Hintergrund zur Katastrophe
Erdbeben in Myanmar: Seit vier Jahren Bürgerkrieg – 20 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen
Seit vier Jahren leiden die Menschen in Myanmar unter Gewalt und Mangelversorgung. Nun erschwert ein verheerendes Erdbeben die Lage zusätzlich.
Noch ist die Lage unübersichtlich nach dem schweren Erdbeben, das am Freitagvormittag Myanmar erschüttert und sogar noch im weit entfernten Bangkok Gebäude zum Einstürzen gebracht hat. Offenbar gab es aber mehrere Todesopfer und viele Verletzte, wie unter anderem die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Das Epizentrum des Bebens mit der Stärke 7,7 lag laut US-Erdbebenwarte USGS in Mandalay, der zweitgrößten Stadt Myanmars.
Myanmar ist ein Land, aus dem generell nur wenig nach außen dringt: In dem südasiatischen Staat herrscht seit gut vier Jahren ein blutiger Bürgerkrieg, freie Medien gibt es in Myanmar nicht. Das wird es wahrscheinlich auch in den kommenden Tagen schwierig machen, das ganze Ausmaß der Katastrophe zu erfassen. Auch internationalen Hilfsorganisationen könnte die regierende Militärjunta die Rettungsarbeiten erschweren.
Myanmar: Bürgerkrieg verschärft Lage im Erdbebengebiet
Der Hintergrund: Seit der Unabhängigkeit Myanmars von Großbritannien wurde das Land die meiste Zeit vom Militär beherrscht. Die Wende kam 2015: Die National League for Democracy (NLD) von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi holte bei ersten freien Wahlen eine Parlamentsmehrheit, bei der Wahl Ende 2020 errang sie sogar einen Erdrutschsieg. Doch die noch immer mächtigen Militärs putschten sich nur wenige Wochen später an die Macht und sperrten Aung San Suu Kyi und viele andere NLD-Politiker hinter Gitter.
Als das Militär begann, Proteste gegen den Putsch blutig niederzuschlagen, brachen im ganzen Land Aufstände gegen die Herrscher unter General Min Aung Hlaing aus, Myanmar versank im Bürgerkrieg. Im Oktober 2023 schlossen sich mehrere Widerstandsgruppen in der sogenannten „Three Brotherhood Alliance“ zusammen und übernahmen in einer Überraschungsaktion die Kontrolle über weite Teile Myanmars. Die großen Städte des Landes – das nun vom Erdbeben offenbar besonders betroffene Mandalay, aber auch die größte Stadt, Yangon, sowie die Hauptstadt Naypyidaw – stehen allerdings weiterhin unter Kontrolle des Militärs.
Laut der Organisation Assistance Association for Political Prisoners wurden seit dem Militärputsch vor vier Jahren fast 6500 Menschen getötet, viele davon bei Luftschlägen der Armee auf Dörfer im Landesinneren. Mehr als 22.000 Menschen sollen im Gefängnis sitzen, weil sie Widerstand gegen die Militärherrschaft geleistet haben.
UN: 20 Millionen Menschen in Myanmar sind auf Hilfe angewiesen
Auch die humanitäre Lage in dem 55-Millionen-Einwohner-Land ist katastrophal. In ihrem jüngsten Bericht zu Myanmar schreiben die Vereinten Nationen Ende März von mehr als 3,5 Millionen Binnenvertriebenen. „Die Zivilbevölkerung ist mit anhaltender Gewalt und einer Verschlechterung der humanitären Bedingungen konfrontiert, während die Ernährungssicherheit, die Versorgung mit sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen, die Gesundheit, die Unterkünfte und die Bildung täglich auf dem Spiel stehen“, heißt es in dem Bericht. Fast 20 Millionen Menschen in Myanmar seien auf Hilfen angewiesen.
Nicht nur das Erdbeben dürfte die Lage der Menschen in Myanmar noch verschlimmern. Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau verwies vor Kurzem Amara Thiha, Myanmar-Experte bei der US-Denkfabrik Stimson Center, auf eine aus seiner Sicht fatale Entscheidung der neuen US-Regierung: „Bislang kam ein großer Teil der Hilfen für die grenznahen Gebiete von USAID, der US-Behörde für internationale Entwicklung“, so Amara Thiha. „Unter Donald Trump haben die USA diese Hilfsprogramme jetzt gestoppt. Das bringt die rund drei Millionen Menschen, die in den Grenzgebieten von Myanmar leben, in eine schwierige Situation.“
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