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Opposition sucht Beweise

„Russischer Schweif“ bei der Georgien-Wahl: Betrug nach Putins Handbuch – vorerst nur „Vermutung“

Russland oder EU – das schien die eigentliche Wahl in Georgien. Die prorussische Regierung verkündet ihren Wahlsieg. Die Opposition sucht den Betrugsbeweis.

Wahlergebnisse anzuzweifeln: Das hat spätestens seit der US-Wahl 2020 einen äußerst faden Beigeschmack. Was aber, wenn eine Wahl wirklich manipuliert ist – noch dazu eine echte „Schicksalswahl“?

Was in den USA und der EU äußerst unwahrscheinlich scheint, ist in jüngeren Demokratien nicht undenkbar. In Georgien etwa: Am Samstag (26. Oktober) hat das Land eine Richtungswahl hinter sich gebracht. Nach offiziellen Angaben mit einem so deutlichen wie unerwarteten Sieg der zunehmend autoritären und prorussischen Regierungspartei Georgischer Traum. Die Opposition wollte die Kehrtwende Richtung EU – und zweifelt massiv am Ausgang.

Nach der Georgien-Wahl: Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen wegen des Verdachts auf Wahlfälschung auf

Seit Dienstagmorgen ist klar: Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf. Doch bislang sind öffentlich nur „Einzelbelege“ für Betrug bekannt. „Viele“ zwar, aber keine für systematische Vorgehen, wie Stephan Malerius von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tiflis IPPEN.MEDIA schon am Montagabend (29. Oktober) sagte. Hinzu kommt eine erstaunliche Abweichung zwischen Nachwahlbefragungen und Wahlergebnis

Proteste in Tiflis am Montag – und Regierungspolitiker Bidsina Iwanischwili bei seiner Stimmabgabe am Samstag. (Montage)

Die Opposition selbst arbeite fieberhaft an der Beweisfindung, berichtet der Regionalprogrammleiter der KAS. Ein großer Teil des Landes befinde sich indes angesichts des unerwarteten Wahlausgangs in einer Art „Schockstarre“. Vorerst scheint Georgiens Zukunft mehr als unklar – eine Zukunft in oder nahe an der EU könnte unerreichbar werden. Oppositionspolitiker Tsurab Tschiaberaschwili hatte im Gespräch mit IPPEN.MEDIA noch kurz vor der Wahl einen friedlichen Machtwechsel erwartet.

„Russischer Schweif“ in Datenanalyse – doch der Beweis fehlt nach der Georgien-Wahl

Die Blicke richten sich nun unter anderem auf einen „Russian tail“, „russischen Schweif“. So nennt Daten- und IT-Experte Levan Kvirkvelia eine auffällige Kurve in der Auswertung der Wahlergebnisse in einem Thread auf X. Statt einer erwartbaren glatten Kurve zeige sich unter den Ergebnissen der Regierungspartei ausschließlich in ländlichen Gebieten eine auffällige Ausbuchtung, meint er: Erstaunlich oft habe der Georgische Traum dort Ergebnisse zwischen 80 und knapp 100 Prozent der Stimmen erhalten. Nach Kvirkvelias Ansicht ein Indiz für „Ballot Stuffing“, also das Fluten von Wahlurnen mit Stimmen für eine Partei.

Statistische Auffälligkeiten sind auch bei russischen Wahlen bekannt – die Webseite Meduza hatte nach Wladimir Putins Präsidentschaftswahl Anfang 2024 ein ganzes Set an auffälligen „Tails“ in Grafiken dargestellt. Kvirkvelia sieht in seinen Daten „solide Beweise, die das Argument der Wahlfälschung unterstützen“. Das Wort „Beweis“ dürfte indes zu hoch gegriffen sein. Auffällig scheinen die Daten aber.

Ebenso wie die des US-Instituts Edison. Es hatte nach eigenen Angaben am Wahltag knapp 15.000 Wähler nach ihrer Stimmabgabe befragt – und war zu dem Schluss gelangt, dass vier Oppositionsparteien zusammen auf 52 Prozent der Stimmen kommen, der Georgische Traum „nur“ auf 41 Prozent. Bei früheren Wahlen waren Edisons Daten stets nur wenige Prozentpunkte vom Ergebnis abgewichen. Diesmal erzielte der Georgische Traum rund 13 Prozentpunkte mehr als in dieser Prognose. Deutlich andere Daten lieferte nur das regierungsnahe Institut „GORBI“. Auch das aber: kein handfester Beweis für Wahlbetrug.

ParteiWahlergebnisNachwahlbefragung Edison
Georgischer Traum53,93%41%
Koalition für Wandel (Opp.)11,04%17%
UNM (Opposition)10,17%17%
Starkes Georgien (Opp.)8,81%10%
Für Georgien (Opp.)7,77%8%

Die 12 bis 13 Prozentpunkte Unterschied dürften 250.000 bis 300.000 Wählerstimmen entsprechen, wie Malerius sagt – und könnten die „smoking gun“ darstellen. Diese hohe Summe hätten einzelne Berichte über Bestechung, Mehrfachwahl oder manipulierte Stimmzettel – Stand Montag – aber noch nicht erbracht oder erklärt. „Das sind Einzelbeispiele und das zu quantifizieren wird schwierig“, betont er. Wenn es ein „Betrugsschema“ gegeben habe, dann sei es wohl ein sehr komplexes. Womöglich gehe es um fünf bis sechs verschiedene Mechanismen, die je rund 40.000 Stimmen gebracht haben. Bislang müsse man aber von einer „Wahlbetrugsvermutung“ sprechen.

Wahl-Betrug in Georgien nach „russischer Methodik“? Orbán macht Aufwartung

Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili teilt indes Kvirkvelias Post. Sie zählt zu den Gegnern des Georgischen Traums – und nahm am Montag auch an Protesten teil. „Eure Stimmen wurden gestohlen, aber wir werden nicht zulassen, dass jemand unsere Zukunft stiehlt“, sagte sie. Surabischwili sprach von Wahlbetrug nach „russischer Methodik“. Mehrere zehntausend Menschen sollen am Montag auf die Straße gegangen sein.

Im Fokus steht laut Malerius aber die Suche nach Beweisen für Wahlbetrug. Und auch der Blick auf das Ausland: Die EU hat sich bislang eher zurückhaltend geäußert – aber eben auch nicht zur Wahl gratuliert. Mit Schweden hat ein erstes Land angekündigt, die Zusammenarbeit mit der georgischen Regierung vorerst einzustellen. Aus der Reihe tanzte einmal mehr Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Er reiste am Dienstag sogar persönlich nach Georgien. Orbán spreche nicht für die EU, betonte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Teilneuauszählung nach der Georgien-Wahl „Augenwischerei“ – Putins Sprecher stichelt

Eine ebenfalls angekündigte stichprobenartige Teil-Neuauszählung sei indes nur „Augenwischerei“, erklärte Malerius. Die Regierung versuche vor allem, die Legitimität der Wahlen wiederherzustellen. Die Opposition und unabhängige Wahlbeobachter forderten stattdessen die Herausgabe der Liste aller Wahlberechtigten, die an der Wahl teilgenommen haben – um sie mit der Liste aller Wahlberechtigten abgleichen zu können. „Das verweigert die Wahlkommission bislang aber. Das ist ein Indikator, der die Vermutung, dass es um einen massiven Wahlbetrug geht, wachsen lassen muss“, sagt Malerius.

Russland und seine Verbündeten machen derweil rhetorisch Druck. Putins Sprecher Dmitri Peskow warf dem Westen Euronews zufolge Beeinflussungsversuche in Georgien vor – und bezeichnete Aufrufe zu Protesten als Destabilisierungsversuch. Parlamentspräsidentin Schalwa Papuaschwili vom Georgischen Traum hat dem Bericht zufolge gar von einem „Putschszenario“ gesprochen. Unklar ist tatsächlich, wie die Opposition gegen ein womöglich tatsächlich gefälschtes Ergebnis vorgehen will. Für Russland kommt das offizielle Wahlergebnis gelegen: Die Regierungspartei warnt vor einem Konflikt mit Russland. Und sie hat mit ihren Gesetzen vorerst den Weg in die EU verbaut. (fn)

Rubriklistenbild: © [M]: Imago/Itar-Tass/Postimees/Eero Vabamägi/fn

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