch im Haushalt: Bürgergeld streichen? Experte erklärt, warum das nicht geht
Die FDP will wegen der Milliarden-Lücke im Bundeshaushalt der Ampel-Regierung die Bürgergeld-Erhöhung stoppen. Im ZDF erläutert ein Experte die großen Hürden.
Berlin – Das Bundesverfassungsgericht hat den Haushalt der Ampel-Regierung einkassiert. 17 Milliarden Euro muss die Koalition aus SPD, Grünen und FDP einsparen, die deshalb nicht nur über die Schuldenbremse streitet.
Bürgergeld-Erhöhung wegen Haushalts-Loch streichen? Verfassungsrechtler verneint
Seit Tagen sitzen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) sowie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) immer wieder zusammen. Lösungen müssen her. Die FDP forderte zuletzt, die Erhöhung des Bürgergeldes für Arbeitslose zu streichen. Dadurch könnten laut Lindners Partei geschätzt 3,4 Milliarden Euro eingespart werden.
Zur Erklärung: Ab Januar 2024 sollen alleinstehende Bürgergeld-Bezieher monatlich 563 Euro statt vorher 502 Euro bekommen, die Miete und die Heizkosten werden nebenbei auch vom Staat bezahlt. 5,5 Millionen Menschen gelten hierzulande als Empfänger. Doch: Kann die Ampel-Koalition die bereits beschlossene Bürgergeld-Erhöhung um 12 Prozent staatsrechtlich einfach so schnell zurücknehmen. Nein, sagt Verfassungsrechtler Prof. Joachim Wieland und liefert die Begründung hinterher.
Bürgergeld wird in Deutschland erhöht: Experte sieht „Nachholeffekt“
„Die Politik hat wenig Einfluss darauf. Das Bundesverfassungsgericht hat tatsächlich sehr strikte Vorgaben für die Sicherung des Existenzminimums gemacht: Das muss zeitnahe erfolgen, das muss transparent sein. Man muss es nachvollziehen können. Und das alles wird abgeleitet aus der Garantie der Menschenwürde, die jedem in Deutschland garantiert, dass er nicht hungern muss, nicht frieren muss und ein Dach über dem Kopf hat“, erklärte der Universitätsprofessor für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer im „heute journal“ des ZDF.
Man könne nie einen Betrag in Cent und Euro aus dem Grundgesetz ableiten, meinte Wieland weiter und ließ im Gespräch mit ZDF-Journalistin Marietta Slomka auch die zuletzt abgeschwächte Inflation nicht als Argument für den FDP-Vorstoß gelten. „Viel Spielraum besteht da nicht, weil die Inflation im letzten Jahr schon weit fortgeschritten war, bevor man das Bürgergeld angepasst hat. In diesem Jahr wird ein gewisser Nachholeffekt nachgezogen“, erklärte der 72-jährige Rechtswissenschaftler und meinte damit das Jahr 2024.
Haushalts-Einsparung beim Bürgergeld? Experte erklärt im ZDF Rechtssprechung
Grundsätzlich eigne sich das Bürgergeld aufgrund der Vorgaben der Verfassung und des Bundesverfassungsgerichts „kaum dazu, viel Geld einzusparen“, meinte Wieland mit Blick auf den Spar-Zwang der Ampel-Koalition. Das Bürgergeld sei durch das Grundgesetz, also die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, insofern geschützt, da es auf den Bedarf ausgerichtet sei, „den jemand hat, der wenig Geld hat. Der muss viel Geld für Lebensmittel ausgeben, was teuer geworden ist. Für Strom, der teuer geworden ist“, erklärte er: „Das ist eine besondere Berechnung, die aber gerade die Bedürfnislage der Menschen treffen soll, um deren Existenzminimum es hier geht.“
Mit anderen Worten: Will die „Ampel“ so kurzfristig an das Bürgergeld ran, droht neuer Ärger mit dem Verfassungsgericht in Karlsruhe. Ohnehin sei die Zeit jetzt zu kurz für eine derart aufwändige Maßnahme, erklärte Wieland im „heute journal“: „Bis zum 1. Januar ist das nicht mehr vorstellbar. Man könnte frühestens zum 1. April, vielleicht zum 1. Juni eine Neuregelung einführen. Und die hätte erheblichen Verwaltungsaufwand, weil man rückwirkend etwas streichen oder zahlen müsste.“
Bürgergeld-Erhöhung ab Januar 2024: Jobcenter haben sich darauf eingestellt
Zur Einordnung: Die Jobcenter, die die Auszahlung der Sozialleistung kontrollieren, hatten sich in ihrer Arbeit zuletzt auf den neuen Regelsatz eingestellt. Und schließlich stehen über Weihnachten und Silvester Feiertage sowie für viele Mitarbeiter Urlaub an. Wielands Einschätzung nach sei eine „Änderung erst für (den Haushalt, d. Red.) 2025 realistisch, in dem begrenzten Rahmen, den die Verfassung lässt“. (pm)
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